Lehren kompakt II (E-Book). Ruth Meyer

Lehren kompakt II (E-Book) - Ruth Meyer


Скачать книгу
des pädagogischen und didaktischen Wissens durchwegs spürbar: Dies zeigt sich einerseits in einer gut verständlichen Sprache, anderseits aber auch in den vielen praxisbezogenen Beispielen sowie in der starken Akzentuierung auf die Praxisfrage «Wie macht man das?» (Methodenwissen, praxisbezogenes Know-how). Und was das besondere Verdienst dieses Werks ist: Die Überlegungen sind ausgerichtet auf das anspruchsvolle Praxisfeld der Lehr- und Lernarbeit mit Jugendlichen.

      Ein Buch, das Mut macht, die eigene Praxis zu überdenken, und das dazu anregen kann, neue Formen des Lehrens und Lernens in der Bildungsarbeit mit Jugendlichen anzupacken und zu erproben.

       Aarau, Januar 2011

       Prof. Dr. Norbert Landwehr, Pädagogische Hochschule FHNW

      «Wer Kindern Liebe predigt, lehrt sie nicht lieben, sondern predigen.»

      Alice Miller

      Geschätzte Leserin, geschätzter Leser

      Müssen junge Menschen durch ihre Lehrpersonen noch erzogen werden, oder dürfen Lehrpersonen ihnen gegenüber keinesfalls erzieherisch wirken? Wie viel Disziplin braucht es, um Jugendliche optimal fördern zu können? Welche Krisen in der Jugendzeit wirken sich auf den Unterricht aus, und wie können Lehrpersonen damit umgehen? Welche Methoden sind für Jugendliche speziell geeignet? Können Jugendliche von ihrem Entwicklungsstand her überhaupt wie Erwachsene lernen? Auf solche Fragen versucht dieses Buch Antworten zu geben.

      Es richtet sich also an Berufsfachschullehrerinnen und -lehrer und alle diejenigen, die mit Jugendlichen arbeiten und sie anleiten (Anbieter von 10. Schuljahren, Brückenangeboten, Übergangslösungen zwischen Schule und Beruf), Berufsbildnerinnen und Berufsbildner in der Praxis sowie an Gymnasiallehrerinnen und -lehrer.

      Sie finden in diesem Buch Impulse, wenn Sie

      •es überfliegen,

      •von hinten nach vorne lesen,

      •sich vom Index ausgehend in ein Thema vertiefen,

      •das Inhaltsverzeichnis nach möglichen Hinweisen für Ihre Fragestellung absuchen,

      •Zusatzmaterial auf der Webseite www.hep-verlag.ch betrachten.

      Zu dieser Fundgrube haben für die erste und die zweite Auflage beigetragen: Karin Anand (Kantonsspital St. Gallen), Monika Gugger (Axa Winterthur Versicherung, Berufsbildung), Christa Heimgartner (Schweizerische Post, Berufsbildung), Rolf Huwyler (Bühler AG Uzwil, Berufsbildung), Irene Lehmann-Fäh (Schweizerische Post, Berufsbildung), Daniela Lüchinger (Klinik Stephanshorn St. Gallen), Claudia Räber (Räber Treuhand GmbH, Leiterin überbetriebliche Kurse) und Benno Schwizer (Stadt Zürich, Berufsbildung).

      Seit der zweiten Auflage ist viel Zeit vergangen. In dieser dritten, vollständig überarbeiteten Auflage war es mir deshalb ein Anliegen, aktuellere Zahlen zur Situation der Jugendlichen zu liefern sowie die veränderte Medienwelt einzubeziehen. Auch das Thema «Lebenskompetenzen» hat sich inzwischen den längst notwendigen Raum in der Bildung verschafft.

      Große Teile dieses Buches wurden aus der ersten Auflage übernommen, zu der Daniela Meyer, Flavia Stocker und Werner Henggeler mit ihren kritischen Anmerkungen und ständigen Diskussionsbereitschaft Wesentliches beigetragen haben. Der dritte Teil, den Irene Lehmann-Fäh und Heidi Ehrensperger für die zweite Auflage kritisch gegengelesen haben, blieb im Wesentlichen unverändert.

      Für die dritte Auflage stand mir wiederum Irene Lehmann-Fäh (schoenerschulen.ch) mit vielen Ideen zur Methodik und zur Visualisierung bei. Ich bedanke mich herzlich für diese Unterstützung.

      Ergänzend dazu kamen viele Einblicke in das aktuelle Leben von Jugendlichen in der Schweiz durch meine jugendlichen Enkel. Mit ihnen kann ich lustvoll und hautnah erleben, wie Jugendliche mit dem Internet und den Social-Media umgehen.

       Juni 2019Ruth Meyer

image

       Erziehungsaufgaben im Unterricht

image

       Was ist mit den Jugendlichen los?

      «Sagst du es mir, so vergesse ich es. Zeigst du es mir, so merke ich es mir vielleicht. Lässt du mich teilhaben, so verstehe ich es.»

      Chinesisches Sprichwort

      Ausgangslage

      72 964 Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren haben im Sommer 2018 die obligatorische Schulzeit abgeschlossen. 87 Prozent von ihnen haben eine Ausbildung auf Sekundarstufe II begonnen.

      53 Prozent haben sich für eine berufliche Grundbildung (39 184) entschieden, ein Drittel besucht ein Gymnasium oder eine Fachmittelschule (24 217). Mit 87 Prozent konnte der Großteil der Jugendlichen direkt mit der Ausbildung starten. Nur 13 Prozent wichen auf eine Zwischenlösung aus: 10 Prozent nehmen ein Brückenangebot wahr (7 413) und 3 Prozent (2 150) machen ein Zwischenjahr. (1) Lehrpersonen, die in Zwischenlösung, Brückenprojekt, beruflicher Grundbildung oder Mittelschulen ausbilden, können nicht davon ausgehen, dass in ihren Klassenzimmern ausschliesslich Lernende sitzen, die hoch motiviert sind, genau wissen, was sie wollen, und zielgerichtet aus dem Bildungsangebot herausholen, was sie brauchen. Denn diese 16- bis 18-Jährigen sind zwar keine Kinder mehr, aber auch noch keine Erwachsene. Um erwachsen zu werden, müssen sie noch ihre Selbst- und Sozialkompetenzen erweitern und ihre eigene Identität entwickeln.

      16-Jährigen begegnen wir als Ausbildende im Wesentlichen in drei Umfeldern: in Maturitätsschulen denjenigen, die sich auf die Universität vorbereiten; in Berufsfachschulen und innerbetrieblichen oder überbetrieblichen Ausbildungsstätten denjenigen, die eine Lehrstelle gefunden haben bzw. ein Fähigkeitszeugnis oder ein Berufsattest anstreben. In Brückenangeboten schliesslich begegnen wir denjenigen Jugendlichen, die weder eine Lehrstelle noch sonst einen Ausbildungsplatz gefunden haben.

      Mit «Lernenden» und «Jugendlichen» meine ich in diesem Buch alle 16- bis 18-Jährigen, egal ob sie sich in einem Übergangsjahr, im Gymnasium oder in der beruflichen Grundbildung befinden.

      Wie erleben nun Lehrpersonen diese Jugendlichen zwischen 16 und 18? In meiner eigenen Lehrtätigkeit, in der ich Lehrpersonen in der Erwachsenenbildung methodisch-didaktisch weiterbilde, fallen mir immer wieder die Berufsbildungsverantwortlichen auf. Sie haben ganz andere Fragestellungen als Lehrpersonen von Erwachsenen, sie wirken jugendlicher und sind kreativer. Und bei meinen Beobachtungen in verschiedensten Unterrichtssituationen habe ich bei Jugendlichen den lebendigsten, aber auch den mit am meisten Störungen durchsetzten Unterricht erlebt und immer wieder gestaunt, mit wie viel Humor, Schlauheit und Empathie die Lehrpersonen agieren, um die Jugendlichen, die oft schwerer zu hüten sind als ein Sack Flöhe, zu Lernleistungen zu motivieren und bei der Stange zu halten. Oft handelt es sich um Lehrpersonen, die lange Erfahrung mit Jugendlichen mitbringen, selbst erwachsene Kinder haben oder dem Jugendalter noch nahe stehen und deshalb die Bedürfnisse und Verhaltensweisen der Jugendlichen mehr oder weniger intuitiv begreifen.

      Jugendliche machen in diesem Alter unterschiedliche Erfahrungen mit der Ausbildung. Im schlechteren Falle werden sie weiterhin wie Kinder behandelt, obwohl sie längst keine mehr sind. Im besseren Falle begegnet man ihnen wie «kleinen» Grossen, obwohl sie das erwachsene Lernverhalten noch nicht beherrschen. Im besten Falle finden sie warme, begeisterte und empathische Berufsbilder*innen


Скачать книгу