Lehren kompakt II (E-Book). Ruth Meyer
Prozent. (8a)
•Um die 30 Prozent aller 15-Jährigen hat schon mal geraucht, um die 5 Prozent rauchen täglich. (8b)
•Das Einstiegsalter für Cannabis liegt durchschnittlich bei circa 16 Jahren. 2018 hatten unter den 15-Jährigen 17 Prozent (Frauen) bzw. 27 Prozent (Männer) bereits Cannabis probiert. Rund 3 Prozent konsumieren regelmässig, 0,8 Prozent fast täglich. (8c)
•Rund ein Drittel der Jugendlichen verfügt über ein Video- und Musik-Streaming-Abo. (4e)
•Fast alle Jugendlichen nutzen einen Messenger wie Instagram, WhatsApp, TikTok oder Snapchat, die meisten mehrmals pro Tag. (4f)
•Die Nutzung von Facebook ist gegenüber 2014 deutlich zurückgegangen, aktuell ist noch ein Fünftel der Jugendlichen mehrmals pro Woche auf Facebook. (4g)
•Schweizer Jugendliche sind im Schnitt täglich rund zweieinhalb Stunden, am Wochenende zwischen drei und vier Stunden täglich online. (4h)
•Die nonmedialen Freizeitbeschäftigungen haben einen zentralen Stellenwert; sowohl sich mit Freunden oder Freundinnen zu treffen wie auch Sport zu treiben, ist nach wie vor beliebt. (4i)
Verurteilungen von 14- bis 18-Jährigen in der Schweiz für eine Übertretung, ein Vergehen oder ein Verbrechen sind zwischen 2010 und 2017 um 3 Prozent gestiegen. 2017 wurden gesamtschweizerisch 8920 männliche und 2176 weibliche Jugendliche verurteilt, davon rund 2800 Personen ohne Schweizerpass. (9)
Täglich rufen zwei bis drei Jugendliche bei der Notrufnummer 147 der Pro Juventute an. Etwa die Hälfte der Jugendlichen, die sich selbst töten, leidet an einer depressiven Erkrankung. Bis zu 90 Prozent der Jugendlichen, die einen Suizidversuch machen, leiden an einer psychischen Störung. (10)
«Bei Jugendlichen (ab 16) und jungen Erwachsenen sind bei beiden Geschlechtern Unfälle und Suizid die häufigsten Todesursachen.» (11)
Aktuelle aussagekräftige gesamtschweizerische Erhebung zur finanziellen Situation Jugendlicher konnten nicht gefunden werden. Die vielen sehr gut gemachten Internet-Seiten und die vielen Unterrichtsmaterialien zum Thema Jugendliche und Geld zeigen aber, dass dies ein vieldiskutiertes Thema ist. Eine der ansprechendsten Webseiten mit Budgetplanung für Jugendliche ist www.heschnocash.ch; sie enthält auch Unterrichtsmaterialien für Lehrpersonen. (12)
Fazit
Die Situation der Jugendlichen ist komplex. Die hohen Leistungsansprüche seitens der Berufswelt und Schule, verbunden mit der dauerhaft präsenten Beeinflussung durch die Medien, zusammen mit sich stark verändernden Familienstrukturen, führen häufig zu persönlichen Krisen, die sich in auffälligem Verhalten in Schule und Öffentlichkeit äussern. Statt Jugendliche an der Erwachsenenwelt teilhaben zu lassen, werden sie oft ausgegrenzt und ausgenutzt. Lehrpersonen von Jugendlichen sind besonders herausgefordert, weil sie den Jugendlichen in einer Altersphase begegnen, da diese sich in ihrer Abgrenzung von den Erwachsenen oft provokativ benehmen und trotzdem viel Unterstützung und Gesprächsbereitschaft brauchen.
Womit Jugendliche beschäftigt sind
«Man kann einen Menschen nichts lehren, man kann ihm nur helfen, es in sich selbst zu entdecken.»
Galileo Galilei
Jugendliche um 16 sind körperlich zwar erwachsen, aber nicht geistig-seelisch. Diese Entwicklung stellt die Jugendlichen immer noch vor die gleichen Aufgaben wie früher, aber «Jugendliche müssen sich heute mit einer Vielfalt von Möglichkeiten auseinandersetzen, die es vor wenigen Generationen noch gar nicht gab. Die persönlichen und sozialen Entwicklungsaufgaben, die Heranwachsende meistern müssen, sind komplexer geworden. Es fehlen eigentliche Rollenvorbilder oder Werte, die den Adoleszenten in dieser wichtigen Lebensphase eine Orientierungshilfe sein könnten.» (10) Sie sind damit beschäftigt, die eigene Entwicklung in Richtung Identität und Persönlichkeit voranzutreiben und sich in der Gemeinschaft mit anderen zurechtzufinden. Die Entwicklungspsychologie spricht von Entwicklungsaufgaben, die die Jugendlichen zu leisten haben. Der erste Abschnitt des Kapitels beschäftigt sich mit diesen Entwicklungsaufgaben, die im Wesentlichen die Herausbildung einer Identität und die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper beinhalten und ausserdem mit Abgrenzung und Kooperation zu tun haben. Im zweiten Abschnitt geht es um das jugendliche Lernen und im dritten schliesslich um die Kooperation der Jugendlichen mit der Schule/Ausbildung.
Mit dem Eintritt in die (Vor-)Pubertät verlieren Kinder ihre Natürlichkeit und Unbeschwertheit. Sie werden sich ihrer selbst bewusst und stellen alles infrage: den eigenen Körper, die eigene Intelligenz, die eigenen Gefühle, die eigenen Werte, die Vorlieben und Abneigungen. Bis dahin war das Kind das, was die Erwachsenen in ihm gesehen und von ihm erwartet haben. Nun wehrt es sich zunehmend gegen diese Definition von aussen.
Um ein neues, eigenes Selbst auszubilden, braucht es einen langen Prozess von Auflehnung, Reibung, Suchen und Finden. Auf dieser Suche werden die engsten Bezugspersonen harten Belastungen und Tests ausgesetzt: «Leben diese wirklich die Werte, die sie immer predigen? Sind sie echt? Lieben sie mich, weil ich brav bin, oder lieben sie mich auch, wenn ich so bin, wie ich bin? Wie weit lassen sie mich gehen? Wo ziehen sie Grenzen? Sind sie gerecht?» Ausbildende sind von diesen Tests nicht ausgenommen. In der stetigen Auseinandersetzung bilden die Jugendlichen ihre eigene Identität aus, entwickeln Selbstvertrauen und lernen, sich zu behaupten. Die Jugendlichen brauchen es dringend, dass man sich mit ihnen auseinandersetzt und ihre sich formende Persönlichkeit ernst nimmt.
Die folgenden vier Entwicklungsaufgaben stehen bei Jugendlichen, die die Vorpubertät hinter sich haben und mindestens 16 Jahre alt sind, im Vordergrund:
•Die Bildung einer eigenen Identität
•Den eigenen Körper bewohnen lernen
•Einen individuellen Umgang mit der Sexualität entwickeln
•Selbst- und Sozialkompetenzen weiterentwickeln
Die Bildung einer eigenen Identität
Identität bedeutet: Ich habe ein stimmiges und zusammenhängendes Bild von mir selbst. Ich kenne meine Stärken und Schwächen. Jugendliche stellen sich folgende Fragen oder Varianten davon oft: «Wer bin ich?» – «Was werde ich sein?» – «Wie möchte ich sein?» – «Warum bin ich so?» – «Was wäre, wenn es mich nicht gäbe?» – «Für wen hält man mich?»
Zu diesen Fragen gehören natürlich die Selbstzweifel und auch die Frage, wie widersprüchlich jemand überhaupt sein kann und darf. Gefundene Bausteine einer eigenen Identität werden gerne zur Abgrenzung nach aussen demonstrativ gezeigt – in Kleidung, Frisur, Verhalten und Einstellungen. Es wird immer wieder erprobt, wie sicher diese Abgrenzung zwischen innen und aussen gelingt, welches Selbst man zur Schau tragen will und wie man auf die andern wirkt. In dieser Phase der Unklarheit über die eigene Person, ihre Stärken und Ausprägungen sind Jugendliche sehr empfindlich und verletzbar. Sie ziehen sich zurück und reagieren harsch auf Urteile von Personen, zu denen sie kein Vertrauen haben. Bei männlichen Jugendlichen kann dies zu einem aggressiven Gegenangriff führen.
Identität wird durch Interaktion, Selbstbilder und Fremdbilder, also durch die Spiegelung in anderen geformt. Indem Jugendliche sich mit Gleichaltrigen vergleichen, Gespräche mit Vertrauten pflegen und ihre Wirkung auf andere testen, bauen sie ihr Selbstbild auf. Dadurch reifen die eigene Wahrnehmung und das Bewusstsein für die eigene Ausstrahlung, aber auch der Wunsch, das eigene Selbst nach aussen zusammenhängend zu vertreten und zu verteidigen. Wenn Jugendliche motzen: «Ich bin gar nicht so, wie du denkst», dann steckt dahinter eine grosse Arbeit an sich selbst, nämlich das Entdecken