Lehren kompakt II (E-Book). Ruth Meyer

Lehren kompakt II (E-Book) - Ruth Meyer


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Niemandsland dazwischen führen.

      Jugendliche machen Schlagzeilen

      Betrunkene Jugendliche randalieren

      Jugendliche Intensivkiffer verlieren IQ-Punkte

      Depressionen werden zunehmend auch bei Jugendlichen diagnostiziert

      Suizid wegen Mobbing: Zwei Jugendliche verurteilt

      Psychiatrische Notfälle nehmen bei Teenagern zu

      Jugendliche verprügeln Frau

      Noch nie wurden so viele Jugendliche wegen Sexualdelikten angezeigt

      Teenager überfallen Jugendliche auf Schulhof

      Zehntausende Jugendliche demonstrieren

      Dies sind Schlagzeilen, die so oder ähnlich in den Tageszeitungen zu finden waren. Lehrpersonen von Jugendlichen könnten die Liste beliebig ergänzen:

      Schlägerei in Berufsfachschule: Ein Lehrer verletzt

      Tumult bei der Rückgabe der Prüfungen

      Selbstmord eines Schülers

      Prüfungen aus Lehrerzimmer geklaut

      Schon wieder ein Schulverweis

      Was ist mit den Jugendlichen los?

      Jugendliche spielten früher in Gemeinschaften und Kulturen eine wichtige Rolle. Sie galten lange Zeit als unverbrauchte Kräfte, die als Arbeitskräfte die alternden Eltern und die verlorenen Soldaten ersetzten oder selbst als Kanonenfutter in den Krieg zogen. Wenn sie heutzutage in den Medien auftauchen, dann im Zusammenhang mit Gewalt, ungesetzlichem Verhalten, als Störer der öffentlichen Ordnung oder Kostenfaktor in der Berufswelt. Für die Werbung dagegen sind Jugendliche als Zielgruppe interessant. Als zahlende Konsumenten werden sie umworben und beworben in einer Art und Weise, die sich für die Jugendlichen selbst kaum durchschauen lässt. Dass Jugendliche exzessiv Computerspiele machen, über ihr Budget hinaus konsumieren und den Versuchungen der Massenmedien und Werbung erliegen, ist daher absolut kein Wunder. Gerade im Zusammenhang mit den boomenden Videospielen werden Jugendliche dazu veranlasst, mehr Geld als gewollt auszugeben und gleichzeitig ihre persönlichen Daten in ungeahntem Ausmaß freizugeben. (2)

      Der Berufseinstieg gestaltet sich für viele Jugendliche schwierig, obwohl sich die Lehrstellensuche stark entspannt hat. Aktuell besteht ein deutlicher Lehrstellenüberschuss. (32b) So gibt es 2019 ein Angebot für Firmen mit dem Titel «Lernende finden mit Lehrstellenmarketing 4.0». Die Berufsfindung ist ein langer Weg, der über Umwege, Denkpausen, Abbrüche und Standortbestimmungen sehr individuell verläuft. Jugendliche zwischen 16 und 18 sind unterschiedlichsten Einflüssen ausgesetzt, mit denen sie nicht immer umzugehen wissen. Getrieben von kurzfristigen Interessen und Neigungen, finden sie sich behindert oder gefördert von der sozialen und ökonomischen Stellung ihrer Eltern und den Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt.

      Gemäß Nahtstellenbarometer des SBFI/SECO besuchen Ausländerinnen und Ausländer häufiger Brückenangebote als Schweizer Jugendliche. Anbieter von Brückenangeboten berichten von einem zunehmenden Anteil von Jugendlichen, die einen erhöhten Betreuungsaufwand haben. Psychosoziale Belastungen haben deutlich zugenommen.

      Als häufigster Grund, ein Brückenangebot zu besuchen, geben 60 Prozent der Jugendlichen an, dass sie keine Lehrstelle gefunden haben. (1b)

      In der Grundbildung befinden sich wesentlich mehr junge Männer als Frauen, während junge Frauen bei den Maturitätsschulen häufiger vertreten sind. (1c)

      79 Prozent der befragten Jugendlichen sind mit der Wahl ihres Ausbildungsweg sehr zufrieden. Nur 13 Prozent mussten auf etwas anderes als das, was sie am liebsten gemacht hätten, ausweichen. (1d)

      Die meisten Jugendlichen beginnen über ein Jahr vor Lehrantritt mit der Lehrstellensuche und Bewerbungen. Von den durchschnittlich 8,2 Bewerbungen führten im Schnitt 2 zum Erfolg. Es scheint, dass die Lehrstellensuche für die Jugendlichen in den vergangenen Jahren einfacher geworden ist. Aus Sicht der Betriebe blieben im August 2018 gut 14 Prozent der Lehrstellen unbesetzt, da keine geeigneten Bewerber/-innen gefunden werden konnten. (1e)

      Gut 20 Prozent der Lernenden im 1. Lehrjahr beabsichtigen, eine Berufsmaturität zu absolvieren.

      Wenn die Jugendlichen weiter zur Schule gehen, besuchen sie grossmehrheitlich ein Gymnasium oder eine Kantonsschule, etwa ein Drittel besucht eine Fachmittelschule. Die Mehrheit dieser Gymnasiast/-innen besucht eine öffentliche Schule. Zwischen 1988 und 2013 nahm in der gesamten Schweiz die absolute Anzahl der Berufslernenden ab; es entstand ein Lehrstellenüberschuss. Die Zahl der Schüler und Schülerinnen in Gymnasien blieb gleich. (32c)

      Abgesehen von Schule und Beruf finden nur wenige Jugendliche eine «sinnvolle» Stellung in der Gesellschaft. Über das Engagement in einer Jugendorganisation oder einem Verein, über Musik, Kultur oder Sport gelingt das einigen wenigen. Überhaupt nicht mehr gebraucht wird im Allgemeinen die Mithilfe im elterlichen Betrieb oder Haushalt, viele Jugendliche fühlen sich eher im Weg als nützlich. Dass Jugendliche kleine Arbeiten übernehmen (Ferienjobs, Zeitungenaustragen usw.), ist immer weniger möglich. Die Durchmischung in Vereinen ist stark zurückgegangen, die Jugendlichen bewegen sich in ihren eigenen Peergruppen und besuchen eher ein Fitness-Center als einen Sportverein. Dadurch entfallen viele Interaktionen zwischen Jugendlichen und Erwachsenen in der Freizeit, und die Jugendlichen decken ihr Bedürfnis nach Zugehörigkeit ab, indem sie sich zufälligen Gruppen Gleichaltriger anschliessen. Hier erproben sie ihre Stärke und finden Möglichkeiten zur Einflussnahme in gefährlichen und/oder herausfordernden Aktionen, um der Langeweile und der Sinn- bzw. Nutzlosigkeit zu entgehen. Dabei sind Jugendliche durchaus an der Teilhabe an der Erwachsenenwelt interessiert – mehr denn je, wie die neueste SINUS-Studie (3) aus Deutschland belegt.

      Jugendkultur ist heute nicht mehr von grosser Bedeutung, Jugendliche grenzen sich kaum mehr aus Prinzip von der Erwachsenenwelt ab. Vielmehr wollen sie sein wie alle, nämlich Mainstream. «Im Vergleich zur Studie 2012 ist dabei wirklich neu, dass der Begriff ‹Mainstream› heute kein Schimpfwort mehr ist. Im Gegenteil – er ist ein Schlüsselbegriff im Selbstverständnis und bei der Selbstbeschreibung.» (3a)

      Besonders akzentuiert stellen sich die geschilderten Probleme für ausländische Jugendliche. Ihnen wird jegliche Hoffnung auf Mitbestimmung und Verantwortungsübernahme schon früh genommen, indem ihnen klar gemacht wird, dass sie nicht zu unserer Gemeinschaft gehören und auch nie an Abstimmungen teilnehmen können, auch wenn sie kein anderes Zuhause kennen als ihre Wohngemeinde. Wenn Jugendliche einen Ort suchen, wo sie gehört werden, dazugehören und etwas bewirken können, werden sie häufig fündig in rassistischen, fundamentalistischen oder religiösen Gruppierungen. Denn solche Gemeinschaften ziehen heimatlose oder nicht integrierte Jugendliche an. Jede Gemeinde sollte deshalb für Jugendliche ein niederschwelliges, breites und gut begleitetes soziokulturelles Angebot bereitstellen.

      Zahlen und Fakten zur Situation der Jugendlichen in der Schweiz

      •50 Prozent der 17-Jährigen interessieren sich für Politik. (4a)

      •Für 74 Prozent gehören Diskussionen zu aktuellen politischen Themen in den Schulunterricht. (4b)

      •Jugendliche erkennen die Risiken der Konsum- und Mediengesellschaft, in der sie aufwachsen. Sie beurteilen Kompetenzen im Umgang mit Konsum und Medien als relevant. (4c)

      •Jugendliche möchten ernst genommen werden und ihre Meinung in die Politik einbringen können. (4d)

      •«(Erstens ist) die Wahrscheinlichkeit, in ein Gymnasium einzutreten, für sehr talentierte Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Familien nur etwa halb so gross wie die entsprechende Wahrscheinlichkeit von vergleichbaren Jugendlichen aus sozioökonomisch privilegierten Familien.» (32f)

      •41 Prozent der Jugendlichen haben Ohrfeigen, hartes Anpacken oder Stossen erlebt, 22 Prozent schwere Gewalt. (5a)

      •Gemäss Erhebungen aus den Jahren 2014/15 sind in der Schweiz 19 Prozent der jungen Frauen und etwa 4 Prozent der jungen Männer zwischen 15 und 24 Jahren untergewichtig. (7)

      In der Sekundarschule sind 26 Prozent der Schüler/-innen übergewichtig. (7)

      •4


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