Von der Schönheit, Frau zu sein. Katrin Langholf
Frau fortan wie ein sünd- und schuldhaftes Wesen 2. Klasse behandelt wurde. Ihre Schuld wurde übrigens nicht nur von außen, also den Männern deklariert, sondern auch die Frau trug und trägt zum Teil bis heute dieses Gefühl von Schuld, Scham und Versagen in sich selbst.
Die Folgen davon fanden ihren Ausdruck in der Gesellschaftsstruktur des Patriarchats. Im Patriarchat herrschte die Vorstellung, dass eine Frau über sehr geringen bis gar keinen Verstand verfügt, sie hatte keine oder nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, ihre Kraft und Kreativität zu entwickeln. Sie hatte praktisch keine Rechte. Sie wurde als Sexualobjekt missbraucht und verletzt und war materiell zumeist vollkommen abhängig von ihrem Mann, oder einem männlichen Familienmitglied. Ich will dabei nicht ausschließen, dass es in dieser Zeit punktuell auch Frauen gegeben hat, die entweder ein sonnigeres Schicksal hatten, wie etwa ein gut behütetes Mädchen aus reichem Hause, der Augenstern des Vaters. Oder aber Frauen, die sich über diese Zustände hinweggesetzt haben und ein eigenständiges Leben führten. Diese Frauen lebten jedoch häufig in der Gefahr, Anstoß zu erregen und bestraft, gefoltert oder getötet zu werden. Aus jener Zeit tragen wir in unserem kollektiven weiblichen Feld sehr viele Schuldgefühle, Angst und Schmerz.
Diese Strukturen wirken teilweise bis in die heutige Zeit hinein, wenngleich man natürlich sagen muss, dass sich in den vergangenen 100 bis 200 Jahren die Position der Frau, besonders in der westlichen Gesellschaft, stark verändert und verbessert hat. Das Patriarchat befindet sich, zumindest hier, auf dem Rückzug, obschon es immer noch starke gesellschaftliche Strukturen gibt, die die Werte und Prinzipien des Patriarchats aufrechterhalten.
Eine Hauptströmung, der wir diese Veränderungen verdanken, ist die Emanzipationsbewegung. Diese Bewegung und ihre Verdienste habe ich ja bereits in meiner Einführung erwähnt. Problematisch wird es nur an dem Punkt, wo Frauen in ihrem verständlichen Verdruss über die traditionelle Frauenrolle auf der energetischen Ebene das Kind mit dem Bade ausgeschüttet haben.
Das große Paradox ist, dass die weibliche Energie – und ich spreche hier nicht von der Frau in all ihren Aspekten – unter anderem ganz wesentlich Eigenschaften verkörpert, die mit Sanftheit, Lieben, Nähren, Unterstützen zu tun haben. Wenn wir als Frau frei sind, fließen diese Energien wie selbstverständlich als wesentlicher Ausdruck unseres gesamten Daseins in unser Leben hinein und berühren die Menschen, die uns umgeben. (Ich möchte an dieser Stelle allerdings erwähnen, dass die weibliche Energie auch noch ganz andere Aspekte in sich birgt, die alles andere als lieb und sanft sind, aber das soll an einer anderen Stelle erörtert werden). Im Zeitalter des Patriarchats wurde daraus ein Anspruch der Männer an die Frauen abgeleitet. Die Frau wurde auf die oben genannten Eigenschaften reduziert und so zur Sklavin dieses Potenzials.
Ein Hauptaugenmerk der Emanzipationsbewegung lag darauf, sich von diesen Eigenschaften zu lösen, um endlich frei zu werden für die kreative und selbstbestimmte Kraft, die in jeder Frau lebt. Und dieser Prozess ist bis heute nicht abgeschlossen. Für die innere Ganzheit kann es aber nicht darum gehen, sich für das eine, und gegen das andere zu entscheiden. Wir brauchen beides, um als Frau im Einklang mit uns selbst und der nährenden Energie, die wir in uns tragen, leben zu können. Diese weiblichen Aspekte zu bekämpfen, bedeutet letztendlich, immer gegen uns selbst zu kämpfen.
Der wesentliche Schritt besteht darin, eine bewusste und selbst gewählte Form für sich damit zu finden.
Ein anderes Problem in der Emanzipationsbewegung war, dass die Frauen sich in einer männlich geprägten Gesellschaftsstruktur behaupten mussten. Es ist leider immer noch so, dass klassische männliche Qualitäten das Maß und den Wert der Dinge bestimmen. Zielorientiertheit, Konkurrenz, Leistungsbewusstsein. Diese Qualitäten sind an sich nicht falsch oder schlecht. Das Problem ist nur, dass sie völlig überbewertet sind und Frauen, wie im Übrigen auch die Männer, körperlich, psychisch und energetisch darunter leiden.
Um sich einen Platz in der Gesellschaft erobern zu können, wählten die Frauen den Weg, die männlichen Paradigmen zu übernehmen und mussten noch bessere Männer werden, um zu beweisen, dass sie in diesem System bestehen können. Man darf in diesem Zusammenhang nicht außer Acht lassen, dass jene Bewegung für eine gewisse Zeit auch ein gesunder Ausgleich für die Frauen war, um endlich etwas von sich leben zu können, was ihnen bis dahin verwehrt gewesen war.
Jetzt scheint eine Zeit angebrochen zu sein, in der Frauen es wieder wagen können, sich mit den Wurzeln der weiblichen Energie zu verbinden.
Die archaische Ebenez
Es gibt noch eine Ebene, die unser Leben beeinflusst und die viel weiter zurückreicht als das, was man eine kulturelle Entwicklung nennen würde. Ich nenne sie in diesem Zusammenhang die archaische Ebene. Erinnern Sie sich daran, was ich über die kollektive Ebene geschrieben habe? Die archaische Ebene wirkt durch das kollektive Feld, aber sie lebt quasi auch noch in unseren Genen und bestimmten Bereichen unseres Gehirns. Zum Beispiel im limbischen System.*14
Der „Urmensch“ – und bitte legen Sie mich nicht genau zeitlich fest – war ein Wesen, welches sich für sein Überleben in Gruppen zusammenfand. Die Natur war hart, das Essen musste selbst erlegt oder gesammelt werden und es gab für das Überleben der Gemeinschaft ganz klare Rollen, die nicht zur Debatte standen und die sicherlich auch lange Zeit nicht reflektiert werden konnten – sowohl in Bezug auf äußere Notwendigkeiten als auch in Bezug auf den Bewusstseinsstand des Menschen in dieser Entwicklungsphase.
Der Mann war stark und hatte von seiner hormonellen Ausstattung her mehr Aggressionspotenzial in sich. Daraus ergab sich seine Rolle als Jäger und Beschützer. Die Frau gebar die Kinder und war für die Brutpflege zuständig. Allein hätte ein Mensch und ganz besonders eine Frau nur schwerlich, wenn überhaupt, überleben können.
Für uns Frauen bedeutet das auf dieser genetisch-kollektiven und hirnstrukturellen Ebene ein altes existenzielles Gefühl der Abhängigkeit vom Schutz des Mannes. Ich will damit nicht andeuten, dass diese Abhängigkeit etwas ist, mit der wir uns einfach abfinden müssen, sondern es ist wichtig zu verstehen, dass diese archaische Ebene auch heute noch in uns wirkt. Wenn es beispielsweise um Unsicherheiten in Beziehungen oder anderen Lebensumständen geht, wird, neben vielen anderen Dingen, auch diese existenzielle Ebene in unserem Fühlen und Erleben der Situation mit angeregt.
Beide der genannten Aspekte beeinflussen deutlich die individuelle Geschichte eines jeden Menschen. Wir werden in Paradigmen hineingeboren, die unser Selbstbild und unsere Erfahrungswelt stark prägen. Es gibt immer die kontinuierliche Weiterentwicklung einer Gesellschaft mit allen Irrungen und Wirren und scheinbaren Rückschritten, die dazugehören, und gleichzeitig dauert es lange, bis ein vollkommener Wandel stattgefunden hat. Es wäre unsinnig zu behaupten, die Rolle der Frau wäre, zumindest was unsere westliche Gesellschaft anbelangt, noch wie im Mittelalter. Und doch wirken die Paradigmen dieser Zeit immer noch auf bestimmten Ebenen weiter.
Was wäre beispielsweise, wenn die Vergangenheit unserer Kultur liebevoll und entspannt mit dem Thema Sexualität umgegangen wäre? Meinen Sie, es gäbe dann so etwas wie Unterdrückung der sexuellen Freude, die zu Ängsten und „Perversionen“ aller Art sowie zu sexueller Gewalt führen? Aber das nur als Gedankenspiel am Rande.
Gleichzeitig ist eine individuelle Geschichte auch das, was sie ist – eben individuell. Kein Mensch macht genau dieselben Erfahrungen wie ein anderer. Selbst wenn die äußeren Bedingungen die gleichen sind, so kann das Erleben jener Situation ein völlig anderes sein, als bei einem anderen Menschen.
Die energetische Ebene
Im vergangenen Kapitel habe ich über die Chakren und ihre Polung gesprochen. Ich möchte Sie an dieser Stelle zu einem kleinen Experiment einladen:
Wenn Sie die folgende Anleitung durchgelesen haben, kann es hilfreich sein, für die Durchführung der Übung die Augen zu schließen.
Übung (siehe Hinweis auf Seite 196):
Stellen Sie sich zunächst eine Situation vor, in der Sie sehr aktiv sind. Vielleicht machen Sie eine Sportart, die Sie auch im Alltag praktizieren, oder Sie stellen sich vor, Sie hacken Holz oder putzen die Fenster, so schnell Sie können. Versuchen Sie sich möglichst körperlich mit dieser Vorstellung