Von der Schönheit, Frau zu sein. Katrin Langholf

Von der Schönheit, Frau zu sein - Katrin Langholf


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Exkurs

      Was hat es mit all diesen Ebenen auf sich? Worum geht es in diesem seltsamen Spiel, welches „das Leben“ genannt wird? Wer sind wir darin?

      Ich möchte zunächst ein kleines Gedankenspiel mit Ihnen machen *5: Wenn es tatsächlich so ist, dass alles, was existiert, aus einer Art Urkraft entstanden ist – nennen Sie es Gott oder schöpferische kosmische Energie oder nennen Sie es den Urknall – so wäre es letztendlich so, dass in allem, was ist, das Eine enthalten ist. Dieses Eine ist die lebendige Essenz des Lebens, auf die alles, was existiert, zurückzuführen ist, und was dort, also in allem, was existiert, ein und dasselbe ist.

      Stellen wir uns jetzt vor, reines schöpferisches Sein – jene Essenz – ergießt sich in verschiedene Formen, um sich im Spiegel dieser Formen bewusst zu erkennen. Stellen wir uns weiterhin vor, diese Uressenz des Lebens ist selbsterfüllt, frei, unbegrenzt kreativ und ihrem Wesen nach liebend. Und dann fällt dieser Kraft auf einmal ein, ausprobieren zu wollen, wie es wäre, wenn man eine Realität erschafft, in der die Erfahrung des Begrenztseins die Grundlage der Realitätserfahrung ist. Ziel des Spiels ist es, in einem Raum von Kontrasten, das eigene schöpferische Potenzial durch Erfahrungen, Wünsche und Vorlieben zu entfalten und dadurch die Vielfalt des Lebens zu erweitern. Es ginge darum, viele Abenteuer zu erleben und am Ende zu erkennen, wer ich in Wahrheit bin, nämlich frei, selbsterfüllt, unbegrenzt kreativ und meinem Wesen nach liebend.

      Die größte Herausforderung besteht zunächst einmal darin, absolut glaubwürdige und geniale Umstände zu erschaffen, die die Protagonisten dieses Spiels davon überzeugen, dass sie und ihre Realität tatsächlich begrenzt sind. Ein unglaublich geniales Unterfangen, wenn es gelingt. Und ich glaube: Es ist tatsächlich wirklich gut gelungen! Ein sehr interessanter Film, der diese Thematik auf eine etwas nihilistische Weise aufgreift ist „Matrix“. Umgekehrt bedeutet das, dass alles Erleben, welches weniger als frei, selbsterfüllt, kreativ und liebend ist, nicht der Wahrheit dessen entspricht, was wir unserem Wesen nach sind.

      Wir sind in unserem Körper, in dieser Erfahrungswelt gleichermaßen Schöpfer und Geschöpf. Es gibt die Anteile in uns, die in der Trance leben, dass diese Welt, die uns umgibt, die unumstößliche Realität ist – inklusive aller Gesetzmäßigkeiten, die darin existieren. Und es geht sogar so weit, dass es Anteile von uns gibt, die ausschließlich in dieser Realitätsebene überhaupt existieren. Aber es gibt auch einen Seins-Aspekt in uns, den manche zum Beispiel das wahre Selbst oder das höhere Bewusstsein nennen. Unser wahres Selbst ist die ganze Zeit Beobachter in diesem Spiel des Lebens, immer eins mit der wahren Essenz unserer schöpferischen Freiheit und am schöpferischen Prozess unserer „Geschichte“ maßgeblich beteiligt.

      Was im Laufe dieses Spiels geschieht, ist, dass sich die meisten Menschen in dem „begrenzten“ Teil ihres Selbst verloren und den Zugang zu ihrer Essenz oder dem wahren Selbst vergessen haben. Dieser Vorgang führt dazu, dass wir uns mit dem persönlichen Drama unseres Lebens identifizieren. Das ist aber kein Problem, denn irgendwann wird jeder aus diesem Spiel erwachen – und Zeit spielt dabei keine Rolle, denn letztendlich ist sie auch nur ein Konstrukt dieser Realitätsebene. Wie Maharishi, der Begründer der Transzendentalen Meditation, es einmal so lapidar ausgedrückte: „An der Erleuchtung kommt am Ende keiner vorbei.“ Es ist ja auch so, dass dieses Spiel seine Reize hat.

      Es gibt Anteile in uns, die wir aufgeben müssten, wenn wir uns „entschließen“ sollten, aus dem Spiel auszusteigen. Die meisten von uns identifizieren sich aber genau mit diesen Anteilen, sodass es buchstäblich Todesängste auslöst, wenn die Auflösung dieser Anteile zur Debatte steht.

      Es geht unter anderem um unseren Körper und unser Ego, welches wiederum unmittelbar mit unserer Persönlichkeit verbunden ist. Das Ego ist die Instanz in uns, die uns das Gefühl gibt, ein abgetrennter Teil vom Ganzen zu sein. Nur zum Vergleich: Individualität ist auch einzigartig, aber nicht unbedingt abgespalten vom Ganzen. Sowohl unser Körper als auch das Ego sind mit Todesängsten ausgestattet – logischerweise, denn sie sind tatsächlich sterblich. Und wir identifizieren uns mit diesen Anteilen und Ängsten. Wir tun alles, um sie am Leben zu halten. Lieber leiden wir, als zu sterben. Solange wir jedoch auf der Ebene unseres Egos verhaftet bleiben, sind wir auch zum größten Teil mit der „Geschöpf-Ebene“ in uns identifiziert. Die Geschöpf-Ebene steht in Relation zur Ego-Ebene. Hier erleben wir uns von Gott, dem Leben oder dem Schicksal in die Welt geworfen – unter Umständen, die uns scheinbar einfach so widerfahren. Daraus entsteht das Gefühl, Opfer zu sein und das Leben als etwas wahrzunehmen, das von uns getrennt ist und dem wir ausgeliefert sind, mit dem wir ringen und kämpfen müssen und im Zweifelsfall meistens den Kürzeren ziehen.

      Die Menschen haben im Laufe der Jahrhunderte immer wieder versucht, sich aus diesem Elend zu befreien. Das Problem war, dass sie die Befreiung auf der Geschöpf-Ebene gesucht haben. Denken Sie an all die Anweisungen verschiedener Religionen, in denen mit Mitteln von Gewalt versucht wurde, den Menschen ihre Liebe zum Körper und dem irdischen Leben auszutreiben. Man hat versucht, durch Zerstörung zu befreien. All das hat aber leider in den allermeisten Fällen nicht zum ersehnten Ziel geführt. Eher zu viel Schmerz und noch mehr Angst und Hader mit dem Leben, als sowieso schon da waren.

      Es ist schon eine Gratwanderung. Wenn an diesem Gedankenexperiment etwas dran ist, geht es ja am Ende darum, die ganze Illusion unserer persönlichen Geschichte und dem Dasein als getrennte Wesen aufzugeben. Aber diese Illusion ist das, was wir in unserem Körper und unserer Persönlichkeit als Realität erleben. Und nicht nur das: All unsere Wünsche sind an diese Realität geknüpft. Reichtum, Erfolg, Liebe, alles findet im Rahmen des Spielfeldes und seiner Gegebenheiten statt. Dadurch hängt unsere ganze Aufmerksamkeit daran, mit aller Kraft und Energie wenigstens ein bisschen von dem zu bekommen, was wir so gerne haben oder sein möchten.

      Die eigentliche Lösung liegt jedoch auf einer ganz anderen Ebene. Man kann es auch viel sanfter und natürlicher haben, indem man nach und nach anfängt, seine Aufmerksamkeit immer wieder auf diese liebende und ruhige Instanz in sich auszurichten, die unser wahres Selbst ist. Dies wird zu einer allmählichen Verschiebung in unserer Identifikation führen. Im Kontakt mit unserem wahren Selbst hat alles seinen Platz, das Freie und das Begrenzte. Das Spiel wird immer heiterer, je mehr wir die Illusion durchschauen. Das Überleben hängt immer weniger vom Überleben des Egos oder unseres Körpers ab, denn wir sind in Kontakt mit dem in uns, was nie geboren wurde und deshalb auch niemals sterben wird. Wir dürfen uns Zeit lassen. Vielleicht macht das Spiel jetzt erst richtig Spaß, wer weiß?

      Führen wir diesen Gedankengang bis zum Ende, bedeutet das zweierlei: Zunächst sind wir in der letzten Instanz, also auf der Ebene unseres höheren Selbst, auch Schöpfer unseres Schicksals. Auf dieser Ebene kann man sagen, dass alles, was ich erfahre, von mir (also dieser Instanz in mir) erschaffen wurde. Und wer aufhört, sich über die grausamen Wendungen des Schicksals zu beklagen und tiefer schaut, wird feststellen, dass alles, was wir erfahren, entweder ein reines Geschenk der Fülle des Lebens ist (quasi von sich selbst an sich selbst) oder wenn es zwickt und hakt, eine Erfahrung ist, die uns helfen kann, wach zu werden und aus der Trance der Begrenztheit zu erwachen. Je mehr wir uns bewusst mit unserem wahren Selbst verbinden, desto häufiger werden wir die Erfahrung machen, aktiv an unserem Schicksal mitzuwirken, und Sinn in dem erkennen, was uns im Leben begegnet. Dann wird aus dem „Drama des Lebens“ nach und nach eine „gelungene Inszenierung“ und ein Weg des Erwachens.

      Und zweitens: Wenn Sie sich noch einmal vergegenwärtigen, dass die Essenz von allem, was ist, ein und dasselbe ist, stellt sich die Frage: Wer ist dann da draußen?*6 Wer ist ein Anderer? An diesem Punkt der Erwägungen kann man sagen: Wenn die Essenz überall dieselbe ist, dann gibt es am Ende nur das Eine, und nichts und niemand ist getrennt von mir. Dann ist alles, was ich erlebe, ein kosmisches Bewusstseinsspiel oder eine Projektion meines Bewusstseins in die scheinbar äußere Realität.

      Es ist jedoch wichtig, die verschiedenen Ebenen unterscheiden zu lernen. Viele der heutigen „New Age“- oder Coachingtechniken drehen sich um das große Paradigma: „Ich kreiere mir alles selbst“. Das klingt gut, stimmt aber nur sehr bedingt, wenn wir uns damit auf die Ego- oder die Persönlichkeitsebene begeben. Die meisten von uns haben bisher keinen voll bewussten Zugang zur eigentlichen schöpferischen Instanz in uns selbst. Gleichzeitig erschaffen wir die ganze Zeit. Das


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