Von der Schönheit, Frau zu sein. Katrin Langholf

Von der Schönheit, Frau zu sein - Katrin Langholf


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Als ich neulich Klavier spielte, fing die Metallschaufel an unserem Holzofen immer dann an zu klingen, wenn ich einen bestimmten Ton anschlug. Oder es kommt vor, dass eine Gitarrensaite klingt, wenn man laut niest.

      Das Phänomen der kollektiven Felder wurde schon von C. G. Jung erforscht.*3 Man betrachtet sie als energetische Speicher, die irgendwo in der Atmosphäre herumwabern und sich mit bestimmten Erfahrungsinhalten menschlichen Lebens füllen. Es gibt die verschiedensten kollektiven Felder, und jeder Mensch (und jedes Lebewesen) ist spezifisch mit den kollektiven Feldern in Resonanz, die mit seiner Erfahrungswelt in Verbindung stehen. Das heißt, dass zum Beispiel ich, als Deutsche, Frau, Ehefrau, Mutter, unter anderem mit dem kollektiven Feld der Mütter, der Deutschen, der Ehefrauen usw. in Resonanz schwinge.

      Diese Felder entstehen durch ähnliche Erfahrungen, die mehrere Individuen eines gemeinsamen Erfahrungsfeldes machen. Die Felder und die Individuen beeinflussen sich gegenseitig, das heißt, wir als Individuen speisen dieses Feld mit unseren Erfahrungen, und das Feld wiederum wirkt auf unsere individuellen Körper, wenn es eine gewisse spezifische Kraft durch Masse erreicht hat.

      Es gibt in der Forschung einen interessanten Versuch, den Ken Keyes *4 überliefert hat: Auf der Insel Koshima in Japan wurde eine Affenkolonie über 30 Jahre lang beobachtet. Die Affen ernährten sich gerne von Süßkartoffeln. Im Jahre 1952 lernte eine junge Affendame namens Imo, dass sie den lästigen Sand, der immer an der Kartoffelschale haftete, an einem nahe gelegenen Fluss mit Wasser abwaschen konnte. Diese Erkenntnis gab sie an ihre Mutter weiter, und so entstand ein allmählicher Prozess, der bis zum Jahre 1958 andauerte, in dem immer mehr Affen lernten, diese Technik anzuwenden. Eines Tages gab es jedoch plötzlich einen markanten Umschwung, als von einem Tag auf den anderen plötzlich fast alle Affen auf dieser Insel ihre Kartoffeln im Wasser abwuschen. Damit jedoch nicht genug – an jenem bestimmten, kritischen Punkt, an dem die Erfahrung ausreichend Informationsmasse erzeugt hatte, wuschen plötzlich auch jene Affen, die auf der benachbarten Insel lebten und die noch nie angefangen hatten, sich mit diesem Thema zu befassen, ihre Kartoffeln ab. Man spricht seitdem vom 100-Affen-Prinzip, ohne dass es sich in Wirklichkeit um genau 100 Affen gehandelt haben muss. Die 100 Affen stehen stellvertretend für die Masse, die es braucht, um individuelle Bemühungen oder Erfahrungen dem Kollektiv zugänglich zu machen.

      In der Geschichte der Menschheit hat es immer Phasen und Paradigmen gegeben, die dazu geführt haben, dass durch ähnliche Erfahrungen vieler Menschen ein starkes, kollektives Feld entstehen konnte. Um nur ein paar zu nennen: die Zeit der Inquisition, Kriege, verschiedene Wirtschaftslagen, Gesellschaftsformen sowie häufige Erfahrungen, die vom Stand der Wissenschaft beeinflusst wurden, zum Beispiel die Sterblichkeitsrate bei Geburten und vieles mehr. Diese Erfahrungen führen zu Überzeugungen über die Realität, und das Empfinden und Verhalten passt sich diesen Überzeugungen an.

      Jene Erfahrungen resonieren in unserem individuellen Feld, bis eine neue, stärkere Informationsmasse ihre Zugkraft aufhebt. Dies kann geschehen, indem neue Erlebnisse in Bezug auf ein bestimmtes Thema ab einem konkreten Zeitpunkt überwiegen oder alte Energien bewusst aufgelöst werden. Vor längerer Zeit hatte ich eine Klientin, die mit ihrem Mann gemeinsam einen Bauernhof betrieb. Sie stand unter starker innerer Anspannung. In der Arbeit mit ihr kamen wir in Kontakt mit dem alten kollektiven Feld der Landwirte vergangener Zeit, wo die Natur und ungünstige Wetterbedingungen mit einem Handstreich eine ganze Existenz vernichten konnten. Ich will zwar nicht behaupten, dass eine Missernte in der heutigen Zeit keine Bedeutung für einen Landwirt hat, aber in unserer Gesellschaft sind die meisten Bauern für einen solchen Fall versichert, sodass keine akute Lebensgefahr besteht. Diese Erinnerungen aufzuspüren und zuzuordnen, kann sehr erleichternd und klärend für eine Person sein. Die Anspannung meiner Klientin löste sich nach unserer Arbeit komplett auf.

      Man sollte die Bedeutung der kollektiven Ebene nicht unterschätzen. Vor allem, wenn man versucht zu verstehen, wie und warum es im normalen und modernen Leben gelegentlich zu merkwürdigen Reaktionen, körperlichen Erscheinungen und Empfindungen kommt. Um nur ein Beispiel zu nennen, haben viele Frauen heutzutage das unbestimmte Gefühl, ihr Leben, besonders auf der materiellen Ebene, nicht eigenständig bewältigen zu können. Dieses Gefühl kann entweder deutlich als Angst empfunden werden, oder es wirkt ganz subtil im Untergrund, zum Beispiel als Anspannung. Oft haben die betreffenden Frauen eine sichere Arbeitsstelle. Die Angst, die hier wirkt, kommt häufig aus dem kollektiven Feld, aus einer Zeit, in der Frauen tatsächlich materiell abhängig von ihren Männern waren.

      Diese Ebene wirkt sich im Erleben eines Menschen auf zweierlei Weise aus: Wenn wir annehmen, dass wir als seelische Wesen tatsächlich zu verschiedenen Zeiten in verschiedenen Körpern gelebt haben, dann nimmt unsere Seele, als Informationsträger, Erfahrungen aus der Vergangenheit mit in die Gegenwart und die Zukunft. Manche Erinnerungen sind neutral oder sogar stärkend für unser Selbst- und Lebensgefühl, andere dagegen schwächen und beeinträchtigen uns. Eine Klientin erinnerte sich in einer Sitzung an ein vergangenes Leben, wo sie bei einer Naturkatastrophe ihre Familie und ihre gesamte Lebensgrundlage verloren hatte. Sie war zu mir gekommen, weil sie eine tiefe Lebensangst verspürte, die sich fast vollständig auflöste, nachdem wir dieses alte Trauma in ihrer Seele bearbeitet hatten.

      Der zweite Wirkungsbereich unserer geschichtlichen Entwicklung liegt im kollektiven Feld. Selbst wenn ich nicht persönlich eine bestimmte schmerzhafte Erfahrung gemacht habe, zum Beispiel bei der Geburt eines Kindes gestorben bin, so ist diese Erfahrung aus vergangenen Zeiten so tief im Feld des Kollektiven verankert, dass ich vielleicht trotzdem so etwas wie Todesangst spüre, wenn ich erfahre, dass ich schwanger bin. Natürlich sind Schwangerschaft und Geburt immer lebensverändernde Ereignisse und ambivalente Empfindungen dabei ganz normal, aber wenn eine Frau in Panik ausbricht, dann kann es manchmal eine große Hilfe sein, diese Aspekte zu untersuchen, um sie zu entlasten.

      Es gibt eine unendliche Vielfalt an Themen, die aus der historischen Vergangenheit relevant für unser derzeitiges Leben sein können. Ich möchte für unseren Zusammenhang auf zwei wesentliche eingehen, die im zweiten Teil des Buches immer wieder zur Sprache kommen werden:

      Das Patriarchat ist eine Gesellschaftsform, die einen sehr großen und überwiegend negativen Einfluss auf die Frau und ihre Weiblichkeit hat. Ich bin keine Historikerin und kann deshalb nicht genau datieren, wann und unter welchen Umständen sich diese Gesellschaftsform entwickelt hat. Das Patriarchat zeichnet sich dadurch aus, dass es dem Mann eine Übermachtstellung gegenüber der Frau einräumt. Die Frau wird als ein Wesen zweiter Klasse betrachtet und behandelt. In den Blütezeiten des Patriarchats, galt eine Frau als unmündig und dumm. Es war selbstverständlich, dass ein Mann das Recht hatte, nach Belieben über sie zu verfügen. In diesen Gesellschaftsformen hat eine Frau nicht die Möglichkeit, ein materiell eigenständiges Leben zu führen, und ist für ihr Überleben gewissermaßen von der Gnade des Mannes abhängig – von einem Anrecht auf Glück, Selbstverwirklichung und Selbstbestimmung ganz abgesehen. Im Patriarchat erfahren Frauen sehr häufig körperliche und sexuelle Gewalt und werden dadurch traumatisiert.

      Das Patriarchat ist bis heute lebendig; in manchen Kulturen sehr deutlich in der oben beschriebenen Weise, in anderen eher als subtiles Relikt, so wie in unserer westlichen Gesellschaft. Hier in Deutschland hat eine Frau zwar grundsätzlich kein Problem, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, aber es ist zum Beispiel immer noch weitgehend normal, dass sie für die gleiche Arbeit erheblich weniger Geld verdient als ein Mann.

      Während das Patriarchat für viele Menschen bekannt und sichtbar ist, verhält es sich mit dem Matriarchat ganz anders. Zum einen ist es viel weniger bekannt als das Patriarchat. Aber in Kreisen, in denen sich Menschen und besonders Frauen mit alternativen Gesellschaftsstrukturen befassen, wird das Matriarchat häufig als eine Gesellschaftsform idealisiert, in der Gleichheit und Gerechtigkeit herrschen. Das mag für manche dieser Lebensformen zutreffen. Was jedoch wenig bekannt ist: In der Menschheitsgeschichte hat es matriarchalische Gesellschaftsformen gegeben, die in ihrer Geringschätzung und Unterdrückung des anderen Geschlechts dem Patriarchat in nichts nachstanden. Obwohl wir in unserer heutigen westlichen Kultur weit davon entfernt sind, ist diese Information für die innere Arbeit sehr wichtig, da Erfahrungen aus beiden extremen Gesellschaftsformen unser Lebensgefühl und vor allem die Beziehung zum jeweils


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