Bildungswertschöpfung. Walter Schöni
mit breiten Anwendungsmöglichkeiten hinführen sollte. Der Funktionsbezug der Curricula kommt zum einen dadurch zustande, dass die Unternehmen immer spezifischere, in ihren Branchen und Geschäftsfeldern direkt verwertbare Qualifikationsbündel nachfragen. Zum anderen bringt er die Standesinteressen von Berufs- und Branchenorganisationen und die wirtschaftlichen Interessen der Weiterbildungsanbieter zum Ausdruck. Letztere setzen neue Qualifikationsprofile rasch in marktgängige Produkte um und stellen damit deren »Markttauglichkeit« auch gegenüber Bewilligungs- und Akkreditierungsinstanzen unter Beweis. Wie jedoch Kompetenzen zu polyvalenteren, im Strukturwandel beständigen und entwicklungsfähigen Profilen zusammenzufügen wären und wie neben den fachlichen auch allgemeine kulturelle und politische Fertigkeiten besser integriert werden könnten – solche Fragen werden höchstens in größeren zeitlichen Abständen aufgeworfen; etwa bei Reformen im Berufsbildungssystem.
Volatilität der allgemeinen berufsorientierten Weiterbildung
Gewissermaßen als Korrektiv zum engen Funktionsbezug der berufsorientierten Weiterbildung mit Abschluss hat die allgemeine berufsorientierte Weiterbildung in Themenbereichen wie Arbeitsmethoden, Kommunikation, Management, Führung und Persönlichkeit ebenfalls eine starke Ausweitung und Differenzierung erfahren. Denn im marktgesteuerten, flexiblen Arbeitsverhältnis soll die Arbeitskraft – wie in Kapitel 1.1 beschrieben – nicht nur innerhalb der ihr zugewiesenen beruflichen und betrieblichen Funktionsgrenzen kompetent handeln, sondern im gesamten Geschäftsprozess Verantwortung übernehmen. Sie soll zum Beispiel in wechselnden Teams mitwirken, Aufträge von Anfang bis Ende selbstständig bearbeiten, mit Kunden kommunizieren. Das kommerzielle Weiterbildungsgeschäft reagiert situativ auf Themen und Problemstellungen, die einzelne oder institutionelle Kundinnen und Kunden beschäftigen. Es reagiert außerdem auf die Profilierungsbedürfnisse und Nöte der »Arbeitskraftunternehmerinnen und -unternehmer«, indem es in seinen Angeboten Modethemen anspricht, also z. B. den persönlichen Auftritt, das angemessene Outfit oder Fähigkeiten des Selbstmarketings und der psychischen »Resilienz« (Widerstandskraft).
Das allgemeine Weiterbildungsangebot ist daher im Unterschied zu jenem der höheren Berufsbildung und der Hochschulweiterbildung durch eine ausgeprägte Vielfalt und Flüchtigkeit der Formen und Themen gekennzeichnet. Es nimmt Bezug auf wechselnde Themen der betrieblichen Führung und Organisation, aber genauso des individuellen Lebensentwurfs und der Konsumsphäre. Die Differenzierung nach Themen, Konsumstilen, Preisniveaus, Zielgruppen oder Vorwissen der Teilnehmenden ist nahezu unbegrenzt. Seine Rechtfertigung sucht das flüchtige Angebot nicht unbedingt im Weiterbildungsbedarf etablierter Rollen und Niveaus des Berufssystems, sondern in Trends und Herausforderungen, die oft erst in Umrissen erkennbar sind.
Fazit: Heterogene Angebotsstrukturen, schwierige Orientierung
Der Weiterbildungsmarkt zeigt eine expansive und sich ausdifferenzierende Entwicklung, deren Dynamik durch das Angebotssegment geprägt ist. Während der wirtschaftliche Strukturwandel in den Berufen und Beschäftigungsbereichen unablässig neue Qualifikationsanforderungen und Bedürfnisse entstehen lässt, reagieren die Segmente darauf mit Angeboten, die ihrem bisher verfolgten Entwicklungspfad entsprechen. Die berufsorientierte Weiterbildung mit Abschluss befähigt Teilnehmende, berufliche Rollen und betriebliche Funktionen zu übernehmen; ihr Angebot fügt sich in gewachsene Qualifikationssysteme ein und ist an typische »Abnehmer« – Berufsfelder, Wirtschaftsbranchen, Unternehmenstypen – adressiert. Die allgemeine berufsorientierte Weiterbildung reagiert auf Trends der Arbeits- wie der Konsumwelt mit einem stärker situativen Angebot, das von aktuellen beruflichen, betrieblichen oder individuellen Bedürfnissen bestimmt ist. Dieses Angebot ist flüchtig und lässt in der Regel weder weiterführende Bildungsziele noch anschlussfähige Bildungswege erkennen, zielt aber auch nicht unbedingt auf solche Kohärenz.
Das Gesamtsystem der berufsorientierten Weiterbildung zeigt somit eigendynamische, heterogene und sprunghafte Entwicklungen. Es entzieht sich einfachen Funktionsbestimmungen und bietet keine klare Orientierung. Erschwerend kommt hinzu, dass die Fachdiskussion zur Aus- und Weiterbildung in den letzten Jahrzehnten Kernbegriffe des Lernens neu definiert hat. Diese beziehen sich nicht mehr auf den Wissenserwerb in klar abgrenzbaren bildungsbiografischen Phasen, sondern auf die ganze Lebensgeschichte und den Erwerb von Kompetenzen in vielfältigen Lernkontexten. Die Begriffe erfassen die gesellschaftliche Realität der Bildung besser, verlieren aber an definitorischer Schärfe. Dies schlägt sich in weiteren Differenzierungen am Angebotsmarkt nieder – und macht es für die Nachfrage, das heißt für Teilnehmende und Abnehmer der Weiterbildung, eher noch schwieriger, sich zurechtzufinden.
Genauso stellt sich aber die Frage nach der Orientierungsfähigkeit der Anbieter von Weiterbildung: Wie kann es ihnen gelingen, in dem Marktumfeld, dessen Dynamik sie selber vorantreiben, sich zu orientieren und mit ihren Angeboten Verantwortung zu übernehmen für sinnhaftes, aufbauendes Lernen? Und inwieweit ist das gesamte System der berufsorientierten Weiterbildung heute in der Lage, Anforderungen und Bedarfe der Gesellschaft richtig zu erkennen, ein kohärentes und nachvollziehbares Angebot bereitzustellen und das Lernen breitester Zielgruppen aller Qualifikationsstufen wirksam zu unterstützen?
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