Bildungswertschöpfung. Walter Schöni

Bildungswertschöpfung - Walter Schöni


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als die betreffenden Abschlüsse in der Schweiz dem formalen Bildungssystem zugerechnet werden (Fischer 2014, 23). Diese Zuordnung gilt allerdings nur sektorspezifisch, es gibt keine generelle Anerkennung von Weiterbildung in der formalen Bildung. Die Ausbildungsgänge, die auf die Abschlüsse der höheren Berufsbildung hinführen, werden als »Vorbereitungskurse« bezeichnet (SKBF 2014, 266f.), obwohl sie formell geregelt sind und staatliche Bewilligungsverfahren durchlaufen müssen. In Ermangelung einer konsistenteren Systematik wird die berufsorientierte Weiterbildung in dieser Publikation generell der Kategorie der nichtformalen Bildung zugeordnet. Die Begriffe Weiterbildung und Erwachsenenbildung werden synonym verwendet.[6]

      Welches sind die wichtigsten Angebotssegmente und Geschäftsfelder der berufsorientierten Weiterbildung, und wie sind Marktvolumen und Entwicklungstrends der Weiterbildungsbranche einzuschätzen?

      In der Fachdiskussion gibt es mehrere Ansätze, das sehr heterogene Feld der Weiterbildung zu strukturieren. In Anlehnung an die Kategorisierungen bei Weber und Tremel (2008, 10f.) unterscheiden wir in dieser Publikation fünf Angebotssegmente der berufsorientierten Weiterbildung, jeweils einschließlich der Bereiche Beratung und Begleitung (Abb. 2.1).

      Zwischen diesen Angebotssegmenten bestehen markante Unterschiede hinsichtlich der formellen Anerkennung, der Finanzierung und der regulativen Bestimmungen. Die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlich und privatwirtschaftlich geregelten Märkten ist dabei von sekundärer Bedeutung. Anbieter und Träger von Weiterbildung können sein:

      –staatliche Anbieter, z. B. Schulen, Volkshochschulen, Berufsfachschulen, höhere Fachschulen, Hochschulen, Beratungseinrichtungen;

      –korporative Anbieter, z. B. Schulen, Akademien, Kursanbieter, Bildungs- und Beratungsstellen von Verbänden, Gewerkschaften, gemeinnützigen Trägern;

      –private Anbieter, z. B. Schulen, Fachschulen, Hochschulen; Kursanbieter und Beratungsstellen; betriebliche Weiterbildung und Personalentwicklung.

      Viele Anbieter sind in mehreren Segmenten tätig. Einige bieten beispielsweise Vorbereitungskurse für Abschlüsse der höheren Berufsbildung (im Segment 1) und allgemeine Weiterbildungskurse (im Segment 3) an. Die Angebote decken ein breites Spektrum von Organisationsformen ab, mit unterschiedlichen Gewichten selbst- und fremdgesteuerten Lernens; gelernt wird einzeln oder in Gruppen an Präsenzveranstaltungen und in virtuellen Netzwerken. Das Angebotssortiment erstreckt sich vom Standardkurs bis zum prozessbegleitenden Training und zum Einzelcoaching im Praxisfeld.

1. Höhere Berufsbildung (mit Abschluss)
Kurse zur Vorbereitung auf Berufsprüfungen und höhere Fachprüfungen; Weiterbildungs- und Nachdiplom­studiengänge (Tertiärstufe B)Weiterbildungs- und Laufbahnberatung für die höhere Berufsbildung
2. Hochschulweiterbildung (mit Abschluss)
Certificate, Diploma und Master of Advanced Studies (inkl. vormalige Nachdiplomstudiengänge) an Universitäten, Fachhochschulen, pädagogischen Hochschulen (Tertiärstufe A)Weiterbildungs- und Laufbahnberatung für die Hochschulstufe
3. Allgemeine berufsorientierte Weiterbildung (mit oder ohne Zertifikat)
Fachliche, funktions- und laufbahnunterstützende Kurse, Seminare, Coachings; Angebote der betrieb­lichen Weiterbildung und Personalentwicklungallgemeine Weiterbildungs- und Laufbahnberatung
4. Arbeitsmarktbezogene Weiterbildung
Kurse, Trainings, Integrationsprogramme im Auftrag der Arbeitsmarkt-, Berufsbildungs-, MigrationsbehördenWeiterbildungsberatung zur Erhaltung von »Arbeitsmarkt­fähigkeit«
5. Weiterbildung für öffentliche Funktionen
Kursprogramme, Seminare, Trainings in den Bereichen Arbeitssicherheit, Gesundheitsschutz, Umweltschutz, Sicherheit, Migration, Betäubungsmittel usw.Weiterbildungsberatung in diesen Themen

      Im Zentrum der Ausführungen dieser Studie stehen als gewichtige Angebotsbereiche die berufsorientierte Weiterbildung mit Abschluss (Segmente 1 und 2) und die allgemeine berufsorientierte Weiterbildung (Segment 3). Die Ausführungen lassen sich unter Beachtung der Spezifika auch auf die anderen Segmente anwenden.

      Es ist nicht einfach, einen Überblick über die quantitative Entwicklung des Weiterbildungsgeschäfts in der Schweiz zu gewinnen. Während zum Weiterbildungsverhalten der Einzelnen und zur betrieblichen Weiterbildung die Weiterbildungsstatistik des Bundes seit vielen Jahren regelmäßig Daten erhebt (Schweizerische Arbeitskräfteerhebung SAKE, seit 2011 Mikrozensus Aus- und Weiterbildung), gibt es zum Weiterbildungsangebot und -markt keine standardisierten, periodisch aktualisierten branchenweiten Datengrundlagen. Dies hängt unter anderem mit der starken Aufsplitterung in (unterschiedlich geregelte) allgemein zugängliche, korporative und organisationsinterne Teilmärkte der Weiterbildung zusammen (SKBF 2014, 270). Man behilft sich mit punktuellen Primärerhebungen, z. B. mit Anbieterbefragungen und Branchenstudien zu Teilmärkten, deren Resultate aggregiert und hochgerechnet werden; oder mit der Sekundärauswertung ausgewählter Indikatoren der Weiterbildungsstatistik, von denen auf Anbieterstrukturen geschlossen wird. Seit einigen Jahren erhebt der Schweizerische Verband für Weiterbildung (SVEB) Stichproben von Weiterbildungsanbietern zu wechselnden Schwerpunktthemen.

      Marktvolumen und Umsätze sind über die letzten Jahrzehnte in den meisten Angebotssegmenten der Weiterbildung markant gewachsen. Eine Hochrechnung, basierend auf der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) und zusätz­lichen Erhebungen bei rund 500 Weiterbildungsanbietern, schätzt das Markt­volumen der allgemeinen und beruflichen Weiterbildung in der Schweiz für 2007 auf 5,3 Milliarden Franken pro Jahr (Messer & Wolter 2009). 50 Prozent dieser Ausgaben werden von den Nachfragenden selbst finanziert, die andere Hälfte wird von staatlichen Institutionen, Arbeitgebern und anderen Akteuren bezahlt.[7] Rund 60 Prozent des Marktvolumens der gesamten Weiterbildung sind der berufsorientierten Weiterbildung zuzuordnen, bei den restlichen 40 Prozent ist die Zuordnung nicht eindeutig (Sprachkurse z. B. können für berufliche oder private Zwecke absolviert werden). Die Anteile der Angebotssegmente am Marktvolumen können wegen unzureichender Datengrundlagen und definitorischer Abgrenzungspro­bleme nur grob geschätzt werden. So liegt etwa der Anteil der Hochschulweiter­bildung am gesamten Marktvolumen der Weiterbildung bei rund 6 Prozent (Fischer 2014, 31).

      Die berufsorientierte Weiterbildung ist in der Schweiz seit jeher von privaten Anbietern dominiert (SKBF 2014, 270; Fischer 2014, 15). Gemäß Weiterbildungs­statistik des Bundes (BFS 2011) entfällt das Gesamtvolumen der angebotenen Weiterbildungsstunden zu 88 Prozent auf private und korporative Anbieter (Kurs­institute, Privatschulen, Berufs- und Branchenverbände, Unternehmen, Institutionen) und bloß zu 12 Prozent auf öffentliche Anbieter wie Hochschulen, höhere Fachschulen und Berufsschulen. Bei den privaten und korporativen Anbietern besteht eine große Vielfalt an Betrieben, die vom Kleinstanbieter – der selbstständigen Trainerin – über das Kursinstitut bis zum großen Bildungsunternehmen mit stark diversifiziertem Angebot reicht. Große Anbieter dominieren einzelne Segmente des Weiterbildungsmarktes, etwa jenes der höheren Berufsbildung, während sich kleine Anbieter vor allem in Nischen mit besonderen Qualitätsansprüchen, fachlichen Monopolen und individualisiertem Lernangebot halten können.

      Im Segment der arbeitsmarktbezogenen Weiterbildung und der Weiterbildung für öffentliche Funktionen hat sich die Zahl der spezialisierten privaten Anbieter im letzten Jahrzehnt besonders stark ausgeweitet. Zugleich wurden die Finanzierungsmechanismen der öffentlichen Hand neu ausgerichtet: Kurs­angebote werden nicht mehr aufgrund eines Anerkennungsverfahrens subventioniert; vielmehr schreiben die zuständigen Behörden Weiterbildungsaufträge aus (Submission) und teilen die Mittel aufgrund von Bewerbungsverfahren zu. Dies hat die Konkurrenz im Segment verschärft und die Planungssicherheit für Anbieter, vor allem aber die Beschäftigungssicherheit für das Fachpersonal markant reduziert.

      Zunehmend haben international agierende Bildungsunternehmen im lokalen Weiterbildungsgeschäft


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