Gemeinsam Eltern bleiben. Margret Bürgisser

Gemeinsam Eltern bleiben - Margret Bürgisser


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die Ehe bereits aufgegeben worden ist und dabei ist, auseinanderzubrechen» (Staub/Felder 2004, S. 31/32). Die Vorscheidungskonflikte haben vor allem die Funktion, die in der Partnerschaft vorhandenen Probleme sichtbar zu machen. Ist deren Lösung nicht möglich und eskalieren die Konflikte immer mehr und mehr, zerbricht die Partnerschaft.

      Bis jetzt konnten Beziehungen mit einem totalen Bruch beendet werden. Neu stellt das Gesetz das Kindeswohl über die persönliche Freiheit. Man kann nicht mehr sagen: Ich will nichts mehr mit meinem Partner zu tun haben. Anwalt Reto Wehrli findet das richtig: «Das Gesetz sagt: Ihr habt gar keine andere Wahl. Streitet ihr, solange ihr wollt, doch ihr müsst einfach eure elterlichen Aufgaben erfüllen. Wegen der Kinder gibt es keinen Streit zu führen, da steht ihr in der Verantwortung, und zwar unabhängig vom Zivilstand.»

      Wie Staub/Felder (2004) ausführen, geht eine Trennung meist von einem Partner aus. Derjenige, der den Beschluss fasst, ist in der Regel besser darauf vorbereitet als der andere. Oft hat er auch Schuldgefühle. Der verlassene Partner hingegen fühlt sich häufig verletzt und gekränkt, nicht mehr liebenswert und neigt zu depressiven Entwicklungen. Solche massiven Reaktionen sind verständlich. Wenn jemand traumatisiert und emotional überwältigt ist, will er meist auch wenig mit dem Partner, der ihn verletzt hat, zu tun haben. Oder die verlassene Person mobilisiert die letzte Energie, um den abtrünnigen Partner zu bestrafen. Wenn die Kinder beim verlassenen Elternteil leben, besteht die Gefahr, dass dieser das Besuchsrecht als Waffe gegenüber dem Partner, der ihn verlassen hat, missbraucht.

      Die Trennungszeit ist für viele Paare anspruchsvoller als die Scheidung selbst, weil alles im Umbruch ist und aus dem Ruder laufen kann. Häufig trennen sich Eltern erst einmal und leiten ein Eheschutzverfahren ein, als ersten Schritt zur endgültigen Trennung. In dieser Phase regelt man vorerst das, was für die Dauer der Trennung geregelt sein muss – Wohnung, Kinder, Unterhalt. Oft gehen die Emotionen noch hoch und das Konfliktpotenzial ist gross. «Da kann viel Belastendes passieren», weiss Gerichtspräsidentin ­Andrea Staubli, «weil zum Beispiel die Wohnsituation wieder wechselt. Dann verengt sich oft auch der Blickwinkel, die Eltern versteifen sich auf etwas und verlieren dabei beispielsweise den Blick auf die Kinder. Wenn aber das Trennungsurteil vorliegt und man ein bis zwei Jahre später ins Scheidungsverfahren geht, läuft alles oft viel ruhiger. Man lebt bereits getrennt, und das Leben hat sich mit den Kindern neu eingespielt.»

      Die Scheidung ist jedoch juristisch gesehen einschneidender, weil es um die Auflösung der Ehe geht. Da geht es auch um Fragen des Güterrechts und der Altersvorsorge. Das Gericht muss die finanziellen Massen auseinanderdividieren und die finanziellen Regelungen auf eine lange Zeitdauer ausrichten. Die Trennungsvereinbarung gilt in der Regel nur auf kurze Dauer, die Scheidungsvereinbarung hingegen bis die Kinder 18 Jahre alt sind oder ihre Erstausbildung abgeschlossen haben. Auch die Regelung der Unterhaltszahlungen für (meistens) die Frau bezieht sich häufig auf eine längere Zeitdauer.

      Mit dem neuen Scheidungsrecht von 2000 hat man das Verschuldensprinzip abgeschafft, sodass vor Gericht keine Scheidungsgründe mehr ausgebreitet werden müssen. Das hat viele Vorteile. Gerichte müssen nicht mehr moralisieren, sondern den von einem Paar deklarierten Willen prüfen und legalisieren. Die Abschaffung der Verschuldensscheidung hat jedoch neue Probleme geschaffen. Die gesamte psychohygienische Aufarbeitung der schwierigen ­Erfahrungen ist nun aus dem juristischen Prozess ausgeklammert. Irgendwo muss die Verarbeitung der in der Partnerschaft erfahrenen Verletzungen und Enttäuschungen aber stattfinden, sonst schwelen die alten Konflikte endlos weiter. Darum gewinnen Verfahren, die nicht nur juristischen und finanziellen Aspekten Raum geben, sondern auch psychologischen (Mediation, Therapie, Beratung etc.), zunehmend an Bedeutung.

      Die für dieses Buch befragten Fachleute sind unisono der Meinung, es lohne sich, in die Konfliktverarbeitung zu investieren und zwar möglichst früh. Wer durch die Trennung traumatisiert und vom Leben überfordert ist, tut gut daran, sich fachliche Hilfe zu suchen. Wie sonst soll es gelingen, sich mit dem Expartner zusammenzuraufen, um die elterliche Sorge weiterhin gemeinsam wahrzunehmen? Die Scheidung kann die Beziehung formell beenden, sie löst jedoch nicht die emotionalen Probleme. Wird sie unter Beizug von aggressiven Anwälten und Anwältinnen vollzogen und als Plattform gesehen, es dem Expartner «heimzuzahlen», werden neue Wunden aufgerissen, und der Graben zwischen den Partnern wird noch vertieft.

      Es lohne sich, meint die Anwältin Luisa Bürkler, auf die gescheiterte Beziehung zu schauen und sich zu fragen, warum sie keinen Bestand hatte. Das erleichtere später das Eingehen einer neuen ­Beziehung. «Die Eheleute müssen versuchen zu verstehen, was sie am Partner am Anfang fasziniert hat. Sie sollten sich Gedanken machen, was ihr Verlust ist, was ihre Illusionen waren, inwiefern sie verblendet waren und eigene Wünsche in den anderen projiziert ­haben. Man muss dafür über Selbstreflexion verfügen, und wer diese Eigenschaft nicht hat, sollte bei einer neutralen Fachperson Hilfe holen.» Im Umfeld der Trennung sollten beide Partner versuchen, die Ursachen des Konflikts und der Entfremdung zu erkennen und aufzuarbeiten. «Oft kommt es allerdings vor», so Luisa Bürkler weiter, «dass der eine Partner sich bereits neu orientiert hat und gar nicht mehr auf die Probleme zurückkommen will. Dann muss man sich auch mit dieser Situation auseinandersetzen und versuchen, sie zu akzeptieren.»

      Es wird oft argumentiert, dass Eltern, die in der Ehe oft Konflikte und Streit hatten, auch nach der Trennung weiterstreiten. Die gemeinsame elterliche Sorge erzeuge deshalb nur zusätzliche Probleme. Dieses Argument wurde auch im Vorfeld der Gesetzesrevision ins Feld geführt. Alt Nationalrat Reto Wehrli, Initiant der Gesetzesrevision, widerspricht: «Das ist Unsinn. Problematisch waren vielmehr die bisherigen Anreize – man konditionierte die Situation geradezu auf Streit. Es genügte dann, wenn einer der Eltern sagte: ‹Mit dir kann und/oder will ich nicht reden.› Und schon hatte man den Konflikt. Paare müssen sich künftig an einem anderen Standard orientieren, dem der gemeinsamen elterlichen Verantwortung. Und Paare, die das gut praktizieren, werden eine Vorbildfunktion erhalten.» Reto Wehrli plädiert für Unvoreingenommenheit: «Die persönliche Situation ist neu, und sie verdient eine neue Beurteilung. Es besteht eine Chance, dass die Beziehung entlastet wird. Vielleicht verstehen sich die Expartner nachher besser, weil ihre Elternschaft sie verbindet, die täglichen Spannungen aber weg sind.»

      Genau das zeigen ausgewählte Beispiele der für dieses Buch porträtierten Eltern. Und auch Burschel (2011, S. 4) betont, manchmal könne die Trennung eine Wende zu Besserem einleiten. «Bemerkenswerterweise beschreiben einige Mütter die Trennung als Wende zum Positiven. Gab es vorher heftigen Streit, fühlten sie sich ausgelaugt und benachteiligt, so erleben sie nach der Trennung wieder einen harmonischen Umgang mit dem (Ex-)Partner, respektvolle Auseinandersetzungen und freie Wochenenden zur Erholung.»


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