Gemeinsam Eltern bleiben. Margret Bürgisser

Gemeinsam Eltern bleiben - Margret Bürgisser


Скачать книгу
href="#fb3_img_img_d518ab81-b89d-5790-8e55-03bf390a0dad.jpg" alt="… auch der Vater fördert ihn, wo immer er kann."/>

      Betreuungsregelung nach der Trennung Nach ihrer Trennung 2011 regelten die Eltern die Betreuung ihres Sohnes neu. Willi Ga­sche wollte sich weiterhin stark daran beteiligen. «Für mich wäre alles möglich gewesen, nur nicht zu wenig von Leander zu haben. Wenn ich auf meinen Sohn hätte verzichten müssen, wär das eine schwierige Variante gewesen.» Für Anna Goetsch war es anfänglich gewöhnungsbedürftig, dass Leander am Sonntagnachmittag, Montag und Dienstag nicht mehr bei ihr war. «Aber es ist eine Einstellungssache; ich finde, man kann sich auch in solche Situationen ­hineinschicken. Es geht ja ums Kind. Leander wollte auch mit dem Vater zusammen sein und für Willi stimmte es so total.» Gasche pflichtet bei: «Es war klar, Leander steht über allem – unser Wohl hat sich nach ihm zu richten.»

      Dass die freie Wohnsitzwahl künftig durch die Gesetzesrevision eingeschränkt wird, findet Gasche richtig. Die Eltern-Kind-Beziehung wird seines Erachtens bei grossen Distanzen infrage gestellt, vor allem zu jenem Elternteil, der die Kinder weniger betreut. «Wenn man nahe beieinander wohnt, kann man die Kinder auch zwischendurch mal sehen. Dieses Spontane, das würde mir total fehlen, wenn ich weiter weg wohnen würde.»

      Konsequenzen der Trennung Beide Partner erlebten in der Trennungsphase Ängste, die ihren eher finanzieller, die seinen eher psychologischer Natur. Dazu Goetsch: «Ich hatte nach der Trennung, und auch schon vorher, Existenzängste, weil die andere berufliche Tätigkeit nicht mehr gut lief und ich versuchte, zunehmend von meiner Shiatsu-Praxis zu leben. Ich wusste, dass ich nun vom neuen Beruf leben musste, und das hat schon Existenzängste ausgelöst.» Heute kann sie von ihrer Shiatsu-Arbeit leben. Sie bildet sich aktuell noch weiter, um das Branchendiplom OdA KTTC zu erwerben.

      Gasches Angst hing damit zusammen, dass er vor der Beziehung zu Anna mehrheitlich als Single durchs Leben gegangen war. «Ich war eher ein Ungebundener, ein Eremit. Ich hatte bei der Trennung Angst vor den Gefühlen, die ich früher abends hatte – diese schleichende Einsamkeit. Davor hatte ich einen grossen Respekt. Aber das ist jetzt ganz anders, und es wird auch anders sein, wenn Leander einmal erwachsen ist.»

      Das Paar hat keine fachliche Unterstützung beansprucht, zumindest nicht gemeinsam. Beide zogen eine Paartherapie in Betracht, allerdings nicht zum selben Zeitpunkt. Sie haben aber einzeln Hilfe in Anspruch genommen, um das Geschehene zu verarbeiten.

      Information des Kindes Gasche und Goetsch haben es sich mit der Trennung nicht leicht gemacht. Diese zog sich über einen längeren Zeitraum hinweg. Sie informierten ihren Sohn über die anstehenden Veränderungen. Dazu Goetsch: «Wir haben immer wieder mit Leander Rücksprache gehalten und gefragt, wie es für ihn sei. Nach etwa einem Monat sagte er, jetzt sei er beruhigt. Er habe am Anfang Angst gehabt, dass er einen von uns nicht mehr sehen würde. Doch dann habe er gemerkt: Wir sind zwar getrennt, aber immer noch für ihn da. Für ihn ist wichtig, dass er, wenn er bei mir ist, auch einmal den Vater anrufen kann.»

      Dass die Kommunikation weiter funktioniert, ist Goetsch wichtig: «Bei grundlegenden Sachen rufe ich immer erst Willi an oder sage dem Leander: ‹Jetzt müssen wir schnell den Papa anrufen und das besprechen.› Auch für die Ferien müssen wir uns absprechen – wann und wie etc. Oder wenn einer von uns eine neue Beziehung ernsthafter leben möchte, so informieren wir Leander ebenfalls.»

      Beziehungsgestaltung nach der Trennung Hat der Sohn nach Meinung der Eltern unter der Trennung gelitten? Die Mutter: «Ich denke schon, dass er unsere Verschiedenartigkeit und die damit verbundenen Diskussionen – Meinungsverschiedenheiten – schlecht ertragen hat. Es hat ihn gestresst, und darum ist er zufrieden, dass wir nicht mehr zusammen sind. Er äussert das ja auch.» Leander scheint die Trennung aber gut verkraftet zu haben. Beide Eltern berichten, er habe gesagt, sie sollten bloss nicht mehr zusammenkommen, er finde es toll, wie es ist.

      Sie: «Er hat jetzt mehr Aufmerksamkeit. Wenn er zum Vater geht, nimmt sich dieser wirklich Zeit, es ist nicht einfach beiläufig. Und bei mir auch …»

      Er: «… man macht mehr, wenn man nicht als Familie unterwegs ist.»

      Obwohl der Alltag an beiden Orten ähnlich verläuft, funktionieren Vater und Mutter in manchen Dingen unterschiedlich. Gasche: «Ich muss kochen, waschen etc. Aber wenn Leander bei mir ist, machen wir die Aufgaben; Mathematik macht er immer bei mir. Das ist der Alltag. Dann machen wir Sachen, die wir, wenn wir noch als Familie zusammen wären, sicher nicht in dieser Konsequenz machen würden. Wir gehen zum Beispiel jeden Sonntag zusammen Billard spielen. Ich finde diese Wiederholungen interessant, und es freut mich zu sehen, wie er beim Billard langsam besser wird und über mich hinauswächst.»

      Anna Goesch realisiert, dass sie nun mehr Eigenzeit hat, d.h. Zeit, in der sie von den Kindern entlastet und offen für anderes ist. «Aber Gilles – der ältere Sohn – lebt auch noch da, und ich arbeite in der zusätzlichen freien Zeit einfach als Therapeutin. Die Situation stimmt jetzt für alle, doch die Alltagsgestaltung ist anders als früher.»

      Gasche betont, der Familienzusammenhalt sei bei ihnen gross: «An Weihnachten feierten wir regelmässig alle miteinander beim Ex von Anna – dem Vater ihrer beiden anderen Kinder –, zusammen mit allen Grosseltern.» Goetsch ergänzt: «Es brauchte eine gewisse Zeit, bis sich Willi mit meinem Ex verstand, aber dann waren wir wirklich eine ‹big family›.»

      Allerdings übernimmt Willi Gasche keine Vaterrolle gegenüber den anderen Kindern von Anna Goetsch. «Wir haben ganz am Anfang unserer Beziehung, als Leander noch nicht geboren war, entschieden, dass ich gegenüber den anderen Kindern keine erzieherische Aufgabe habe, weil deren Vater auch ziemlich nahe wohnte. Diese Konstellation hatte den Vorteil, dass sich eine klare Struktur ergab, aber sie hielt auch eine gewisse Distanz zwischen den Kindern und mir aufrecht.»

      Umstellung nach der Trennung «Die Einstellung, das Feintuning, war anspruchsvoll», betont Gasche. «Aus meiner Perspektive gab es aber nicht viele Probleme. Wir legten fest, beide sollten am Alltag teilhaben und etwa 50:50 betreuen können.»

      Sie: «Aber es war schon ein Prozess. Wir setzten uns jeden Sonntagabend am Tisch zusammen, und das konnte schwierig sein, wenn man nicht gerade Lust hatte …»

      Er: «In den ersten zwei Jahren, als wir noch im selben Haus in getrennten Wohnungen wohnten, mussten wir auch die Arbeitsteilung ausprobieren. Wir redeten jeden Sonntagabend darüber, wie die Woche aussehen sollte, wer wann was machen würde.»

      Sie: «Es war wie eine Sitzung, wir haben das so durchgezogen.»

      Er: «Dadurch, dass wir beide über unsere Zeit verfügen können, sind wir ja auch in einem gewissen Mass flexibel.»

      Sie: «Es war auch eine Erleichterung, dass noch zwei ältere Geschwister da waren. Das ermöglichte ab und zu eine Zwischenlösung, wenn ich länger arbeiten musste. Leander war so nie allein.»

      Finanzielle Regelungen und Vereinbarungen Da sie nicht verheiratet waren und keinen Konkubinatsvertrag abgeschlossen hatten, bedurfte es anlässlich ihrer Trennung keiner grossen Formalitäten. Gasche und Goetsch hatten die Finanzen von jeher getrennt und auch keine konventionelle Arbeitsteilung gelebt. Aufwendige finanzielle Abgrenzungen – wie sie bei Scheidungen oft nötig sind – erübrigten sich deshalb. Sie: «Das war bei uns nie relevant. Wir haben unsere Ausgaben immer getrennt bezahlt.»

      Er: «Ich finde es wichtig, dass man unabhängig ist. Dass man sich wirklich begegnen kann und nicht in irgendeiner Form voneinander abhängig ist. Dieses Abhängigsein der Frau vom Mann finde ich einfach nicht mehr zeitgemäss.»

      Goetsch und Gasche haben sich einvernehmlich geeinigt, wer welche Kosten übernimmt:

      Er: «Über Kosten wie Wohnen und Essen reden wir nicht und die Ferien regeln wir ad hoc. Aber Krankenkasse und Hobbys, darüber haben wir eine spezielle Vereinbarung getroffen. Wir haben aufgeteilt, wer Leanders Hobbys – Fechten, Singen, Gitarre etc. – bezahlt. Darüber haben wir schon geredet.»

      Es gibt keine schriftlichen Vereinbarungen zwischen Gasche und Goetsch; sie haben noch nie etwas schriftlich geregelt. «Ich denke, man muss viel mehr streiten, wenn man etwas schreiben muss», begründet Gasche. «Man


Скачать книгу