smartphone geht vor. Thomas Schutz
Feedback während des gesamten Lernprozesses
6.1.3Die Dozentensprechstunde als Ort individueller Lernberatung
6.1.4In Zahlen: Themen beim Lern-Coaching
6.2Der Dozent als Coach für das wissenschaftliche Arbeiten
6.2.2Themenwahl statt Themenvergabe
6.2.4Spielerische Elemente im Schreibprozess
Vorwort
Erst das Smartphone, dann die Liebe? Wenn es permanent vom Partner ablenkt, ergeben sich in der Tat Folgen für das Beziehungsleben. Edward und Sue Hallowell warnten bereits 2011 in ihrem Buch Liebe in Zeiten der Ablenkung: Ohne Aufmerksamkeit ist emotionale Nähe unmöglich. – Zwei Menschen sitzen einander im Restaurant gegenüber und essen schweigend, während sie unauffällig immer wieder aufs Display schielen. Auch während des Gesprächs mit dem Partner wird das Smartphone nach Belanglosigkeiten abgestreichelt. Wie mag das nach dem Essen weitergehen? Das können wir nicht sagen. Wir wissen nur, dass 39 Prozent der zwischen 18- und 29-jährigen Deutschen ihr Smartphone mit auf die Toilette nehmen und jeder zweite am Phantomklingeln, also am eingebildeten Klingelton leidet. (vgl. DIE ZEIT vom 14.08.2013)
Aber auch der Arbeitsplatz ist von der permanenten Ablenkung durch E-Mails und (oft überflüssige) Netzaktivitäten betroffen. Deshalb gibt es mittlerweile digitalen Arbeitsschutz. Computerprogramme wie Freedom oder Anti-Social sollen helfen, Selbstdisziplin und Aufmerksamkeit von Büroarbeitern zurückzuerobern.
Liebe, Toilette und Arbeitsplatz – warum sollten Schule und Hochschule verschont bleiben? Auch hier ist festzustellen: Smartphone geht vor. Mit Einführung des iPhone 2007 brach eine Welle los, die besonders jüngere Menschen in den Bann zieht. Dabei zeigt sich folgendes Bild: Lehrer und Dozenten erläutern Fakten und Zusammenhänge, klicken von einer Folie zur nächsten, dazwischen schreiben sie etwas an die Tafel. Das scheint die Schülerinnen und Schüler bzw. Studierenden nicht sehr lange zu interessieren. Immer wieder tippen und wischeln sie auf ihren Smartphones herum. Ermahnungen, aufmerksamer zu sein, verhallen. Hilflose Versuche, die Geräte aus dem Klassenzimmer oder Hörsaal zu verbannen, scheitern. Warum? Die nahezu permanent von ihren Smartphones absorbierten jungen Menschen sind keine »Smartphone-Junkies«, wie vordergründig behauptet wird, die man nur mal auf »Entzug« setzen müsste. Sondern sie können nicht anders, weil sie damit aufgewachsen sind.
Digitale Technologien, wie das Internet, internetfähige Smartphones, iPod, iPad, Facebook, Twitter, WhatsApp und Co., haben die Art und Weise des Kommunizierens, Lernens und Arbeitens grundlegend und unwiderruflich verändert. Aber die größten Veränderungen sind nicht die Technologien an sich, sondern die Tatsache, dass die Generationen und ihre Gehirne durch jeweils neue Technologien und Medien unterschiedlich geformt wurden und werden.
Hat die Generation X (Gen X) noch im Schlagwortkatalog geblättert, Informationen aus Büchern bezogen, auf der elektronischen Schreibmaschine oder auf frühen Computermodellen geschrieben und den Tageslichtprojektor für Medieneinsatz gehalten, so ist die Generation Y (Gen Y), geboren zwischen 1980 und 1995, umfassend geprägt von Internet und mobiler Kommunikation. Sie weist eine technologieaffine Lebensweise auf und bedient spielerisch gleichzeitig mehrere Medienkanäle (transmedia). Dadurch entwickeln sich andere Wahrnehmungs- und Verhaltensmuster, die weniger kontinuierlich und fokussiert, sondern sprunghaft und diffus erscheinen. Die zwischen 1995 und 2010 geborene Generation Z (Gen Z) ist bzw. wird noch mal stärker durch die in alle Lebensbereiche eindringende Digitalisierung und Virtualisierung geprägt werden. Aufgrund der kurzen technischen Entwicklungssprünge bestehen also die »Gen X & Gen Y & Gen Z« nebeneinander und bilden die »XYZ-Ära«, in der sie über die Generationenschranken hinweg interagieren. Wie schwierig dies sein kann, zeigt sich nirgends deutlicher als in Schulen und Hochschulen, in denen die Gen X die Gen Y/Z unterrichten soll.
Die heutigen Schülerinnen und Schüler sowie Studierenden, deren Lern- und Denkorgane durch die Fülle und Formen digitaler Reize seit ihrer Geburt fortlaufend stimuliert worden sind, haben sich in ihrer Kindheit und Jugend der digitalen Welt in ihrem Lernen und Denken – mitunter auch lern- und neurobiologisch – angepasst. Dies hat zur Konsequenz, dass die jüngeren Generationen u.a. geringere Aufmerksamkeitsspannen und höhere Erwartungen an die Lern- und Arbeitsumgebung haben, als dies bei den vorhergehenden Generationen der Fall war. Die älteren Generationen, deren Lern- und Denkorgane sich in einer analogen Welt mit Kreide und Tafel, mit Stift und Papier entwickelt haben und durch diese in ihren traditionellen Lern- und Arbeitsmustern geprägt worden sind, stellen sich heute der Herausforderung, als traditionell Lernende Lehrer der digital Lernenden sein zu sollen.
Vor dem Hintergrund einer technologisch exponentiell beschleunigten Welt und angesichts der hieran angepassten Gehirne der jüngeren Generationen reflektiert dieses Buch, welche fundamentalen lernbiologischen und psychologischen Änderungen heute die Lehr-/Lernprozesse in Schule und Studium, in Familie und Beruf vor immer größere Aufgaben stellen. Die Analyse konzentriert sich deshalb zum einen auf wissenschaftlich belegte Fakten, vorwiegend auf neuro- und lernbiologische Aspekte sowie auf psychologische und anthropologische Erkenntnisse, zum anderen auf langjährige Erfahrungen in der akademischen Lehre.
Wenn sich die Vertreter der Gen X an ihre eigene Schulzeit erinnern, so denken sie daran, wie die Einführung des Taschenrechners in seiner positiven als auch negativen Wirkung auf das Heftigste in nahezu endlosen Sitzungen diskutiert wurde. Die Argumente deckten damals die gesamte Bandbreite zwischen Mythos und Wahrheit ab. Bei Elterntagen vor den jährlichen Anmeldeverfahren stellte ferner nahezu jede weiterführende Schule das Sprachlabor und seine exorbitante technische Ausstattung in den Vordergrund, wobei der Lehrkörper eher nicht gezeigt wurde. Rückblickend wurde die Gen X bis zum Abitur genau 90 Minuten im Sprachlabor unterrichtet. Erfreulicherweise hat es sich gezeigt, dass die didaktische Konzeptionsfähigkeit des Lehrers als auch dessen einmalige Persönlichkeit – mit und ohne Taschenrechner, mit und ohne Sprachlabor – den Lehr-/Lernerfolg vehementer und fortdauernder prägten.
So wollen wir hier weder einzelne Technologien vorstellen – und ihre Sinnhaftigkeit für den Lehr-/Lernprozess diskutieren – noch einen Überblick über hochschuldidaktische Grundlagen geben, sondern den Lehrenden (Eltern, Lehrern, Dozenten, Führungskräften etc.) didaktische