smartphone geht vor. Thomas Schutz
Diese Elemente sind einfach zu lernen, überschaubar, kostengünstig bis kostenfrei und können in ein bestehendes Lehr-/Lernszenario eingebaut werden.
In den ersten beiden Kapiteln werden zum einen die exponentielle Entwicklung in der heutigen digitalen Ära, zum anderen die Auswirkungen auf das unterschiedliche Lernen und Arbeiten zwischen den Generationen dargestellt und wissenschaftlich belegt. Kapitel 2 ist ein Exkurs, angefügt zu der in diesem Kontext wichtigen Frage, welchen Stellenwert Leistung und Leistungshandeln für die Generation Y und Z hat. Dazu wird zunächst geklärt, was unter Leistung zu verstehen ist, inwiefern sie zum Selbstverständnis eines Menschen beiträgt und wie sie zu bewerten ist. (Dabei fiel auf, dass es kaum neue Literatur zum Thema Leistung gibt, obwohl die Gesellschaft, in der wir leben, sich gerne als Leistungsgesellschaft versteht und allenthalben von Leistung die Rede ist.)
Das dritte Kapitel führt über die Frage, wie digital und traditionell Lernende eigentlich lesen und lernen, wie vertieftes Lesen, Schreiben und Rechnen ermöglicht werden kann, hin zu Merkmalen von geeigneten didaktischen Elementen für digital Lernende.
Vor diesem eher neuro- und lernbiologischen Hintergrund widmet sich das vierte Kapitel den intergenerationalen und kompetenzbezüglichen Herausforderungen bei der Entwicklung geeigneter Didaktikkonzepte. Nicht thematisiert werden sowohl (hochschul-)didaktische Implikationen des Bologna-Prozesses als auch didaktische Einordnungen von technischen Tools, wie Whiteboards, E-Learning-Hard- und Software etc., oder von lernräumlichen (Bau-)Maßnahmen.
Dass durch einfache und kostengünstige, konzeptionelle Elemente und mithilfe des traditionell Lernenden als Lernprozessbegleiter der digital Lernende die Kompetenzziele erfolgreich erreichen kann, zeigen im fünften und sechsten Kapitel erprobte Lehrstrategien und einfache Praxisbeispiele universitären Lehrens für digital Lernende. Das Kapitel 6.2 widmet sich der Begleitung einer wissenschaftlichen Arbeit, die in mehrere Phasen aufgeteilt wird, also von der Themenwahl, die bereits einen Teil der Leistung darstellt, über die Recherche, das Lesen, das Midterm Paper, in dem die Schülerinnen und Schüler bzw. Studierenden die ersten Schritte dokumentieren, bis zum Erstellen der Rohfassung und der Finalversion.
Ferner finden sich Tipps zum Selbstmanagement, die den Schülerinnen und Schülern bzw. Studierenden an die Hand gegeben werden können, sowie Kriterien, mittels derer schriftliche Arbeiten als Leistungsnachweis bewertet werden können.
Ob und wie Sie diese Ideen in Ihre Unterrichts- bzw. Kurskonzeption einflechten, wird mitunter von der einzigartigen Kombination Ihrer Persönlichkeit als Lehrender, den Lernenden, dem Fach sowie von der Lernumgebung abhängig sein. Wir wünschen Ihnen viel Erkenntnisfreude beim Lesen und Ausprobieren und hoffen, einen Austausch Ihrer Erfahrungen, die Sie bei der experimentellen Umsetzung machen, anzuregen.
München und Berlin, Juni 2014
Andreas Belwe, Thomas Schutz
Zu Beginn ein Experiment (vgl. Buonomano, 2012). Achten Sie bitte gleich beim Lesen der Instruktion darauf, welche mannigfaltigen Assoziationen das Experiment in Ihnen auslöst. In dem Experiment geht es um Kopfrechnen. Jetzt keinen Schreck bekommen, es handelt sich um einfaches Addieren natürlicher Zahlen: Sie addieren die folgenden Zahlen im Kopf und schreiben im Anschluss die Endsumme auf. Startbereit? Los geht’s. Sie addieren bitte zu eintausend vierzig, dann addieren Sie noch einmal eintausend, zwanzig und wieder eintausend hinzu. Addieren Sie erneut zehn, nochmals eintausend und zum Schluss dreißig hinzu. Schreiben Sie jetzt bitte die Summe auf!
Interessant ist, dass auch in einem Auditorium von Akademikern recht mannigfaltige Ergebnisse zutage treten. 50% der Befragten nennen die Zahl fünftausend. Leider völlig falsch. Die nächste Schätzung ist meist Fünftausendeinhundert (25%). Auch nett, aber auch falsch. 24% nennen die richtige Lösung: viertausendeinhundert.
Wenn man davon ausgeht, dass jeder das Addieren von natürlichen Zahlen – zumindest so lala – beherrscht, wie kann dann dieser Befund zustande kommen? Spielen Sie dieses kleine Experiment einmal in Ihrem Familien-, Bekannten- oder Kollegenkreis durch. Auch Mathematiker sind hier äußerst kreativ.
Die Ursache für die Mannigfaltigkeit der Ergebnisse liegt in der Konstruktion des menschlichen Gehirns selbst und ist wohl für das menschliche Gehirn ein sehr typischer Denkfehler. Allzu oft werden diese Denkfehler mit anderen Phänomen unserer Zeit verwechselt: fehlende Konzentrationsfähigkeit, fehlendes Interesse für Mathematik, fehlende Ausdauer, fehlende Disziplin, fehlende Rechenfertigkeiten der jungen Net-Generation. Die Liste scheint lang. Aber war das früher auch so?
Oft sehnen wir uns nach einer Zeit zurück, in welcher der Lehrer an der Tafel mit Kreide Fakten und Zusammenhänge vor der gebannt und still dasitzenden Klasse erläutert: Der Lehrer als Quell allen Wissens. Das waren Zeiten: Das Wissen floss auf scheinbar wundersame Weise vom Lehrer direkt in die Köpfe der Schüler, ohne diesen erklären zu müssen, wie das Lernen eigentlich funktioniert und welche Methoden es gibt. Man verkündete die Aufgabe, lernte dies oder das zu Hause. Auch die Benutzung des Tageslichtprojektors nebst Folie im Wechselspiel mit dem Tafelbild hatte so eine Magie und galt als Höhepunkt des multimedialen Medieneinsatzes. Doch zu dieser Zeit begann auch das Übel, mag man meinen. In zunehmend schnellerer Abfolge kamen Sprachlabore und Computerräume, rollende Medienschränke mit TV, CD und DVD, Laptop-Klassen und interaktive Whiteboards, iPhone 4, 5 und 6, S und C usw. – immer innovativere digitale Produkte und immer kürzer werdende Produktzyklen. Die Welt in den letzten 20 Jahren, die Computer und Fernsehgeräte in ihr, das Internet und die Übertragungsgeschwindigkeiten: Alles wurde rasant schneller, schneller und schneller. Und was bedeutet das für unser Lernorgan? Schnell wurden Szenarien eines »Informationstsunamis« gesponnen. Zu Recht? Will man diese Frage unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten lernbiologisch beantworten, erscheint es sinnvoll, an wissenschaftlichen Studien und Erkenntnissen sowie an konkreten Praxisbeispielen Vor- und Nachteile dieser Entwicklung sowohl für den Lehrenden als auch für den Lernenden herauszuarbeiten. Gibt es Unterschiede zwischen den Generationen? Wenn ja, welche? Gibt es auch positive Beispiele?
Ja, die gibt es: Beispielsweise berichtet der 12-jährige Thomas Suarez in seinem TEDx-Talk in Manhattan Beach im Oktober 2011 (Suarez: A 12-year-old app developer, Web.) vor Hunderten von Eltern und Lehrern von seiner Begeisterung, Apps für das iPhone zu programmieren. Anfänglich fragte er seine Eltern und Lehrer, ob sie ihm die dazu nötigen Computersprachen beibringen könnten. Sie konnten es nicht. Wie auch? Aber sie bestärkten ihn in seiner natürlichen Neugierde und schufen eine Umgebung, in welcher er seine Leidenschaft und Stärken entdecken und seine Ideen umsetzen konnte.
Nachdem Apple 2008 mit dem iPhone auch das iPhone/iOS Software Development Kit (SDK) veröffentlicht hatte, brachte er sich die nötigen Grundlagen selbst bei. An seiner Schule gründete er dann seinen App-Club. Er fragte Lehrer, wann und wie Apps für das Lernen sinnvoll seien, und teilte seine Erfahrung, wie man Apps programmiert, mit anderen interessierten Mitschülern und Lehrern.
|Abb. 1| TEDx-Präsentation von Thomas Suarez, einem 12-jährigen App-Entwickler und Gründer von Carrot Corp, Inc., in Manhattan Beach im Oktober 2011[1]
In seiner TEDx-Präsentation 2011 |Abb. 1| wandte er sich direkt an sein Publikum, an die Lehrer, indem er charmant feststellte, dass heute zum einen Schüler und Studierende ein besseres Verständnis vom Gebrauch digitaler Technologien haben und dass zum anderen die Lehrer von dieser Ressource Gebrauch machen sollten, um Schülern kollaboratives Lernen zu lehren. Mittlerweile inspiriert der jetzt 13-jährige Gründer der Firma Carrot Corp, Inc., Gleichaltrige wie Erwachsene mit seiner Vorstellung über die Zukunft des Lernens.
Doch nun zurück zu der Frage, die Eltern wie Lehrende heute am meisten bewegt: Ist Konzentration in dieser schnellen, digitalen Wunderwelt heute eigentlich noch möglich? Und, wenn ja, wie lange und für