Vorsprung für alle!. Catherine Walter-Laager

Vorsprung für alle! - Catherine Walter-Laager


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       5.3.4Gruppenbildende Elemente

       5.4Ablösungsprozesse individuell begleiten

       5.4.1Klare individuumsbezogene Rahmenbedingungen schaffen

       5.4.2Eltern und Kind anleiten

       5.4.3Eltern und Kind unterstützen

       5.4.4Elternbeteiligung

       5.4.5Kontakte, Gespräche, Vertrauen

       5.4.6Erwartungen klären

       5.4.7Einblicke und Miterleben ermöglichen

       6Frühförderung als unterstützende Maßnahmen vor der eigentlichen Transition

       7Schlussfolgerungen

       Autorinnen und Autoren

       Grundlagen für die Artikel im Buch

      Chancengleichheit und Chancen­gerechtigkeit – eine Übersicht

      Alex Knoll

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       Einleitung

      «Gleiche Chancen beim Schuleintritt!» – Diese Forderung ist in der aktuellen bildungspolitischen Diskussion allgegenwärtig und bleibt scheinbar unwidersprochen. Wer kann schon etwas dagegen haben, dass alle die gleichen Möglichkeiten haben sollen, sich zu bilden? Trotzdem oder vielleicht gerade weil die Antwort auf diese Frage so klar erscheint, lohnt es sich genau hinzuschauen, was mit «Chancengleichheit» oder «Chancengerechtigkeit» gemeint ist.

      Was bedeutet Chancengleichheit und warum besteht ein stillschweigender Konsens darüber, dass Chancengleichheit ein zentrales Ziel pädagogischer Maßnahmen sein soll? Was versteht man in der Pädagogik der frühen Kindheit darunter? Was hat Chancengleichheit mit Chancengerechtigkeit, Bildungschancen und sozialer Ungleichheit zu tun? Soll Chancengleichheit überhaupt angestrebt werden, und ist sie erreichbar? Um diese Fragen dreht sich dieser Beitrag.

      Chancengleichheit: Der Begriff Chancengleichheit hat sein Fundament in der Philosophie der Aufklärung (Fuchs 2012; Bellenberg 2010; Böhm 2005). In den 1960/70er-Jahren wurde intensiv und öffentlich über Chancengleichheit diskutiert, bevor die Debatte bis in die 90er-Jahre in den Hintergrund rückte. Seit den PISA-Untersuchungen ist sie wieder zurück auf der Tagesordnung.

      Was ist mit Chancengleichheit gemeint? Diese Frage ist vor allem deshalb so brisant, weil die Antwort darauf große Auswirkungen hat, und zwar sowohl auf die Ausgestaltung und den Auftrag des Bildungswesens als auch darauf, wie die Gesellschaft mit ihren verschiedenen Mitgliedern umgeht und deren Leben und Alltag strukturiert und (mit-)bestimmt. Deshalb verwundert es wenig, dass Chancengleichheit als «dehnbarer Begriff» bezeichnet wird, der «politisch entzündet» sei und in Konflikt stehende «wertgeladene Bedeutungen» enthalte, die «zu einem gewissen Ausgleich gebracht werden» müssten (Heckhausen 1981, S. 54).

      In einer sehr offenen Auslegung meint Chancengleichheit, «dass allen Menschen die gleichen Möglichkeiten zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit offenstehen sollen» (Bellenberg 2010, S. 65). Die Frage ist aber, wann, wie und von wem dies eingelöst werden soll.

      Will man von Chancengleichheit sprechen, müssen zuerst einige Aspekte auseinandergehalten werden. Zu unterscheiden sind grundsätzlich Chancengleichheit beim Start (Lernvoraussetzungen), auf dem Weg (Lehr-Lern-Aktivitäten in der Schule) und am Ziel (Lernergebnis) (Fuchs 2012; Heid 1988). Soll Gleichheit der Chancen beim Startpunkt (meist: beim Eintritt ins Bildungswesen) erreicht werden, muss bereits vorher interveniert werden, um familiär bedingte unterschiedliche Entwicklungschancen an- oder auszugleichen. Die Kinder müssen also vor der Schulzeit eine ungleiche Behandlung erfahren, damit Startchancengleichheit hergestellt werden kann (Böhm 2005; Heckhausen 1981). Orientiert man sich an der Gleichheit der Chancen am Ziel, also nach Ende der obligatorischen Schulzeit, ist das Bildungswesen hingegen aufgefordert, beim Austritt aus der Schule bei allen Schülerinnen und Schülern möglichst gleiche Niveaus zu erzielen (Heckhausen 1981). Auch hier müssen die Kinder ungleich behandelt werden, aber nicht vor, sondern während der Schulzeit. Chancengleichheit bezieht sich dann eher auf den Zugang zu höherer Bildung oder zum Arbeitsmarkt. Die Chancen auf den Übertritt in die Tertiärbildung, auf eine gute Arbeitsstelle und somit auf gute Lebensbedingungen sollen gleich sein.

      Weiter lässt sich Chancengleichheit individuell oder sozial verstehen. Individuell betrachtet bedeutet Chancengleichheit, dass jeder Mensch die gleiche Zugangschance zu höherer Ausbildung erhält, unabhängig davon, welchem Geschlecht, welcher sozialen Schicht oder Bevölkerungsgruppe er angehört. Dies bezeichnet man als formale Chancengleichheit. Soll dagegen die materiale Chancengleichheit erfüllt sein, müsste die Möglichkeit für alle bestehen, vom Recht auf höhere Bildung auch tatsächlich Gebrauch machen zu können – wie auch immer das gewährleistet werden könnte. Der soziale Aspekt von Chancengleichheit bezeichnet gleiche Zugangschancen oder gleiche Beteiligung an schulischer Bildung für Mitglieder aller Bevölkerungsgruppen, und zwar proportional zu ihrem Bevölkerungsanteil. Dies bezeichnet man als repräsentative Chancengleichheit (Böhm 2005; Heid 1988).

      Chancengerechtigkeit: Neben Chancengleichheit ist auch der Begriff Chancengerechtigkeit gebräuchlich. In den 1960/70er-Jahren sprachen Erziehungswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler von Chancengerechtigkeit, um sich von kontroversen bildungspolitischen Debatten um Chancengleichheit abzugrenzen (Fuchs 2012). Inzwischen werden beide Begriffe nebeneinander verwendet, wobei häufig nicht klar ist, worin der Unterschied zwischen ihnen besteht. Teilweise werden sie als Synonyme verstanden (z.B. bei Heckhausen 1981; Fuchs 2012), manchmal aber auch mit unterschiedlichen Bedeutungen versehen.

      Auf den kleinsten Nenner gebracht, ist mit Chancengerechtigkeit in Bezug auf Bildung üblicherweise gemeint, dass für alle Menschen die gleichen Lebensaussichten geschaffen werden sollen. Die Idee der Gerechtigkeit lehnt sich also an diejenige der Gleichheit an. Was diese Gleichheit der Lebensaussichten aber genau bedeutet und wie sie realisiert werden soll, ist kontrovers. Und neuerdings wird auch ein Verständnis von Chancengerechtigkeit vertreten, das sich nicht mehr an Gleichheit orientiert (Dietrich et al. 2013).

      Es lassen sich drei Wertprinzipien zur Gerechtigkeit unterscheiden: Bedürftigkeit, Billigkeit und Gleichheit. Gemäß dem Bedürftigkeitsprinzip muss allen Menschen ein Minimum an materiellen und kulturellen Lebenschancen garantiert werden. Mit dem Prinzip der Billigkeit (engl.: equity) ist gemeint, dass nur Fähigkeiten und Leistungen für die Verteilung von gesellschaftlichen Gütern wie dem Zugang zu Bildung entscheiden sollen. Das Gleichheitsprinzip besagt, dass allen gleich viele Ressourcen und Chancen zugeteilt werden müssen, unabhängig davon, ob sie sie nutzen (können). Diese drei Prinzipien müssen so zueinander in Beziehung gesetzt werden, dass keines eine übermäßige Bedeutung erhält (Heckhausen 1981).

      Nun stellt sich die Frage, wann das Bildungswesen als gerecht bezeichnet werden kann. Das hängt von den Kriterien ab, nach denen etwas als gerecht beurteilt wird. Drei wichtige Kriterien sind: Begabung, Leistung und Anerkennung.

      Ein


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