Handbuch Gender und Religion. Группа авторов
Schweigen »besonders akut in Bezug darauf, wer sie benutzt hat«47 sei. Bereits 1994 wies Tove Hjørungdal auf die androzentrische Praxis hin, jeweils Waffen und Schmuck »den Status von Metaphern par excellence von ›Männlichkeit‹ und ›Weiblichkeit‹ innerhalb der Archäologie«48 zuzuschreiben. Neulich hat Laura Whitehouse die männliche Kriegeridentität in Bezug auf die Anwesenheit von Waffen in angelsächsischen Frauen-, Drittgeschlechts- und Kindergräbern infrage gestellt.49 Schmuck als Grabbeigabe ist ebenso kein zuverlässiger Indikator für das Leben in der Vergangenheit.
Eine zweite Fallstudie bezieht sich auf israelische Ausgrabungen. Die bekannte biblische Archäologin Jodi Magness tappte 2002 in eine androzentrische Falle: Sie argumentierte gegen die Anwesenheit von Frauen auf dem Friedhof von Qumran, weil es dort keinen Schmuck und keine Kosmetika gab.50 Damals versuchte sie, Joan Taylors früheres Argument für die Marginalität der Frauen an diesem Ort, das auf ebenso unzuverlässigen geschlechtsspezifischen Grabausstattungen beruhte, wie einem Spinnwirtel und einem Kamm, zu widerlegen.51 Dennoch sollten solche Kritiken in Anbetracht der Behauptung von Timothy Lim und John Collins, dass »kein Thema im Zusammenhang mit den Schriftrollen vom Toten Meer umstrittener war als die Archäologie von Khirbet Qumran«52, entschärft werden. All dies ist eine hilfreiche Bestätigung der Behauptung von Marie Louise Stig Sørensen, dass Objekte niemals neutral sind, weil sie im Gegensatz zu Texten »in die Gesellschaft eingebettet«53 sind.
9 Die Genderisierung der Arbeitswelten
Ein zweiter Aspekt, der für die Genderarchäologie von besonderer Bedeutung ist, betrifft die wirtschaftliche Produktion und die Arbeitsteilung. Genderarchäolog*innen lehnen Annahmen ab, »die auf einer historisch bedingten Arbeits- und Aufgabenteilung beruhen, wie sie in sogenannten ›westlichen‹ Gesellschaften vorkommt«.54 Vielmehr wird Gender als ein Konstrukt hervorgehoben, dessen Fluidität durch die Hinterfragung eines rein binären, geschlechtsspezifischen Raumes betont wird. Somit bestätigt Nelson das Gendering von Arbeitsplätzen als problematisch: Nicht nur war die Arbeitsteilung nach Geschlecht selten absolut, sondern auch geschlechtsspezifische Arbeit war nicht unbedingt geschlechtsspezifisch getrennt.55 Daher ist zu erwarten, dass Männer, Frauen und Angehörige des dritten Geschlechts an denselben Orten unterschiedliche Arbeiten verrichteten, sei es drinnen oder draußen. Meyers vergleicht Agrarwirtschaften mit der heutigen Industriegesellschaft und kommt zum Schluss, dass die Arbeitsleistungen der Geschlechter gleichwertig geschätzt worden wären.56 Zu Recht hat sie »komplementäre geschlechtsspezifische Aufgaben«57 als Beweis hervorgehoben für »eine ausgewogenere Situation geschlechtsspezifischer Macht in den Haushalten, als dies in biblischen Texten impliziert wird«.58
Eine dritte Fallstudie führt uns in die Welt des Backens. Als Grundnahrungsmittel verschaffte die Brotproduktion den israelitischen Frauen Macht über den Haushalt.59 Meindert Dijkstra hat wenig hoffnungsvoll behauptet, dass im alten Israel »die Arbeitsteilung die Frauen […] gewöhnlich an das Haus und an die Aufgaben im Haus bindet«.60 Das archäologische Auffinden von Schleifsteinen und großen sowie kleinen Backöfen in Außenhöfen deutet jedoch darauf hin, dass die Brotherstellung eine gemeinschaftliche Tätigkeit war, bei der gemeinsame Einrichtungen genutzt wurden.61 Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang Delwen Samuels Untersuchung einer ähnlichen Zusammenarbeit der Haushalte im Arbeiterdorf in Amarna, Echnatons kurzlebiger ägyptischer Hauptstadt.62 Darüber hinaus können wir dies mit den Textbelegen abgleichen. Die Frau, die Abimelech in Richter 9:53 tötet, verwendet einen häuslichen Mühlstein, den sie vom offenen Dach eines Turms herunterfallen lässt, und liefert somit ähnliche Beweise für das zeitaufwändige gemeinsame Mahlen im öffentlichen Raum.
Die Anwesenheit von kleinen Öfen deutet auf die Kuchenherstellung hin. Die Materialität lässt sich wiederum mit den literarischen Zeugnissen aus Jeremia 7:16–20 und 44:17–25 in Verbindung bringen. Sie beziehen sich auf Frauen, die in Juda und Jerusalem im späten 7. und frühen 6. Jahrhundert v.u.Z. Kuchen buken. Von besonderer Bedeutung ist Jeremia 7:18, wo ein subversiver Hauskult beleuchtet wird, an dem alle Familienmitglieder beteiligt sind: »Die Kinder lesen Holz, die Väter zünden das Feuer an, und die Frauen kneten den Teig, dass sie der Himmelskönigin Kuchen backen.«63
Erst durch das Zusammenführen solch vielfältiger Quellen lassen sich Meyers’ »typische Muster geschlechtsspezifischer Aufgaben bestimmen«.64 Darüber hinaus ist es der Genderarchäologie zu verdanken, dass den Annahmen darüber, wie geschlechtsspezifische Beiträge in der Vergangenheit gemessen und bewertet wurden, heute größere Aufmerksamkeit geschenkt wird.
10 Fazit
Genderarchäologie hat ihre Grenzen, die vor allem in der Unzuverlässigkeit der Deutung von Grabbeigaben liegen. In der Vergangenheit haben Grabbeigaben allzu oft, wie Whitehouse es treffend formuliert, »einen leichten Zugang zu attraktiven Antworten geboten«.65 Dennoch besteht die Chance, Genderarchäologie in Kombination mit Religionsforschung zu betreiben, darin, dass sie einen wirksamen Gegenpol zu hegemonialen Texten bilden kann. Meyers hat argumentiert, dass die Mainstream-Archäologie das wichtigste Gegengewicht zur Hebräischen Bibel darstelle.66 Da es letztlich um die »Unterschiede zwischen und Gemeinsamkeiten von Menschen«67 geht, bietet die Genderarchäologie den Bibelwissenschaftler*innen ein noch größeres Potenzial. Meskell und Joyce hatten daher Recht, die Genderarchäologie begeistert zu befürworten.
Literatur
Bahn, Paul G. (1992), Bores, Bluffers and Wankas. Some Thoughts on Archaeology and Humour, in: Archaeological Review from Cambridge 11/1, 315–322.
Beck, Pirhiya (1982), The Drawings from Horvat Teiman (Kuntillet ‘Ajrud), in: Tel Aviv 9/1, 3–68.
Bertelsen, Reidar/Lillehammer, Arnvid/Næss, Jenny-Rita (Hg.) (1983), Were They All Men? An Examination of Sex Roles in Prehistoric Society. Acts from a Workshop held at Utstein Kloster, Rogaland 2.–4. November 1979. Stavanger, NAM-Forskningsseminar nr. 1, Stavanger: Arkæologisk Museum.
Buden, Stephanie L. (2002), Creating a Goddess of Sex, in: Bolger, Diane/Serwint, Nancy (Hg.), Engendering Aphrodite. Women and Society in Ancient Cyprus, Boston: American Schools of Oriental Research, 315–324.
Brumfiel, Elizabeth (2006), Methods in Feminist and Gender Archaeology. A Feeling for Difference – and Likeness, in: Nelson, Sarah Milledge (Hg.), Handbook of Gender Archaeology, Oxford: AltaMira Press, 31–58.
Conkey, Margaret W./Tringham, Ruth E. (1995), Archaeology and the Goddess. Exploring the Contours of Feminist Archaeology, in: Stanton, Domna C./Stewart, Abigail J. (Hg.), Feminisms in the Academy, Ann Arbor: University of Michigan Press, 102–139.
Díaz–Andreu, Margarita/Sørensen, Marie Louise Stig (Hg.) (1998), Excavating Women. The History of Women in European Archaeology, London: Routledge.
Dijkstra, Meindert (2001), Women and Religion in the Old Testament, in: Becking, Bob/Dijkstra, Meindert/Korpel, Marjo C.A./Vriezen, Karel J.H. (Hg.), Only One God? Monotheism in Ancient Israel and the Veneration of the Goddess Asherah, London: Sheffield Academic Press, 164–188.
Dworkin, Andrea (1979), Pornography. Men Possessing Women, New York: Perigee Books.
Garroway, Kristine Henriksen (2018), Growing Up in Ancient Israel. Children in Material Culture and Biblical Texts, Atlanta: SBL Press.
Gero, Joan M./Conkey, Margaret W. (Hg.) (1991), Engendering Archaeology. Women and Prehistory, Oxford: Blackwell.
Gero, Joan M./rev. Sørensen, Marie Louise Stig (22012), Gender, in: Silberman, Neil Asher (Hg.), The Oxford Companion to Archaeology, Vol. 1, Oxford: Oxford University Press, 594–596.
Gilchrist, Roberta (Hg.) (1999) Gender and Archaeology. Contesting the Past. London: Routledge.
Hamilton, Sue/Whitehouse, Ruth D./Wright, Katherine I. (Hg.) (2007), Archaeology