Einfach.Nur.Tom.. Darius Tech
das glauben wir nicht. Wäre es so, würde Selmas Urteil den Verdacht für mich nahezu ausräumen, weil … Glasscheiben eben. Aber ich möchte nichts sagen, das irgendetwas über den Stand unserer Ermittlungen verrät, auch wenn ich Selma vertraue, als wäre sie tatsächlich meine eigene Schwester. Zum Glück für meine nicht vorhandenen Geschwister musste jedoch niemand sonst in meiner Familie aufwachsen.
„Wir wissen noch nichts, unsere Ermittlungen stehen noch ganz am Anfang. Aber vielleicht kann sie uns wenigstens helfen zu rekonstruieren, wo Lilly ihren Mörder getroffen hat.“
„Ok“, sie runzelt die Stirn. „Kannst du mich auf dem Laufenden halten? Ich weiß, laufender Fall und so … aber die Kleine hat mir irgendwie leidgetan. Auch wenn ich nicht weiß, was ihr widerfahren ist.“
„Soweit es die Ermittlungen nicht gefährdet. Aber ich kann dir nichts versprechen.“
***
Unser nächster Weg führt uns zu Nancy Reddigan. Zum Glück gibt es den Namen nicht allzu häufig in Los Angeles. Eine der so benannten Frauen lebt in einem Seniorenheim, die zweite ist eine konservative Politikerin. Der Gedanke liegt also nahe, dass die dritte mögliche Nancy die Exfreundin unseres Opfers ist.
Der blonde Sidecut, der uns die Tür öffnet, unterscheidet sich allerdings deutlich von Lilly Ann Parsons. Nancy Reddigan strahlt Punk aus. Gegensätze ziehen sich anscheinend an. Außerdem strahlt sie über das ganze Gesicht. „Hallo?!“
Sam und ich wechseln einen Blick. Offensichtlich ist keiner von uns begeistert von der Idee, dieses Lächeln zu zerstören. „Nächstes Mal bist du an der Reihe“, murmele ich Sam schließlich, höchstens halb verständlich zu und räuspere mich, bevor ich Nancy anspreche. „Detectives Simmons und Caihill, LAPD.“ Während ich rede, zücke ich meine Marke. „Dürfen wir eintreten? Wir möchten mit ihnen über Lilly Ann Parsons sprechen.“
Ihre Augen werden groß, aber sie behält die Fassung, als sie uns die Tür frei macht. „Was ist denn los? Geht es um diese zwei Arschlöcher, die sie vergewaltigt haben? Haben sie da endlich eine neue Spur?“ Innerhalb von drei Sätzen hat der Fall eine weitere unangenehme Dimension gewonnen, großartig! Während wir die Wohnung betreten, die völlig chaotisch wirkt, und genauso wie Nance selbst das genaue Gegenteil von Lilly Ann und ihrer Wohnung zu sein scheint, fügt sie entschuldigend hinzu: „Verzeihung für dieses Chaos, ich hatte gestern Geburtstag, ich habe gehofft, Lilly kommt auch … Ich bin wohl eine Närrin, ich hoffe immer noch, dass sie uns noch eine Chance gibt.“
Oh Fuck! Ich habe wirklich keine Lust, dieses Gespräch zu führen.
***
Nancy klammert sich an eine Tasse Tee, ihre Hände zittern, aber sie scheint ansonsten gefasst zu sein. Nur ihre Augen und ihre Hände verraten den Schock, unter dem sie steht.
„Haben Sie jemanden, der nach Ihnen sehen kann? Ich denke nicht, dass Sie allein sein sollten.“ Sams Stimme klingt warm. Sie scheint genauso besorgt zu sein, wie ich es bin.
Als Nancy nickt, läuft ihr eine einzelne Träne die Wange hinunter. Wenn wir nicht von vornherein sicher gewesen wären, dass sie nichts mit Lillys Tod zu tun hat, dann wären wir es spätestens jetzt. Ihre Reaktion ist sicherlich nicht aufgesetzt. „Ich kann eine Freundin anrufen. Ich glaube, ich möchte auch nicht allein sein.“ Ihr Blick fällt auf ein Foto auf der Kommode, es zeigt sie und unser Opfer, fröhlich lachend vor einem Hintergrund aus Bäumen. Es muss beim Wandern entstanden sein, vielleicht auch in einem Park.
„Sie klang wie eine Country Sängerin.“ Nancy beginnt zu erzählen und ich habe nicht vor, sie zu unterbrechen. Vielleicht fällt dabei etwas Nützliches ab. „Ich meine nicht nur ihren Namen, sie hatte auch eine so tolle Stimme … Aber sie hat sich nie getraut, sie zu benutzen. Nur für mich …“ Sie unterdrückt ein Schluchzen. „Zumindest bis … bis zu dieser Sache.“
Diese Sache, die Typen, die sie in einem Park überfallen und vergewaltigt haben. Etwas in meinem Magen läuft nicht ganz rund.
„Die Vergewaltigung?“ Sam hakt nach.
Verdammte Scheiße! Als ob ich das erste Mal mit diesen Abgründen konfrontiert würde … Der kleine Michael Simmons ist doch auch sonst so tief in mir begraben, dass es mir nichts ausmacht. Ich konzentriere mich auf meine Atmung und bemühe mich, ruhig zu bleiben, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Die Geister meiner Vergangenheit kann ich gerade überhaupt nicht gebrauchen.
Wenn Sam bemerkt, dass mit mir etwas nicht stimmt, dann lässt sie es sich nicht anmerken. Dankbar für zumindest diese Gnade des Schicksals überlasse ich ihr wieder einmal die Regie über das Gespräch. Ich habe gerade auch so genug Probleme, meinen Körper wieder unter Kontrolle zu bringen.
„Ja, die Vergewaltigung … Wissen Sie eigentlich, wie schwierig es ist, psychologische Hilfe zu bekommen in diesem System? Wenn man nicht zu den oberen Zehntausend gehört, meine ich. Lilly ist zu einer Selbsthilfegruppe gegangen. Soweit ich weiß, hat sie noch immer keinen Therapieplatz gehabt. Und dann hat sie vor zwei Monaten gesagt, sie müsse das erst einmal mit sich selbst klären. Ich war am Boden zerstört, diese Kerle haben sie mir weggenommen, langsam, Stück für Stück … Und jetzt das!“ Sie seufzt lautstark, bevor sie an ihrem Tee nippt, den sie anscheinend bis gerade vergessen hatte. „Eigentlich wollten wir im Herbst zusammen nach Paris fliegen … Lilly und ich, wir wären dann seit fünf Jahren ein Paar. Ohne sie, da wüsste ich nicht einmal, dass ich auf Frauen stehe … verdammt! Sie … sie hat mich damals angesehen, und ich hatte das Gefühl, sie blickt mir direkt bis in die Seele. Ich konnte mich einfach nicht dagegen wehren, was zwischen uns war … Was mache ich jetzt nur?“
Aus welchem Grund auch immer, während des letzten Teils ihres Monologs hat sie mich direkt angesehen. So als wüsste ich die Antwort auf ihre Frage oder sie die Antwort auf das Chaos in meinem Inneren. Ich schlucke und senke die Augen. „Ich weiß es nicht“, sage ich schließlich hilflos. „Aber wir werden herausfinden, wer ihr das angetan hat.“ Ich hoffe nur, dass wir dieses Versprechen auch einhalten können.
Sie nickt nur stumm.
Sam lenkt die Aufmerksamkeit mit einem dezenten Räuspern auf sich. „Wir müssen das leider fragen, können Sie uns sagen, wo Sie am letzten Dienstag waren?“ Offiziell kennen wir den genauen Todestag noch nicht, Sam verzieht das Gesicht, anscheinend ist ihr auch aufgefallen, dass sie uns ein Stück weit verplappert hat. „Seitdem ist sie nicht zur Arbeit erschienen“, setzt sie nach.
„Bei meinen Eltern in San Diego, sie haben ihren Hochzeitstag groß gefeiert. Ich bin am Samstag dorthin geflogen und bin bis letzten Freitag dort geblieben, um Zeit mit meiner Familie zu verbringen.“ Praktischerweise deckt ihr Alibi einen geraumen Zeitraum ab, wir müssen also nicht erklären, woher wir das Datum kennen. „Soll das heißen … ich war nicht einmal in der Stadt, als …?“
Sam drückt ihre Hand. „Es hätte nichts geändert, da bin ich mir ganz sicher.“
„Können Sie uns sagen, wann und wo sich diese Selbsthilfegruppe trifft?“ Anscheinend führt das zu der einzigen sinnvollen Spur, die wir haben.
Nancy nickt erneut, bevor sie in einem Papierstapel unter dem Sofatisch kramt. Sie reicht mir einen Flyer. „Da steht alles drin.“
Wir bleiben bei ihr, bis die besagte Freundin erscheint. Carol steht auf Selmas Liste, sie sagt aus, dass sie Lilly seit Wochen nicht gesehen hat und hat ein Alibi, das den Rest der Clique umfasst. Wir werden es natürlich trotzdem überprüfen müssen, ebenso wie jenes von Nancy Reddigan.
„Dyke Tuesday im Mantles. Wir gehen nur noch mit der ganzen Gruppe dorthin, die Gegend ist gefährlich in der letzten Zeit.“ Sie wirft Nancy einen wissenden Blick zu und streicht ihr beruhigend über die Arme. Diese behält anscheinend nur noch mühsam die Fassung, deshalb ziehen wir uns zurück, um den beiden ihre Privatsphäre zu lassen.
***
„Puh!“ Sam atmet lautstark aus, sobald wir im Auto angekommen sind. „Das war nicht gerade angenehm.“
„Ich