Einfach.Nur.Tom.. Darius Tech
schieß mal los! Ich bin ganz Ohr.“
„Der Täter mordet anscheinend alle acht Jahre, drei Frauen nacheinander, im Abstand von jeweils drei Wochen. Die erste Frau stirbt am elften Juni, die zweite am zweiten Juli und die dritte am dreiundzwanzigsten Juli. Er hat bislang bereits zwei Mal in Portland agiert, zuletzt eben vor acht Jahren, davor vor sechzehn. Ich habe den Fall studiert, aber natürlich nur im Unterricht an der Akademie. Das heißt, ich habe offiziell nichts damit zu tun und muss seine Vorgehensweise nicht erkennen. Das gibt uns die Gelegenheit den Feds zuvorzukommen.“
„Tut mir leid, Deinen Enthusiasmus zu bremsen, Sam. Aber das heißt auch, wir haben in zwei Wochen die nächste Leiche, wenn wir ihn bis dahin nicht finden. Und spätestens danach das FBI an der Backe.“ Wir haben den Siebzehnten Juni, zwei Wochen können verdammt schnell vorbei sein.
„Ja.“
Ich atme ein paarmal tief ein und aus, um meine Gedanken zu klären, bevor ich zögerlich nicke. „Ok, mein Vorschlag wäre, wir nehmen uns fünf Tage. Wenn wir bis Freitag keine sinnvolle Spur haben, melden wir den Zusammenhang. Ich möchte nicht den Tod seiner weiteren Opfer zu verantworten haben.“ Unsere Kollegen vom Hals zu bekommen klingt gut, aber es ist kein Menschenleben wert.
„Einverstanden! Ich auch nicht.“
„Ok, alles, was dir einfällt, kommt jetzt auf den Tisch. Wir müssen jeden kleinen Vorteil nutzen.“
Sie listet eine erstaunliche Fülle von Daten auf, anscheinend hat sie den Fall gründlich studiert.
„Der Täter betäubt seine Opfer zunächst, bevor er sie stranguliert, als wäre er nicht sehr stark oder wolle ihnen einen gnädigen Tod erweisen. Es gibt grundsätzlich keine Abwehrspuren. Die Toxikologie wird mit Sicherheit ein starkes Schlafmittel, KO-Tropfen oder Ähnliches in den Cocktailgläsern im Wohnzimmer finden. Cocktails gehören zu seiner Vorgehensweise.
Auch wenn die Opfer nackt sind, es gibt keine Anzeichen von sexueller Gewalt oder Geschlechtsverkehr vor ihrem Tod. Alle Frauen hatten langes braunes Haar, das er ihnen, vermutlich ebenfalls post mortem, zu einem Zopf geflochten hat. Außerdem wäscht und pflegt er sie nach dem Tod. Sie werden wie ein Kind in der Wanne gebadet, immer mit Pfirsichduft, auch wenn die Marke wechselt. Alle Opfer sind zwischen zwanzig und Anfang dreißig. Die roten Haargummis, die verwendet werden, sind an sich nichts Besonderes, aber er scheint sie mitzubringen. Oder sie … Es gab zuletzt in Portland den Verdacht, es könne sich um eine Täterin handeln.“
Ich stutze. „Weibliche Serienmörder sind selten, erst recht, wenn es um einen so stark ritualisierten Mord geht.“
„Richtig, aber zwei der Opfer waren definitiv lesbisch, eines bisexuell, bei den anderen Dreien war es allerdings zumindest nicht bekannt. Warum sollte sich eine lesbische Frau mit einem Mann zum privaten Cocktailtrinken treffen?“ Sie zuckt mit ihren Schultern. „Ausgeschlossen ist natürlich nichts. Es handelt sich auch vielleicht um einen Zufall, da nur die Hälfte der Frauen geoutet war, vielleicht waren die anderen heterosexuell. Er oder sie drapiert seine Opfer jedenfalls, nachdem sie stranguliert worden sind, in Embryonalstellung, immer auf ihrem eigenen Bett und nachdem sie gewaschen und sorgfältig gepflegt worden sind. Weil es eine Schutzhaltung ist? Oder weil der Tod eine Wiedergeburt darstellen soll? In letzterem Fall steht die Nacktheit möglicherweise für Unschuld.“
Einen Moment lang blickt sie durch die Windschutzscheibe, scheinbar in die Leere. „Alle Opfer wurden in ihrer eigenen Wohnung getötet. Sie haben ihrem Mörder vertraut, ihn oder sie eingelassen und gemütlich Cocktails mit der Person getrunken, die sie anschließend getötet hat.“
„Na Klasse, wenn uns dieser Fall um die Ohren fliegt, dann richtig! Das ist dir hoffentlich klar.“ Ich zweifle bereits daran, dass es eine gute Idee ist, den Fall auf eigene Faust lösen zu wollen. Dieser Fall wird Schlagzeilen machen, so oder so, und wir können nur darauf hoffen, dass sie zu unseren Gunsten ausfallen werden, wenn es so weit ist. „Was hat ihn dann von Portland nach L.A. verschlagen? Vorausgesetzt natürlich, wir haben es nicht mit einem Trittbrettfahrer zu tun.“
„Job, Langeweile … was weiß ich, vielleicht die netten Polizisten?“
„Sehr witzig!“
***
Die Recherche im Umfeld von Lilly Ann Parsons gestaltet sich als überraschend schwierig. Ihre Wohnung haben wir ja bereits gesehen, es gibt dort fast keine Dinge, die etwas über unser Opfer aussagen. Sie war darüber hinaus wohl auch im Beruf sehr zurückgezogen. Ihre Kollegen in der Anwaltskanzlei, in der sie als Sekretärin gearbeitet hat, können uns jedenfalls nur sehr wenig über Lilly Ann Parsons erzählen. Sie war höflich, sie hatte mit niemandem viel zu tun, sie machte ihre Arbeit gut. „Nachdem sie Mittwoch nicht zur Arbeit erschienen ist, haben wir uns Sorgen gemacht, sie war ja eigentlich sehr zuverlässig“, ist die einzige Aussage ihres Chefs. Nichts besonders Hilfreiches, außer, dass es Sams Vermutungen bezüglich des Todestags bestätigt. Ein paar weiterführende Infos währen aber schon wünschenswert.
„Sie hatte diesen lustigen Spleen, hat sich immer die Nägel machen lassen“, sagt eine Kollegin von Lilly, ihr Namensschild weist sie als Nadja Feldman aus. Sie strahlt mich an, und ihr Blick verrät mir, dass sie Interesse hat. Ich lächle zurück, aber ich bleibe unverbindlich. Meinerseits besteht, Kelly hin oder her, überhaupt kein Interesse. Doch vielleicht kommt etwas Nützliches dabei heraus, dass ich die Option im Raum stehen lasse. Es kann manchmal von Vorteil sein, wenn man Barbie und Ken ist.
„Was ist daran Besonderes?“
„Sie hatte immer an der rechten Hand die Nägel an zwei der Finger ganz kurz. Die anderen waren lang und spitz. Das habe ich nie verstanden.“ Während sie spricht, hält sie die rechte Hand hoch und wackelt mit den besagten Fingern. Sie lächelt verschwörerisch, als habe sie mir etwas Wichtiges verraten. Dummerweise scheint sie nicht zu wissen, dass sie das tatsächlich hat. „Ganz schön schräg, was?“
„Ganz und gar nicht Nadja, vielen Dank!“
Ich werfe Sam einen Blick zu. Wir haben die Information, die wir wollten, aber sie scheint die Information nicht verstanden zu haben. Sie folgt mir dennoch schweigend bis zum Parkplatz.
Sam schaut mich schließlich stirnrunzelnd an. „Was habe ich da drin verpasst?“
„Du kennst wohl nicht viele Lesben, oder?“
„Nein, glaube ich zumindest …“ Ihr Blick ist skeptisch.
„Hast du schon mal lange Fingernägel gehabt?“
„Eher selten, sind echt unpraktisch beim Schrauben …“, stellt sie schulterzuckend fest. „Ich habe eine alte Harley von meinem Dad sozusagen geerbt“, fügt sie hinzu. „Meine Mom besteht darauf, dass er zu alt geworden ist, um mit dem alten Seelenverkäufer, wie sie mein Baby nennt, herumzufahren.“ OK, das ist so ganz und gar nicht barbiehaft. Ich muss grinsen, aber ich frage mich, wie ich meine Information diplomatisch transportiere.
„… unpraktisch und schmerzhaft, bei gewissen intimen Tätigkeiten“, stelle ich schließlich unverblümt fest.
Ihre Augen werden groß, nachdem sie nur eine kurze Sekunde überlegt hat. „Oh fuck!“ Sie ist so überrascht, dass sie mich nicht fragt, woher ausgerechnet ich so etwas weiß. Ich spare mir die Information schmunzelnd auf.
„Ich denke, wir können also davon ausgehen, dass es sich nicht um einen Zufall handelt.“ Ich zeige die Straße hinunter. „Fahr da vorne links. Ich weiß jemanden, der uns vielleicht mehr über Lilly verraten kann.“
***
„Ok, wir können unser Glück hier versuchen, wenn sie zumindest privat out war, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie schon einmal in dem Laden war.“ Vor einer halben Minute sind wir hinter dem Rainbow Cats auf den Parkplatz gerollt. Der Laden von Selma ist sozusagen eine der ersten Adressen der Lesbenszene in L.A., außerdem liegt er unweit von Lillys Adresse und Arbeit. Sams Augen wandern augenblicklich zu den drei Motorrädern, die um diese Zeit als einzig andere Fahrzeuge auf dem Parkplatz stehen, motorisierte Zweiräder scheinen sie wohl wirklich sehr zu interessieren.