Einfach.Nur.Tom.. Darius Tech

Einfach.Nur.Tom. - Darius Tech


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ihre Bücher und Bestellungen und den ganzen Kram.“

      Anscheinend hat Sam inzwischen die Information von vorhin verdaut und analysiert. „WARTE!“ Sie hält mich am Arm fest. „Ich gehe da nur mit hinein, wenn du mir verrätst, warum du SO ETWAS weißt! Und so etwas auch.“ Ihre Arme gestikulieren während des letzten Satzes zum Rainbow Cats.

      Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. „Ein Mann darf doch auch seine Geheimnisse haben.“ Aber ich habe nur vor sie auf die Folter zu spannen. „Nat, mein letzter Partner, und ich waren oft genug hier, dass ich ein paar Dinge aufgeschnappt habe. Selma ist die kleine Schwester von Nat Cunningham. Ihr gehört der Laden. Ich kenne sie und ihre Frau Louise seit fünf Jahren.“

      Sam stutzt, dann prustet sie lautstark los. Ihr Lachen ist, wie vieles andere an ihr auch, alles andere als barbiehaft. Es ist unmöglich nicht mitzulachen, obwohl ein Teil von mir sich, ob unserer unerwarteten Reise in die Vergangenheit, melancholisch fühlt. „Selma und Louise?“ bringt sie schließlich unter halb erstickten Grunzlauten hervor.

      „Selma und Louise, genau die.“ Ich bemühe mich ernst zu werden.

      „Und sie sind lesbisch?“ Sie kichert noch. „Oh Backe! Ich glaub es nicht.“

      Ich habe gerade beschlossen, dass ich meinen neuen Partner mag. „Davon ist auszugehen, ich war bei ihrer Hochzeit.“ Die beiden haben zu den ersten gleichgeschlechtlichen Paaren gehört, die in der Stadt der Engel getraut wurden. Das war lange, bevor ich Kelly kennengelernt habe. „Louise sammelt Motorräder, mindestens eines hat sie immer gerade in Einzelteile zerlegt. Ich wette, ihr würdet euch prima verstehen.“

      Sam schüttelt den Kopf. „Du steckst voller Überraschungen.“

      Wir gehen durch die Hintertür hinein. Selma hat sie wie immer nicht abgeschlossen und ich erinnere mich, wie oft Nat ihr deswegen Vorwürfe gemacht hat. Wie oft er ihr gesagt hat, wie gefährlich das sei… Beinahe kann ich seine Stimme in meinem Kopf hören. Aber Selma lebt schließlich und ist wohlauf.

      „Hey Selma, es ist ein Einbrecher!“ Ich rufe lautstark, sobald ich den Laden betrete. Um ehrlich zu sein, tue ich es vor allem, weil ich keine Lust habe in den Lauf einer Schrotflinte zu blicken … und weil dies auch Nats Begrüßung war, wenn wir herkamen.

      Sam schaut mich amüsiert an, anscheinend ist sie ebenso überrascht von Ken, wie ich von Barbie.

      Selma Cunningham sitzt wie erwartet über ihren Unterlagen. Sie ist eine elegante Frau Mitte dreißig. Selbst wenn sie wie jetzt in Jeans und schlichter Bluse über eine Inventurliste gebeugt ist, verliert sie nichts von der klassischen, kühlen Ausstrahlung, die sie auszeichnet. Es ist zwar nicht so, dass sie dabei tatsächlich eine kühle Persönlichkeit hätte, aber ich könnte sie mir in einer beliebigen klassischen Hollywoodrolle vorstellen. Am besten würde sie in einen Film Noir passen. Allerdings besitzt sie so viele Schichten wie eine Zwiebel. Ihren Laden führt sie mit eiserner Hand und wird zur Not zur schwerbewaffneten Wildwest Lady. Wenn es um Louise oder ihren Bruder geht, kann sie innerhalb von Sekunden zwischen Leidenschaft und Fürsorge wechseln und sie ist eine der besten Zuhörerinnen der Stadt. In L.A. bedeutet das etwas, hier gibt es schließlich eine ganze Menge Menschen. Jeder Person, die an ihrer Bar Platz nimmt, gibt sie das Gefühl ihre ungeteilte Aufmerksamkeit zu besitzen. Das Faszinierende daran ist, sie bekommt tatsächlich alles mit, egal ob vor ihr fünf oder fünfzehn Menschen sitzen.

      Ihre dunkelblonden Haare hat sie wie immer kunstvoll hochgesteckt. Ich erinnere mich noch gut an meine Überraschung bei unserer ersten Begegnung. Nats kleine Schwester hatte so überhaupt nicht meinem Bild entsprochen, was ich zuvor von einer Lesbe gehabt hatte. Genauso wenig entspricht sie dem gängigen Bild von einer Frau, die mit einer Schrotflinte unter der Theke aufwarten kann.

      Heute sehe ich die gleiche Überraschung in Sams Augen. Mir liegt es auf der Zunge ihr zu sagen, dass wir nicht alle den Klischees entsprechen. Aber mein bisheriges Verhalten ihr gegenüber verrät mir, dass ich diese Lektion wohl selbst erst einmal verinnerlichen sollte, bevor ich sie ihr vorhalte.

      „Mickey!“ Selma kommt lächelnd auf mich zu und umarmt mich. „Was treibt dich denn hierher?“ Ihr Blick wandert kurz über Sam. Natürlich, Sam ist, ebenso wie ich, in Zivil und wie Kelly sieht sie überhaupt nicht aus. Ich ziehe eine Augenbraue hoch, weil ich ahne, was sie gleich sagen wird, bevor sie spricht. Es gab eine Zeit, in der Nat und ich viel Zeit mit ihr und Louise verbracht haben. Ein Teil von mir fragt sich, warum das eigentlich aufgehört hat.

      „Hey, auch eine verheiratete Frau hat Augen im Kopf“, sagt sie schließlich trocken.

      Sam lächelt leicht verunsichert, und ich kann es ihr nicht übel nehmen. Dass Selma nichts weiter mit ihrem Blick verfolgt, kann sie nicht wissen. Wäre das hier nicht genau der Ort, der es ist, hätte es diesen Blick nie gegeben. Er ist Teil des Begrüßungsrituals im Rainbow Cats, nicht mehr und nicht weniger. Etwas, das Sam ebenso wenig wissen kann. Meine Gedanken wandern das erste Mal seit Stunden zu einer Zeugenbefragung in der First National Bank, zu einem schwarzen Lockenkopf mit grauen unergründlichen Augen … Ich schüttele den Kopf, mehr um ihn zu klären, als um Selmas Verhalten zu kommentieren.

      „Leider der Job“, sage ich, bevor ich mich räuspere. „Das ist mein neuer Partner, Samantha Caihill.“

      „Hallo Samantha!“ Sie schaut meinen neuen Partner noch einmal sehr genau an, was Sam sichtlich noch mehr verunsichert. Ich hingegen bin mir jetzt sicher, dass es ein anderer Blick ist als zuvor. Sie scheint Sam abzuschätzen und ich wüsste nur zu gerne, was sie gerade sieht. „Pass gut auf Mickey auf, er ist so etwas wie ein kleiner Bruder für mich! Und auch wenn er manchmal so tut wie der größte Macho auf Erden, er hat ein Herz aus Gold.“

      Jetzt hat sie uns beide sprachlos gemacht, ich bin es nicht gerade gewohnt, mit einem Herz aus Gold beschrieben zu werden. Das ist auch nicht das Bild, was ich von mir selbst habe. Erst recht nicht, wenn man bedenkt, wie wenig ich mich seit Monaten bei ihr blicken lassen habe, besonders in den letzten zwei davon. In mir regt sich mein schlechtes Gewissen, weil ich mich nach Nats Tod so unsichtbar gemacht habe.

      Sam fängt sich ein wenig schneller als ich. Sie hält Selma ein Foto unseres Opfers unter die Nase und räuspert sich. „Ist Ihnen diese Frau bekannt?“

      Überraschung und Erkennen spiegeln sich in Selmas Gesicht, wir haben einen Volltreffer gelandet. „Was ist mit Lilly?“

      „Sie ist tot.“ Ich habe vor langer Zeit gelernt, dass es diesbezüglich wenig effektiv ist, um den heißen Brei herumzureden. „Wir suchen ihren Mörder.“

      Es ist deutlich zu sehen, wie betroffen Selma ist.

      „Hast du sie gut gekannt?“, frage ich sie daher.

      „Gut?“ Selma fängt sich schnell. „Ist der falsche Begriff. Sie war früher jeden Donnerstag hier mit ihrer Freundin und noch ein paar Mädels. Sie haben immer dort drüben gesessen, ihr Stammtisch.“ Sie zeigt auf eine der wirklich bequemen Sitzecken an der Fensterfront. Insgesamt orientiert sich das Rainbow Cats optisch an den sechziger Jahren. Die Pastelltöne der Möbel folgen jedoch dem Regenbogen und bei genauerem Blick sieht man, wie modern tatsächlich alles ist. Unzählige LED-Lichter erzeugen ein angenehm indirektes Licht, wenn Selma öffnet. Aber noch leuchten die hellen Lampen des „Putzlichts“, wie Selma die Deckenbeleuchtung bezeichnet. Ich bin immer wieder überrascht, wie sehr das grelle, kaltweiße Licht den Raum verändert.

      An mehr als einem Abend sind Nat und ich früher hier versackt, haben noch Stunden nach Ladenschluss mit Selma und Louise dort gesessen, geredet und gelacht.

      „Aber ich habe sie seit über einem Monat nicht mehr gesehen. Sie hat sich von Nance getrennt, mehr weiß ich nicht. Außerdem, sie war komisch in der Zeit davor. Kriegt man einen Blick dafür, wenn man so einen Job hat. Sie sah aus, wie ein Veteran, der gerade aus dem Krieg zurückgekehrt ist.“ Selma untertreibt. Sie durchschaut Menschen, als seien sie frisch polierte Glasscheiben. Also nehme ich dieses Urteil ernst.

      Ich nicke. „Kannst du uns die Namen von ihren Freunden geben?“

      „Nicht ganz.“ Sie reißt jedoch einen Zettel von ihrem Schreibblock ab und


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