Harzmagie. Jürgen H. Moch

Harzmagie - Jürgen H. Moch


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echte Schnecken. Einen schönen Tag noch!«

      Sabrina wurde knallrot und blieb abrupt stehen. »Scheiße, das war er. Was macht der denn hier?«

      Elisabeth hielt nun auch an, schaute aber nicht zu ihrer Freundin. Sie blickte dem wirklich sehr gut aussehenden Läufer hinterher, der sich schnell entfernte. Ein herber Moschusgeruch hing in der Luft und kitzelte sie in der Nase.

      »Mann, der hat uns erst belauscht und dann voll beleidigt. Und das, wo ich heute bis hier durchgehalten habe.« Sabrina keuchte schwer. »Das dürfen wir uns nicht bieten lassen. Los Elle, hol dir den Angeber!«

      Elisabeth warf einen kurzen Blick zu ihrer Freundin, die mit der Hand in die Richtung zeigte, in die der Junge verschwunden war.

      »Nun mach schon! Für unsere Ehre!«

      Elisabeth lief los. Der Junge hatte inzwischen einen erheblichen Vorsprung, also begann sie mit einem forschen Tempo. Auch sie hatte durch das sehr regelmäßige Laufen gemerkt, dass sie besser wurde. Es tat ihr gut und sie brauchte in letzter Zeit auch weniger von ihrem Notfalltrank. Als sie um die Kurve bog, sah sie ihn, wie er gerade zwei Spaziergänger überholte.

      Mann, ist der schnell unterwegs!, dachte sie bei sich und steigerte ihr eigenes Tempo weiter. Sabrina war ihre Freundin und er hatte sie beide beleidigt. Sie und müffeln? Niemals! Die Spaziergänger hatte sie schnell überholt. Ein Ehepaar im mittleren Alter, das sie sogar anfeuerte.

      »Los, junge Dame, ihr Freund ist schon vorbei!«

      Elisabeth schnaubte. Ihr Freund war er nicht, aber das konnten die Leute nicht wissen. Sie würde es diesem Schönling schon zeigen und ging bis an ihre Grenzen. Ein Gefühl inneren Glücks brandete in ihr hoch, als ihre Beine nur so über den Weg flogen und der Wind an ihren Haaren zog. Der Moschusgeruch tauchte wieder vor ihr auf. Als sie die nächste Biegung umrundete, sah sie ihn vor sich. Er überholte schon wieder jemanden, diesmal einen anderen Jogger, der vor einigen Minuten noch an Sabrina und ihr vorbeigelaufen war. An einer schmalen Stelle, wo eine mehrere Meter lange Pfütze den Weg einengte, wich der Mann vor dem schnelleren Läufer unbeholfen aus und trat voll ins Wasser, das sich als tiefer entpuppte, als es zunächst den Anschein hatte. Er schimpfte wild hinter Albert her, der sich genau in diesem Moment umblickte und Elisabeth entdeckte, die inzwischen immer schneller aufholte. Er machte ein verwundertes Gesicht und beschleunigte nun seinerseits.

      Der andere Läufer stieg umständlich aus dem Wasser und band seinen Schuh auf. Elisabeth setzte mit einem gewaltigen Sprung über die Pfütze hinweg und rannte weiter, um nun ebenfalls als »Verrückte Spinnerin!« beschimpft zu werden, aber sie hörte nicht hin. Ihr Ziel lag vor ihr und sie hatte das Jagdfieber gepackt. Auch wenn sie es nicht mehr für möglich gehalten hatte, konnte sie nochmals etwas weiter beschleunigen, doch mit dem Beschleunigen schoss ein Kribbeln in ihre Beine.

      Sicher ein drohender Krampf!, dachte sie zuerst, doch als es immer höher kroch, merkte sie, dass es das Zittern war. Bis zum Parkplatz war es nun nicht mehr weit und sie hielt sich gut – keine zwanzig Meter mehr hinter Albert. Sie konnte jetzt nicht aufgeben. Also biss sie die Zähne aufeinander und zwang sich, weiterzulaufen. Albert hatte sich erneut umgeblickt, inzwischen mit einem äußerst irritierten Blick. Und dann schockierte er seinerseits Elisabeth, indem er noch schneller wurde. Das war unmöglich, sie sprintete schon und er zog jetzt wieder davon. Das Kribbeln breitete sich inzwischen bis zur Hüfte aus. Sie würde doch abreißen lassen müssen. Da kam der Parkplatz in Sicht. Sie sah, wie Albert schlitternd abbremste und in einen wartenden, roten Porsche sprang, der gleich darauf mit durchdrehenden Reifen anfuhr und Steine sowie Dreck aufschleuderte. Der Wagen kam ihr irgendwie bekannt vor, doch sie konnte ihn momentan nicht einordnen.

      Ein altes Ehepaar mit einem kleinen Schoßhund wich gerade noch aus, um nicht über den Haufen gefahren zu werden. Die Rentner schimpften wild, als der kläffende Hund sich losriss und von dem Auto weg auf den Weg zulief. Elisabeth konnte nicht mehr, sie stolperte die letzten Schritte mit wackligen Beinen vorwärts, als der Porsche schon längst auf der Straße verschwunden war. Schweiß stand ihr auf der Stirn und lief ihr in die Augen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals und sie pumpte wild nach Luft. Die Farben verschwammen vor ihren Augen und das Zittern stieg höher und höher.

      Nein, nein! Sie konzentrierte sich auf das Atmen, doch jeder Zug stach in ihrer Lunge. Die Welt um sie herum schwankte, als sie sich auf die Knie fallen lies und mit den Händen abfing. Der kleine Hund kam näher und bellte sie jetzt wild an. Sie verfluchte ihn in ihrem Kopf. Das Gekläffe machte sie immer wütender. Die Schmach, den Jungen nicht geschlagen zu haben, brannte lodernd in ihr. Der kleine Hund machte sie jetzt schier rasend. Sie wollte ihn wegscheuchen, doch als sie ihn anblickte und den Mund öffnete, kam nur ein grollendes Knurren aus ihrer Kehle. Der kleine Yorkshire Terrier stellte abrupt das Kläffen ein, steckte den Schwanz zwischen die Beine und rannte winselnd den Weg entlang, während seine Leine wild hinter ihm her tanzte. Die beiden Rentner eilten ihm nach, nicht ohne in Elisabeths Richtung einige Verwünschungen loszulassen.

      Elisabeth konnte nicht mehr klar denken. Mit einer Hand öffnete sie umständlich ihre Bauchtasche und nestelte mit zitternden Fingern die Flasche heraus. Sie brauchte eine gefühlte Ewigkeit, um den Bügelverschluss aufzudrücken. Als er dann endlich aufsprang, nahm sie gierig ein paar große Schlucke. Als das Brennen schließlich nachließ und sich ihr Blick klärte, lehnte sie sich gegen einen Stein am Wegesrand, der als Parkplatzbegrenzung diente. Sie schloss die Augen.

      Einige Minuten später kam der Jogger mit dem nassen Schuh kopfschüttelnd vorbei, kurz darauf Sabrina.

      »Elle, oh mein Gott. Du siehst völlig fertig aus. Was ist passiert? Hast du ihn erwischt?«

      Elisabeth antwortete nicht, sondern nahm noch einen Schluck, bis das Brennen in ihrem Körper ganz verschwand.

      »Ich habe gerade einen kleinen Hund eingefangen, der den Weg entlang gerannt kam. Hat zwei älteren Leuten gehört. Die haben vielleicht geschimpft und mir von völlig irren Halbstarken berichtet, die ihren Hund verjagt hätten. Kann es sein, dass sie unter anderem dich meinten?«

      Elisabeth nickte schwach.

      »Hast du ihn denn nun erwischt?«

      »Fast!«, sie machte eine Pause, dann konnte sie endlich weitersprechen. »Ich habe alles gegeben, aber dann hat er sich umgeblickt und auch beschleunigt. Wir haben uns ein Rennen bis hierher geliefert. Ich meine, ich bin so schnell gelaufen wie noch nie in meinem Leben, und er ist mir dann immer noch davongerannt. Der Albert ist wirklich überirdisch schnell.«

      Sabrina sah sie bekümmert an. »Das ist alles meine Schuld, dass du jetzt so kaputt bist. Aber ich war so wütend!«

      Plötzlich grinste Elisabeth Sabrina an. »Aber er hat richtig Schiss bekommen, als ich näher kam. Ich habe ihn total verunsichert. So schnell vergisst der mich nicht.« Dann roch sie an ihrem T-Shirt und fragte ihre Freundin: »Findest du, dass ich müffle?«

      Sabrina musste daraufhin lachen, was ansteckend wirkte.

      Als Martha Schubert wenig später zur verabredeten Zeit auf den Parkplatz fuhr, ging es Elisabeth wieder so gut, dass sie entspannt atmen konnte. Sie stiegen ein.

      »Na, diesmal seid ihr ja richtig schnell gewesen«, kommentierte Sabrinas Mutter. »Wenn ihr noch schneller werdet, dann schaffe ich es nicht mehr nach Wernigerode und zurück, oder ihr müsst nächstes Mal zwei Runden laufen.« »Nein, für heute haben wir genug«, antwortete Sabrina. »Jetzt brauchen wir ganz dringend eine Dusche.«

      Seine Mutter musste wieder nach Berlin fahren. Auch wenn Theobald inzwischen wusste, dass Lylly, die Freundin seiner Mutter, tot war, verstand er nicht, warum der Rat plötzlich so viel von ihr wissen wollte. Andererseits verschaffte ihm das eine der für ihn viel zu seltenen Gelegenheiten, im Nachbarkeller zu experimentieren. Die Arbeiten, die sie ihm aufgetragen hatte, damit er nicht auf dumme Gedanken kam, erledigte er in großer Eile und war schon nach ein paar Stunden fertig.

      Dann begab er


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