SOKO Marburg-Biedenkopf. Группа авторов

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all dem Bier, das er vorher in sich hineingeschüttet hatte, war es kein Wunder, dass er sich unterwegs einen Baum aussuchte, um einen Teil davon wieder hinauszulassen. Ich glaube, er sah meine Axt gar nicht, als ich mich ihm in der Dunkelheit näherte. Er drehte sich nur halb zu mir um und knurrte: »Hau ab!«

      Nun gut, das ließ ich mir nicht zweimal sagen.

      Es wurde viel gerätselt in Biedenkopf. Wieso der Füchtner? Wieso geköpft? Wieso war da so ein komischer Strohhut auf dem Kopf? Ich gebe zu, dass ich mir mit einem billigen Utensil aus dem Fastnachtsbedarf behalf, das nicht viel Ähnlichkeit mit der echten Grenzgang-Kostümierung aufwies. An das Original wäre ich aber nun mal nicht so ohne Weiteres herangekommen, und so etwas gehörte bei einem Serienmörder einfach dazu. Da musste es für die öffentlichkeit und für die Ermittler immer was zum Kniffeln geben.

      In Stuttgart hat mal einer sieben Frauen getötet und ihnen munter die abgeschnittenen Nasen vertauscht. Und sie am ganzen Körper mit Speisequark eingerieben. Die Verfallsdaten der Quarkbecher, so fand man irgendwann heraus, ergaben in der Quersumme sein Geburtsdatum. So was ist unheimlich wichtig. Deshalb habe ich den Kopf vom Füchtner auch vor sein Haus platziert und mit einem dicken Eddingstift einen Sinnspruch auf seine Fassade geschrieben, den ich selbst gedichtet habe:

      Der Tod macht gerne Überstunden,

      Und ist stets da für seine Kunden.

      Kassiert sie ab mit einem Schlag,

      Auch gern am langen Donnerstag.

      Passt doch schön nach Biedenkopf, so ein schnörkeliger Sinnspruch, oder?

      Ja, ich gebe zu, das war alles ganz nach meinem Geschmack. Das war etwas anderes als Zielfernrohr und Laserpunkt. Ich spürte am Abend nach der Tat zwar ein leichtes Ziehen im Nacken, aber da half ein Wärmepflaster.

      Als nächstes war die Gesellschaft Hainstraße dran. Beziehungsweise Olli Spies, der klapperdürre Kerl, der sie führte. Der Frührentner bewohnte eine kleine Etagenwohnung unweit der Stadtschule und gärtnerte sich mit viel Engagement durch eine kleine Parzelle, die er hinter dem Schwimmbad gepachtet hatte. Ich besuchte ihn am Nachmittag, als er gerade dabei war, seinen Lattenzaun um seinen prächtigen Gemüsegarten zu reparieren. Er blickte von seiner Arbeit auf und sah mich fragend an. Zwischen den zusammengepressten Lippen hatte er ein paar Nägel eingeklemmt, und ich hätte fast losgeprustet, weil mir den Spruch von den »Nägeln mit Köpfen« in den Sinn kam. Es ging bei Olli Spies fast noch besser als bei meinem ersten Delinquenten.

      An den Giebel seiner Hütte schrieb ich hinterher mit akkurater Schrift:

      Die Zähne kauen Möhren,

      Sie malmen Kohl und Lauch.

      Das kann den Tod nicht stören,

      Ins Gras beißen sie auch.

      Nach der zweiten geköpften Leiche stand ganz Biedenkopf Kopf. Bundesweit titelten die Zeitungen mit den Früchten meiner Arbeit. Auch das Fernsehen fiel in den kleinen Ort ein.

      Ich konnte mein Glück kaum fassen. Die Zeit des Herumreisens war endgültig vorbei. Ich wollte am liebsten nur noch direkt vor der eigenen Haustür morden. Kill local lautete jetzt meine Devise. Ich wollte nicht länger ein Global Player sein, sondern arbeitete eifrig an meinem neuen Image als Hidden Champion.

      Der Lehrer Markus Schlott wohnte auf der Hatzfelder Straße. Er war Führer der Gesellschaft Hasenlauf. Und ich muss auch wirklich sagen, dass er wahrhaftig lief wie ein Hase, als er plötzlich meine Axt sah. Ich erwischte ihn beim Joggen im Wald, und fast wäre er mir durch die Lappen gegangen, denn auch wenn ich Ruhe und Erholung in Hülle und Fülle genossen hatte, war meine Kondition doch eher durchschnittlich. Aber, wie gesagt, Schlott fiel dann doch meinem Axthieb zum Opfer. Ich glaube sogar, dass sein Körper noch ein paar Meter weiterlief. Für diesen Kopf fand ich einen besonders schönen Platz. Wenig später zierte er einen der Grenzsteine im Norden der Stadt. Das war ja nun wirklich absolut passend. Gottseidank war auch eine kleine Hütte in der Nähe, sodass ich meinen Sinnspruch unterbringen konnte:

      Dem Hasen rinnt der Schweiß herab,

      Er bricht jeden Rekord,

      Doch wartet froh der Tod am Grab

      Und ruft: »Ich bin schon dort!«

      Beim Serienmord kommt es auf die Kontinuität an. Das baut alles aufeinander auf. Wie bei diesem Serienkiller in Bremen, der nur alle fünf Monate zuschlug und ausschließlich einäugige Männer tötete. Er füllte die leeren Augenhöhlen mit Aufzuchterde und pflanzte darin Brunnenkresse.

      Jetzt kommen Sie mir nicht mit Familie und Hinterbliebenen und all so was. Natürlich ist das betrüblich. Denken Sie denn, ich habe kein Herz, nur weil ich mich zur Professionalität zwinge? Jeder wird vom Leben doch an eine bestimmte Stelle gestellt. Und ich stehe eben ganz am Ende.

      Ein paar Abende später sitze ich jetzt also hier bei einer Tasse Tee über den Plänen für den nächsten Tag. »Hewwe un drewwe da Läh« heißt die Männergesellschaft. Das klingt doch mal so richtig schön hinterländisch. Wer ist denn der Kopf von der Bande? Soso, einer von den Stadtwerken. Ein breiter, bärtiger …

      … irgendwie genau so einer wie der Mann, der jetzt plötzlich direkt vor meinem Wohnzimmertisch steht. Ich schrecke so sehr zusammen, dass der Tee über den Rand meiner Tasse schwappt.

      »Wie sind Sie hier …?«

      Er lächelt hintergründig und sagt mit einer hohen Stimme, die nicht zu seinem stämmigen Äußeren passt: »Denken Sie gar nicht drüber nach. Ich bin eben drin. Gelernt ist gelernt.«

      Ach so? Was will er mir damit sagen? Wieso trägt er Handschuhe?

      Er zieht etwas aus der Tasche seines Blousons, das aussieht wie ein Knäuel Draht. Während er es entwirrt, erzählt er seelenruhig: »Hören Sie, haben Sie wirklich geglaubt, Sie können hier in aller Gemütlichkeit eine Mordserie inszenieren, ohne dass Ihnen irgendjemand auf die Schliche kommt? Mir war vom ersten Moment an klar, worauf das alles hinauslaufen soll.«

      »Ach ja?«, sage ich patzig.

      »Die falschen Hüte! Das ist wirklich dilettantisch. Die Gedichte! Das ist doch total antiquiert. Geben Sie’s zu, Sie sind Anfänger, stimmt’s?«

      Als ich nicht gleich antworte, sieht er mir unverwandt in die Augen. »Ihre Nummer mit der Axt ist ja eigentlich gar nicht übel, aber es ist nun mal eben ein typisches Anfängerinstrument.«

      »Moment mal, aber ich bin kein Anfänger!«

      Er lacht höhnisch. So eine Frechheit. Aber ich kann ihm natürlich unmöglich meine Profikillerkarriere auf die Nase binden.

      Abfällig sagt er: »Lassen Sie mich raten, Sie waren Auftragsmörder und wollen jetzt auf Serienkiller umsatteln.«

      Ich bin sprachlos.

      Er nickt, wie um sich selbst zu bestätigen. »Also so einer, der sich immer sagen lassen musste, wen er wann umzunieten hat. Traurig, so was. Und jetzt soll es also gleich eine Serie mit neunzehn Opfern sein. Da haben Sie sich aber ein bisschen übernommen, mein Lieber. Und dann diese Schlagzahl. Drei in anderthalb Wochen! Das ist ein schlechter Rhythmus. Man fängt mit großen Abständen an, sagen wir mal zwei Monate, und dann macht man im Verlauf der Serie immer mehr Speed.«

      Das, was er da vor meinen Augen entwirrt hat, ist eine Garrotte. Ein dünner Draht mit zwei Haltegriffen an den Enden. Mich beschleicht so eine Ahnung …

      »Und ich soll also der nächste sein«, sagt er lauernd.

      Ich mache einen zaghaften Versuch. Meine Stimme klingt ein wenig heiser, als ich sage: »Nun, ich könnte Sie ja vielleicht überspringen.«

      »Wie bitte?« Seine Augen funkeln böse. »Überspringen? Haben Sie jemals gehört, dass ein ordentlicher Serienmörder ein Opfer übersprungen hat?« Er spuckt diese Worte regelrecht aus. »So etwas tut man nicht!«

      »Sie kennen sich ja ganz schön aus.« Ob es klug ist, ihn auch noch zu reizen?

      Er strafft den Draht und nähert sich mit bedächtigen Schritten. »Die Kölner


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