SOKO Marburg-Biedenkopf. Группа авторов
ich sie von jenem Ort weg und einen kleinen Abhang hinab. Dahinter wurde die Landschaft wieder flacher und wir mussten unsere Schritte mit etwas weniger Bedacht setzen.
Und wieder ging mein Blick zum Himmel. Welch seltsames Schauspiel ereignete sich da? Nackte Panik stieg in mir auf. Hatte der Schamane wirklich recht, und die Götter sich gegen uns verschworen? Mittlerweile glaubte ich seiner Prophezeiung ohne jeden Vorbehalt. Hoffentlich würde meine Tat die gewünschte Wirkung erzielen. Immer widerwilliger ließ sich allerdings Belana mitführen.
Nach einigen Minuten erreichten wir das schilfige Randgebiet des Ufers.
»Ich will lieber zurück!«, rief sie und beschleunigte damit nur noch meine Schritte. Immer fester und unerbittlicher wurde der Griff meiner gesunden linken Hand.
›Hättest du mir nur jemals mehr Aufmerksamkeit geschenkt!‹, dachte ich bei mir. ›Vielleicht hätte ich jetzt eine andere dazu auserkoren. Es ist deine eigene Schuld, dass es so weit kommen muss.‹
Ich war häufig am Fluss, dort kannte ich mich aus. Wie oft schon war ich in einem unbeobachteten Moment hierher gekommen und hatte den Stimmen aus dem Reich der Toten gelauscht, die man hier unten am Fluss vernehmen konnte? Diese Stimmen, die ein Lied sangen von bitterer Vergänglichkeit. Sie wollten mich sanft zu sich auf den Grund des Flusses rufen. An jenem Abend hörte ich sie lauter als jemals zuvor.
›Da, ich höre sie ganz genau. Einige Augenblicke noch, dann sind wir ganz nah bei ihnen.‹
Ich verharrte an einer Stelle, um sie besser zu verstehen. Sie sprachen so klar und deutlich zu mir, wie ich gerade zu euch rede.
»Gleich sind wir da. Hörst du ihre Rufe?«, fragte ich Belana.
Die Hure schaute mich mit einem verständnislosen Blick an. Danach eilten ihre Augen panisch zwischen mir und dem Mond hin und her, dessen Fläche nun fast vollständig wie von einer zweiten flachen Scheibe bedeckt schien.
»Endet hier nun alles?«, fragte sie mit bebender Stimme, dabei schien sie allerdings weniger mit mir als mit dem Mond zu reden.
Wer war nun verrückt? Ich war es ganz gewiss nicht! Ich war vielmehr der Einzige, der die Gemeinschaft retten konnte. In meinen Händen lag unser aller Wohl und Wehe.
Ich führte sie weiter an den Rand des Flusses. Noch eine kurze Böschung und wir waren angelangt. Schon standen wir bis an die Knöchel im Wasser. Der Saum ihres langen Rockes wurde nass.
»Was geschieht denn nun?«, fragte sie wieder und ihre Augen weiteten sich, als sie sah, dass sich der Mond rot gefärbt hatte. Sie wollte noch etwas sagen, aber der Anblick hatte ihr die Stimme verschlagen. Auch ich konnte es kaum glauben und starrte wie gebannt hinauf.
»Es muss getan sein«, sagte ich. »Wir können nicht noch mehr Zeit verlieren.«
Sie zögerte kurz, wusste nicht, was sie antworten sollte. Panik schien ihre Gesichtszüge zu lähmen.
»Kannst du sie nicht hören? Die Toten am Grund des Flusses. Hörst du nicht, wie sie nach dir rufen?«
»Peredur, du bist völlig wahn…!« versuchte sie noch zu schreien, doch ich unterbrach sie.
»Euch zum Wohlgefallen!«, rief ich laut aus. Die drei Worte waren ebenso zum Mond gerichtet, wie auch an die Toten in den kühlen Fluten.
Sie wollte sich losreißen, aber ich hielt sie noch immer fest gepackt. Ihren kurzen Moment der Unachtsamkeit nutzte ich aus und zerrte sie nun vollends in das Wasser hinein.
»Ich weiß, sie rufen auch mich, aber meine Stunde ist noch nicht gekommen! Kannst du sie nun endlich hören?«
Sie wollte noch etwas sagen, aber sie brachte nur noch ein kurzes Gluckern zustande, während ich sie unter die Wasseroberfläche drückte. Ein Schwall großer Luftblasen stieg auf, als sie sich mit Händen und Füßen zu wehren versuchte. Danach folgten zahlreiche kleinere Bläschen.
»Du hättest es anders haben können, doch nun ist dein Leben verwirkt!«
Ich spürte, wie mir ihre Fingernägel einige tiefe Wunden in die Unterarme rissen, aber unbeirrt drückte ich sie weiter unter Wasser. Trotz der allgegenwärtigen Dunkelheit meinte ich, ihre weit aufgerissenen Augen dicht unter der Wasseroberfläche zu sehen. Ein Anblick, den ich lange nicht vergessen werde, obwohl ich mir selbst nicht erklären kann, warum ich ihren Todeskampf überhaupt in dieser Schattenwelt beobachten konnte.
Sie versuchte, mir in die Hände zu beißen, aber sie kam nicht heran. Zu geschickt hatte ich sie gefasst. Ein Verrückter wäre zur Planung und Ausführung der Tat niemals fähig gewesen! Auch wenn mir einige Finger fehlen, hielt ich sie unerbittlich unter Wasser. Ja, unbändige Kraft habe ich trotz allem noch!
Während ihre Zuckungen langsam ein wenig nachließen, gelang es mir, die Augen von ihr zu lassen, und den blutroten Mond zu betrachten. Völlig ungeachtet meiner Tat, hatte sich an seinem Anblick nichts geändert. Große Panik wollte in mir aufsteigen. Sollte sich die Mühe nicht gelohnt haben? Nahm das Schicksal nun doch völlig unbarmherzig seinen Lauf? Sollten wir trotz allem nicht verschont werden?
Noch einige letzte Zuckungen, ein finales sanftes Beben, und alles Leben war endgültig aus ihr gewichen. Ich beschwerte ihren Körper mit einem kleinen Felsbrocken, den ich mir schon am Nachmittag zu diesem Zweck ausgesucht hatte. War es nicht äußerst geschickt, wie ich den schweren Block mit zahlreichen Streifen Schilf an ihr festzurrte? Niemand, der nicht bei Verstand ist, bringt es zu solch einer Meisterschaft in dem, was er tut!
Ich sah ihr dabei zu, wie sie langsam auf den Grund des Gewässers glitt. ›Gehab’ dich wohl, du schönes Kind. Schade, dass wir nicht füreinander bestimmt waren! Mögen dich die Toten mit Freude empfangen. Sollen alle in Stille ruhen, bis sie auch mich dereinst in ihrer Mitte willkommen heißen!‹
Eine Weile hatte ich den Mond nicht mehr betrachtet. Jetzt, wo mein Werk vollendet war, fand sich wieder Gelegenheit dazu. Er wirkte nun nicht mehr ganz so glutrot, und der dunkle Schatten schien nach rechts aus ihm heraus zu wandern. Es hatte also ganz den Anschein, als hätte meine Tat die Götter doch noch besänftigt, ganz so, wie wir drei Eingeweihten es im Sinn gehabt hatten.
Als ich wieder an der Feuerstelle ankam, war die Angst einem angeregten Stimmengewirr gewichen. Koloman und der weise Myrddin schauten mich wohlwollend an, als ich ihnen mit einem kurzen Blick andeutete, dass die Tat vollbracht war.
Ich gesellte mich zu ihnen und blickte zufrieden zum Himmel. Der Schatten auf dem Mond war nicht mehr zu sehen, und auch seine rote Färbung war verschwunden.
Ihr seht nun: Ich habe im vollen Besitz meiner geistigen Kräfte wie auch im Sinne der Allgemeinheit gehandelt. Wie könnt ihr euch also anmaßen, über mich richten zu wollen?
Kopflos in Biedenkopf
RALF KRAMP
Nennen Sie mich ruhig Charly. Ich sage Ihnen, die Diagnose kam keinesfalls überraschend. Ich hatte schon seit geraumer Zeit diesen stetig ansteigenden Leistungsdruck gespürt, diese enger und enger werdende Umklammerung der knapp und knapper werdenden Zeit und der Anforderungen, die an mich gestellt wurden. Meine Arbeit ließ mir einfach keine Luft mehr zum Atmen. Ich erntete immer weniger Anerkennung für das, was ich tat. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit gewesen, dass der Arzt mir die Benennung meiner Krankheit präsentierte: Burn-out.
Ja, da staunen Sie. Ich hatte auch nicht gewusst, dass auch mich in meinem Beruf so was hatte heimsuchen können. Ich bin Auftragskiller. Mein Job hat mir immer Spaß gemacht. Eine so vielgestaltige Tätigkeit, eine so kreative Beschäftigung. Aber auch dieser Berufsstand unterliegt nun einmal den Gesetzen der Globalisierung. Anstatt auf gute deutsche Wertarbeit zu setzen, auf beste Materialien und saubere Ausführung, bestellt man sich heute mühelos per Internet einen Killer aus dem Ural, der für Dumpingpreise arbeitet. Heutzutage ist es offenbar nur wichtig, dass das Opfer mausetot ist. Die künstlerische Gestaltung dieser Auslöschung scheint niemanden mehr zu interessieren.
Mitten in die lähmende Apathie, die schleichend von mir Besitz ergriffen hatte, war dann