SOKO Marburg-Biedenkopf. Группа авторов
als das eines einfachen Holzsammlers und Viehhirten. Ihr seht, ich habe einen gewissen Rang in unserer Gemeinschaft. Niemand käme also auf den Gedanken, ich könnte den Verstand verloren haben.
So haben mich auch am Vorabend der Ereignisse Myrddin und Koloman wieder ins Vertrauen gezogen. Was der weise Schamane uns zu sagen hatte, war aber auch von größter Bedeutung für unser aller Leben: Er sagte, eine Krise würde heraufziehen. Die Götter hätten sich gegen uns verschworen und würden uns schon bald auf eine schwierige Probe stellen. Die Mächte der Natur sollten sich gegen uns wenden und die Götter würden nur durch eine Opfergabe wieder zu besänftigen sein.
Das sagte er mit einem Blick auf mich. Ich wusste sofort, dass ich dies als Aufforderung zu verstehen hatte, mich der Sache anzunehmen.
»Denkst du an jemand bestimmtes?«, fragte ich ihn unsicher, obwohl ich für meinen Teil bereits eine Entscheidung getroffen hatte.
»Das überlasse ich ganz deinem Willen«, antwortete er. »Aber wir wissen alle drei, wer aus unserer Sippe sicher nicht zum Wohlgefallen der Götter handelt.«
»Ihr Verhalten ist eine Schande für unsere gesamte Gemeinschaft«, sagte Anführer Koloman und wendete sich dann ganz offen mir zu. »Also meinen Segen hast du!«
Am nächsten Abend stand ich auf dem zentralen Feuerplatz unserer kleinen Ansiedlung und hatte bereits begonnen, Holz aufzustapeln. Später, wenn die Nacht Einzug hielt, wollten wir das Feuer entfachen, um uns daran zu wärmen und um wilde Tiere fernzuhalten. Ich schaute hinüber zu den Stallungen. Unweit der Stelle, wo auch wir Menschen des Weilers uns regelmäßig erleichterten, sah ich sie!
›Oh, Belana! Zu lange schon hast du meine Blicke auf dich gezogen. Kaum einen Mann der Sippe hast du jemals ausgelassen, nur an mir konntest du stets vorbeigehen.‹
Und wie sie ihr Fleisch an den muskulösen Körper Adairs drückte. Hatte ich sie nicht erst vor einigen Tagen mit seinem Bruder Alanus gesehen? Junge, gut gebaute Jäger in ihrer vollen Manneskraft konnten ihr wohl gefallen.
›Ich weiß schon, was du bei ihnen suchst, was du bei mir nicht zu finden glaubst. Können sie es dir geben?‹
Adair sagte etwas, worauf sie ihn herzlich anlachte. Ihr Frohsinn tat mir in der Seele weh. Warum konnte sie mir niemals so begegnen? Sie mit ihren wollüstigen Lippen, der langen Mähne und der weit offenen Karobluse, die großzügige Einblicke auf ihren vollen Busen bot, hätte jeden Mann der Sippe haben können – und vermutlich hatte sie bereits fast jeden von ihnen.
Am Nachmittag hatte ich ihr gesagt, dass wir beide in der Nacht an den Fluss wandern müssten. Sie hatte nur genickt, ahnte nichts mit ihrem allzu kindlichen Gemüt.
Ich stapelte weiter das Holz auf, aber konnte nicht anders, als immer wieder zu den beiden jungen Leuten hinüberzublicken, die sich immer näherkamen. Es brannte mir in den Augen und noch mehr auf der Seele, ihnen zuschauen zu müssen, aber dennoch konnte ich meine Blicke nicht von ihnen lassen.
Es wurde langsam dunkler, längst war das Feuer entfacht, das Nachtmahl eingenommen. Kälte schien vom Fluss heraufzuziehen, sich aller zu bemächtigen. Hier war der Ort, wo die Gemeinschaft gerne am Abend zusammenkam, um miteinander zu trinken und sich zu beratschlagen. In jener Nacht jedoch war alles anders. Kaum jemand sagte etwas. Obwohl Myrddin niemandem außer Koloman und mir von seiner Vision erzählt hatte, lag eine stille Spannung über dem Platz.
Wenngleich ich nah am Feuer saß, zog ich den überwurf enger über meinen Kittel, denn mir liefen kalte Schauer über den Rücken. Die Flammen malten zuckende Lichter auf die Gesichter der Anwesenden. Alle waren sie in jener Nacht gekommen, selbst die Schwachen und Kranken, die sich sonst schnell in ihre Hütten zurückzogen. Sogar die Schwachsinnigen waren an diesem Abend mit dabei. Obwohl alle stets streng darauf achteten, sich nur mit den Mitgliedern der Sippe zu paaren, damit unsere Linie bewahrt blieb, kam es immer wieder zu Fällen von Geisteskrankheit oder auch seltsamer körperlicher Gebrechen in unserer Gemeinschaft. Sie waren sonst eher Außenseiter und gingen ihre eigenen Wege, aber an jenem Abend schienen auch sie wie magisch angezogen von etwas Seltsamem, das in der Luft lag.
»Hört ihr?« merkte die alte Moja, die große Mutter, auf. Angsterfüllt und rastlos blickten ihre Augen in der Runde umher.
»Ja«, flüsterte Sirona, die nach der keltischen Göttin der Heilung Benannte, mit belegter Stimme. »Die Tiere geben seit einer Weile keinen Ton mehr von sich. Das ist unheimlich!«
Alle rückten noch ein kleines Stück näher zusammen. Das Gefühl der Gemeinschaft hatte etwas Wohltuendes an sich.
»Beruhigt euch!«, rief Koloman zur Ordnung auf und versuchte, seiner Stimme den Anschein von Gelassenheit zu geben. »Immerhin haben wir eine Vollmondnacht. Wir haben also beste Sicht. Es wird schon nichts passieren.«
Sehr überzeugend war er dabei nicht. Zu sehr konnte er sich an die Weissagung des alten Myrddins erinnern, den er nun auch sorgenvoll anblickte.
»Es hat begonnen«, raunte dieser mir im Brustton der überzeugung zu und teilte den anderen nun ebenfalls seine Vision mit. »Die Götter haben sich gegen uns verschworen, ich habe es gewusst!« Mit ruhiger, gefasster Stimme erzählte er den Mitgliedern der Sippe, was er Koloman und mir bereits am Vortag gesagt hatte.
Mit großem Entsetzen hörten ihm alle zu. Sein Wort hatte großes Gewicht in der Gemeinschaft. Viele Male schon hatte er mit seinen Voraussagen recht behalten.
Die Minuten verstrichen und immer mehr machte sich ein ungutes Gefühl in der Runde breit. In allen Anwesenden schien die Gewissheit aufzusteigen, dass sich Myrddins Prophezeiung einmal mehr als richtig erweisen sollte. Den ganzen Tag über hatten dunkle Wolken den Himmel verhangen, aber seit einer ganzen Weile ließen größere Lücken Mond und Sterne hervorscheinen.
»Da seht!«, schrie einige Zeit später eine junge Frau namens Meriel auf und deutete zum Himmel, »dort liegt ein Schatten auf dem Mond!«
Wir konnten es kaum glauben, aber die junge Frau hatte recht. Langsam, immer weiter und weiter, schien sich ein kreisrunder Schatten von links über den Mond zu ziehen, der an diesem Abend auch noch ganz besonders groß wirkte.
Es half nichts, ich musste das Versprechen, das ich den beiden anderen gegeben hatte, einhalten. Bald schon würde ich mit Belana zum Fluss gehen. Es gab keine andere Lösung, jetzt wo sich Myrddins Weissagung zu bewahrheiten schien.
»Oh ihr Götter!«, schrie die alte Moja. »Welcher Frevel mag euch erzürnt haben, dass ihr das Antlitz der Natur auf diese Weise entstellt. Ich habe schon so vieles erlebt, aber das ist mehr als mein Geist erfassen kann.«
Alle waren aufgestanden und schauten ungläubig zum Himmel. Selbst jene, die sonst immer zu allem viele Worte fanden, konnten, so schien es, nicht begreifen, wie ihnen geschah.
Immer weiter rückte der Schatten über dem Mond vor. Ein großer Teil seiner linken Seite war schon bedeckt und es wurde immer dunkler. Selbst das Feuer schien erlöschen zu wollen, als würde es sich den seltsamen Ereignissen ergeben. Myrddin fasste zwei Mitglieder der Sippe bei den Händen und ließ sie alle gemeinsam einen großen Kreis bilden. Bald wurden hektisch Gebete angestimmt. In dem Stimmenwirrwarr konnte ich nur einzelne, kaum verständliche Wortfetzen ausmachen.
Ich fasste Belana bei der Hand, zog sie aber aus dem Kreis der Betenden heraus.
»Komm, mein Kind, wir müssen gehen!«
»Ausgerechnet jetzt?«, fragte sie entsetzt. Natürlich bereitete ihr der Gedanke Angst, den Schutz der Gemeinschaft zu verlassen und mit mir hinaus ins Ungewisse zu gehen.
»Ja, es muss sein«, betonte ich. »Es ist etwas, das wir für uns alle hier tun müssen!«
Ein wenig musste ich sie hinter mir herziehen. Fast unbemerkt von den anderen konnten wir uns von der Feuerstelle entfernen, denn wie gebannt starrten alle zum Himmel. Nur Koloman und eine der älteren Frauen nahmen kurz Notiz von uns und schauten uns einige Augenblicke hinterher.
»Wo gehen wir denn hin?«, fragte die junge Sünderin.
»Schweig, mein Kind. Du wirst es schon sehen.«