Apostasie. Marie Albes
„Sprich Italienisch, mein Freund, ich kann dich nicht verstehen.“
„I ch kann nicht bien Italienisch, Jacopo, por eso habe ich Unterricht!“
„Du kannst die Ordensschwestern täuschen, mich nicht. Gib zu, dass der Unterricht eine Ausrede ist.“
Der Spanier runzelte für einen Moment die Stirn und fürchtete, entdeckt zu sein.
„ Na komm, gib es zu!“ Jacopo füllte ein Glas Wein und reichte es ihm. „Du gehst zum Unterricht, um eine Stunde Arbeit zu schinden! Wenn ich es richtig verstanden habe, ist es Schönauge, die dich unterrichtet, das muss angenehm sein.“
Die Schultern von José fielen herab und entspannten sich. Jacopo hatte ihn nicht hinterschaut.
„ ¿Ojos lindos? “, fragte er.
„Schwester Chiara, die Hübsche. Viele nennen sie so, weil sie so eigenartige Augen hat und ebenso bezaubernde.“
Wunderschöne , wollte José erwidern, schwieg aber.
„ Tú eres ein kluger Kerl, Jacopo. Pero yo realmente tengo que ...“ , er hielt inne, um den Satz zu übersetzen, oder tat zumindest so. „ Ich brauche algunas Unterricht.“
„Vielleicht ist es so“, schloss Jacopo und zuckte gedankenlos die Schultern. „Was hast du mich gefragt als du sagtest: ‚ Entonces‘ ?“
„Ich sagte: ‚Ja und?‘ Warum sollte ich der neue Dios del Amor sein? “
„Sei nicht bescheiden, José!“, erwiderte er und nahm sich ein Stück Käse. „Die italienischen Frauen lieben die Spanier und Ausländer. Sag mir nicht, dass du das nicht bemerkt hast“, er wies auf die vielen Speisen vor José, welcher amüsiert kicherte. „Genau, du hast es bemerkt und reitest auf dieser Welle, mein Freund. Du machst es richtig. Ich stimme dir zu. Welche hast du im Auge?“
„Was?“
„Mit welcher wirst du es versuchen, fragte ich.“
„Du meinst, ob ich eine Frau cortejar werde?“
„Umwerben, anbaggern oder wie du es nennen magst.“
José lächelte. „Nein, im Moment habe ich no tiempo für eine Beziehung.“
„Wer redet denn von einem ernsthaften Verhätnis? Ich sprach von einer Gelegenheitsbeziehung, ohne Verpflichtungen noch Probleme.“
José schüttelte belustigt den Kopf.
„Jacopo, hast du vergessen, dass wir in einem convento wohnen?“
„Technisch gesehen, leben wir außerhalb der Mauern des Klosters.“
Mit dieser Klarstellung des übermütigen Italieners fingen die beiden jungen Männer an, vergnügt zu lachen.
„In Spanien sagen wir tengo que llevarte la corriente , ich muss dir Recht geben“, erklärte José nachdem er einen Schluck Wein verköstigt hatte. „Jacopo, abgesehen vom Kloster, tú sabes que eine Gelegenheitsbeziehung, wie wie du sie nennst, zu problemas führen kann: Frauen sind immer eine Quelle für Probleme. Es ist besser, wenn ich mich für eine Weile vom sexo débil entfernt halte .“
„Gesegnet seist du, der es schafft“, schloss Jacopo das Gespräch. Jacopo richtete sich auf, um zu einem Mädchen zu gehen, das ihm in diesem Moment von weitem gewinkt hatte.
Alleine zurückgeblieben, leerte José sein Weinglas und aß weiter, dann legte er sich hin, um sich auszuruhen. Die Sonne schien warm, aber angenehm warm. Die Luft war kühl und die Bienen flogen von Blume zu Blume, um Pollen zu sammeln und zu verteilen. Sie füllten die Luft mit einem frühlingshaften Summen. Das Land war auf jeden Fall anders als das Meer. Er hatte beinahe vergessen, dass es wertvolle Gaben barg, welche die Menschen kaum wahrnahmen.
Er dachte eine Zeit lang an die Natur und die Welt. Schließlich wanderten seine Gedanken einen Schritt zurück zu den Worten von Jacopo über die Frauen, die ihn vergötterten.
Ja, er hatte keine Zeit für eine Beziehung. Eine wenig erzwungene Keuschheit zu überleben, war sicher keine Tragödie. Dadurch würde er sich von lästigen Problemen fern halten, die in entzückenden Röcken gekleidet waren. Sie entstanden immer dann, wenn er sich in die Arme von einer Pandemia und Eros warf.
Vielleicht war er aus diesem Grund froh, mit dem Mädchen mit den bezaubernden Augen die Zeit zu verbringen. Obwohl sie nett und hermosa war, blieb sie stets eine Nonne und würde sich als solche nicht in ihn vergucken.
Genauso wie er sich nicht in eine Frau wie sie verliebt.
Wie behaglich sind die Zuverlässigkeiten des Lebens: Sie verleihen dir Stärke und Sicherheit - zumindest für einen Augenblick.
* * *
José sah auf die Uhr: Es war drei Uhr vierzig nachmittags, so dass er sich den Rucksack aufsetzte und in Richtung Kloster ging, wo er den Italienischunterricht besuchen würde.
Er mochte Sprachen, um in der Lage zu sein, mit anderen Menschen mit den richtigen Worten zu kommunizieren. Jemand anderes an seiner Stelle hätte es als verschwendete Zeit betrachtet, ihm hingegen gefiel es. Obwohl er ein gutes italienisches Basiswissen hatte (ein Detail, das der verdrießlichen Nonne nicht entgangen war), wollte er sich das Verbessern seiner Aussprache und die kostenlose Spracherweiterung nicht entgehen lassen.
Sobald er in den Hof des Klosters kam, wurde ihm bewusst, dass er nicht wusste, wo die Bibliothek war. Das Institut war ausgesprochen groß. Für jemanden wie ihm, der wenig gläubig war und im Grunde nie in einem Kloster gewesen war, glich es einem Labyrinth.
Er ging nach links, nach rechts und hielt eine Nonne an, um nach der Lage des Raums zu fragen. In jenem Moment zeigte ihm jemand anderes unbeabsichtigt den Weg.
Ohne seine Gegenwart zu bemerken, sah er Chiara aus einer Tür herauskommen, während sie sich ein paar große Bücher an die Brust gedrückt hielt. Er lief ihr hinterher, als sie nach rechts bog, wahrscheinlich in die Bibliothek.
Er hielt ein Abstand, da er nicht wollte, dass sie sich nachgeschlichen fühlte. Schließlich folgte er ihrem Schatten und beobachtete sie auf diese Weise aus der Ferne.
Sie bewegte sich ausgesprochen elegant trotz ihres Nonnengewands. Es war fesselnd, ihrer Unschuld als Nonne zuzusehen, im völligen Widerspruch zu ihrer verführerischen Weiblichkeit.
Unterdessen beobachtete nicht weit entfernt Schwester Costanza José, wie er seinerseits Chiara beobachte. Sie rümpfte die Nase und war empört. Sie war überzeugt, dass ein Kloster nicht von einem verführerischen Mann besucht werden sollte (welch gotteslästerliches Adjektiv), wie es jener Spanier war.
José fühlte sich auf einmal eigenartig, ohne den Grund zu kennen. A ls er in das Zimmer voller Bücher kam, sah er Chiara an einem Tisch in der Mitte des Raumes sitzen. Für ein paar Sekunden hielt er den Atem an und das verärgerte ihn. Verlegen schüttelte er den Kopf und näherte sich der Nonne, die in den Büchern blätterte.
„ Buenas tardes, se ñ orita “ , grüßte er als er sich ihr gegenüber setzte. Kaum hörte sie seine Worte, lächelte sie.
Donnerwetter, war Chiara hübsch!
„Zuallererst ist es nicht richtig, eine Nonne se ñ orita zu nennen.“ Ihre Stimme war weich, nicht beleidigt und völlig anders als jene von Schwester Costanza oder der Oberin. „Reden Sie nicht die anderen Ordensschwestern damit an oder sie könnten sie verärgern!“
Chiaras Gesicht zeigte einen Ausdruck der Freude bei dem Gedanken an die Äbtissin, hätte