Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch. Walther Kabel

Harald Harst Krimis: Über 70 Kriminalromane & Detektivgeschichten in einem Buch - Walther Kabel


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ein Stück Papier, der Teil einer Druckseite, den ich diesem Briefe beifüge. Da meine Frau dies Stück Papier in der Schublade bestimmt nicht zurückgelassen hat, nehme ich an, daß die unerlaubten Gäste es liegen gelassen haben. – Inspektor Booger meinte nun, Sie würden nach Ihrer Genesung wohl nach Christiania kommen, und deshalb hat vielleicht dieses Stück Druckseite für Sie Interesse.

      Mit vorzüglicher Hochachtung

      Ihr ergebener

      Eugen Schradler.

      Ich suchte nun in dem Umschlag nach dem Papierstück.

      Ein Blick genügte mir: es war ein Stück von einer Seite aus Band 68 dieser Sammlung – aus unserem Abenteuer „Der Klub der Zuchthäusler“, also etwas, das ich selbst geschrieben hatte, und zwar gerade ein Kapitelanfang, in dem ich eine Bemerkung über Haralds geniale Art, schwierige Probleme zu lösen, eingeflochten hatte. –

      Inzwischen war Harald mit Frau Lotte Rupertis Brief ebenfalls fertig geworden.

      Ich gab ihm nun Schradlers Schreiben und das Papierstück.

      „Hm,“ meinte er dann, „was meinst Du, ob es nicht lohnen dürfte, die Nachkur noch in Christiania fortzusetzen?“

      Er kniff lächelnd das eine Auge zu.

      „Meine Mutter wird zwar entsetzt sein, aber – dieser Fall Olavsen lockt doch zu sehr, obwohl ich an einen Mord niemals glaube. Weshalb sollte man Olavsen ermordet haben?! Gibt es einen besseren, gütigeren, harmloseren Menschen als ihn?! Und ausgerechnet in einem Fischerdörfchen soll er in einen Hinterhalt gelockt worden sein, wo doch nur biedere, einfache Leute wohnen, denen Olavsen als Arzt fraglos ein Wohltäter war!“

      „Bitte – in dem Dorfe befindet sich doch auch ein Villengrundstück.“

      „Allerdings. Und dem Besitzer dieser Villa werden wir natürlich etwas auf den Zahn fühlen –“ – Er schwieg eine Weile und starrte auf das Stück bedrucktes Papier – auf den Kapitelanfang aus Band 68. – „Seltsam!“ meinte er dann. „Erst die Schwester, nun der Bruder, – und Doktor Hans Ruperti noch immer frei!“

      Er deutete hier etwas an, das auch bei mir bereits als leiser Verdacht lebendig geworden.

      „Ruperti könnte dahinter stecken!“ warf ich mit besonderer Betonung hin.

      „Mit demselben Recht könntest Du Schradler oder den Vater Frau Lottes verdächtigen,“ erwiderte er sinnend. „Mit genau demselben Recht. Hast Du denn irgend einen Anhaltspunkt dafür, daß Ruperti sich aus irgend welchen Gründen an Olavsen herangemacht haben könnte?!“

      „Nein. Das nicht –“

      Er schaute nach dieser meiner Antwort auf, blickte mich eigentümlich an und erklärte:

      „Und doch gibt es hierfür einen Anhaltspunkt –“

      „Der wäre?!“

      „Du hast ihn selbst geliefert –“

      „Ich?!“

      „Ja, lieber Alter: Du! – Wenn Du nicht selber darauf kommst, wirst Du Dich noch gedulden müssen. – Morgen früh reisen wir. Du bist so gut, alles Nötige vorzubereiten. Übermorgen um 9 Uhr vormittags sind wir dann in Christiania.“

       Der Anfang der Spur

       Inhaltsverzeichnis

      Wir waren in Christiania in einem kleinen Hotel in der Drottninggatan abgestiegen. Abends gegen sieben Uhr machten wir uns dann auf den Weg zu Reeder Balnör, bei dem wir uns telephonisch mit der Bitte angemeldet hatten, von unserem Besuch niemandem etwas mitzuteilen. Unsere Anwesenheit in Christiania sollte eben geheim bleiben. Deshalb hatten wir in dem Hotel auch andere Namen angegeben.

      Balnörs bewohnten die erste Etage ihres großen, würdigen Patrizierhauses. Man merkte hier sofort, wie reich Herr Balnör sein mußte.

      Nach dem gemeinsamen Abendessen, an dem das Ehepaar Balnör, Frau Lotte und der einzige, ebenfalls schon erwachsene Sohn teilnahmen, zogen wir uns mit dem Reeder und Frau Lotte in das Arbeitszimmer des Hausherrn zurück, saßen nun gemütlich um einen ovalen Tisch herum, tranken einen leichten Punsch und rauchten tadellose Zigarren – wenigstens Balnör und ich. Harald und Frau Lotte hatten Zigaretten vorgezogen.

      Harst erzählte nun zunächst, daß wir heute bereits draußen im Dorfe Söndar am Fjord gewesen seien, wo wir dem Villenbesitzer Blosmer einen Besuch abgestattet hatten.

      „Der Mann ist ohne Frage ganz harmlos,“ meinte Harald. „Um nun Doktor Olavsens Verschwinden auf meine Art aufklären zu können, möchte ich über einiges Aufschluß erhalten, was vielleicht nach Ihrem Dafürhalten, Herr Balnör mit der Sache selbst nichts zu tun hat. – Zunächst: Ihre Tochter hat die Scheidung ihrer Ehe mit Ruperti bereits beantragt, wie vorhin bei Tisch angedeutet wurde –“

      „Ja. Die deutschen Gerichte machen uns jedoch viele Schwierigkeiten.“

      „Und – wenn die Ehe geschieden ist, gnädige Frau,“ wandte er sich an Frau Lotte, „gedachten Sie dann eine neue Ehe einzugehen? – Verargen Sie mir diese delikate Frage nicht. Ein Detektiv ist wie ein Beichtvater: was ihm anvertraut wird, bleibt Geheimnis! – Ich glaube, Ihnen auch eine Antwort ersparen zu können. Nicht wahr: Doktor Olavsen bewirbt sich um Sie?“

      Frau Lotte nickte nur.

      Nach kurzer Pause fragte Harald dann:

      „Haben Sie von Ruperti inzwischen irgend ein Lebenszeichen erhalten?“

      „Wie kommen Sie darauf – gerade darauf?!“ rief sie verwirrt.

      „Weil es nach dem, was ich weiß und was ich zu wissen glaube, sehr naheliegt.“

      Herr Balnör hatte sich vorgebeugt und meinte nun völlig sprachlos: „Ein Lebenszeichen?! Aber Herr Harst, das ist doch wohl ausgeschlossen!“

      Die blonde Frau Lotte war sehr rot geworden und hatte den Kopf tief gesenkt.

      „Oh – ausgeschlossen ist das durchaus nicht, Herr Balnör,“ sagte Harald nun. „Ein Mann wie Ruperti traut es sich wohl zu, ein Weib durch Briefe nochmals zu umgarnen –“

      Der Reeder sprang auf.

      „Lotte, es scheint fast so, als hätte Herr Harst recht! Dein Gesicht ist –“

      Sie begann plötzlich zu schluchzen.

      „Ja – ich habe zwei Briefe von ihm bekommen,“ erklärte sie ängstlich. „Beide aus Kopenhagen, den einen am 29. April, den anderen am 2. Mai. Beide Briefe steckten in Umschlägen mit Firmenaufdruck und waren mit Maschine geschrieben, trugen weder Ort, Datum noch Unterschrift, konnten aber dem Inhalt nach nur von – von ihm herrühren, da er mich in dem ersten um Verzeihung anflehte und sich vor mir zu rechtfertigen suchte, während er in dem zweiten etwa dasselbe schrieb, nur noch leidenschaftlicher und mit Ausdrücken, die eine starke Sehnsucht nach unseren Kindern verrieten. Er beschwor mich, niemandem etwas von den Briefen zu verraten und betonte, daß ich als sein Weib verpflichtet sei, ihn vor den Gerichten zu schützen, damit unsere Kinder nicht einen Zuchthäusler oder einen durch Henkershand Gestorbenen zum Vater hätten. – In beiden Briefen beteuerte er auch seine Unschuld, was Thora Olavsens Tod anbetraf, und behauptete, Thora hätte sich selbst durch einen Sturz von einem Abhang bei Saßnitz getötet. – Ich schenkte diesen Beteuerungen keinen Glauben, verbrannte die Briefe und suchte sie aus meinem Gedächtnis zu streichen –“

      „Sollten Sie ihm antworten?“ fragte Harald.

      „Ja. Aber erst im August. Er wollte mir noch mitteilen, wohin ich schreiben sollte. Ich hätte es nie getan – nie! Er hat keine Gewalt mehr über mich! Nur – nur kann niemand von mir verlangen, daß ich mithelfe, ihn der Polizei irgendwie in die Hände zu spielen. Das – das widerstrebt mir


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