STARS AND STRIPES (Black Stiletto 3). Raymond Benson

STARS AND STRIPES (Black Stiletto 3) - Raymond Benson


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es zu Ende las, fühlte ich mich nicht genötigt, mehr zu erfahren. Nachdem ich aus New York zurückgekehrt war, wollte ich am liebsten alles vergessen, was die Black Stiletto betraf, und mich einfach um meine Angelegenheiten kümmern, so als wäre meine Mutter einfach nur Judy Talbot gewesen, als die ich sie kannte.

      Doch dann begannen die wiederkehrenden Albträume, die Panikattacken stellten sich immer häufiger ein und ich befand mich in einem Zustand andauernder Unruhe.

      Obwohl ich es eigentlich besser wusste, dachte ich mir, dass es vielleicht an der Zeit wäre, mehr über die Vergangenheit meiner Mom in Erfahrung zu bringen. Vielleicht würde das meine Ängste mindern.

      Als ich zuhause ankam, bestellte ich mir eine Pizza und begab mich dann in mein behelfsmäßiges Heimbüro. Die Tagebücher und die Schatulle hatte ich ganz hinten in einem Aktenschrank versteckt, begraben unter Aktenordnern. Alles andere – das Kostüm, das Messer, die Pistolen, die Andenken – lagen in einem Bankschließfach. Dort, wo diese Dinge hier sich eigentlich auch besser befinden sollten. Ich behielt sie nur deshalb in meiner Nähe, falls mich meine Neugier wieder zu der Geschichte meiner Mutter zurückziehen sollte, was ich jedoch überaus beunruhigend empfand.

      Ich holte die Schatulle hervor und schloss sie mit dem Schlüssel auf, den ich in meiner Schublade aufbewahrte. Das Geheimnis einer der Andenken hatte ich bereits gelüftet – das der 8mm-Filmrolle. Damit blieben aber immer noch die Anstecknadel der Präsidentschaftswahlen, das herzförmige Medaillon und der goldene Schlüssel. Ich nahm die Anstecknadel heraus und untersuchte sie. Er stammte ganz offensichtlich aus dem Jahre 1960, denn das Gesicht des Präsidentschaftskandidaten der Demokraten und des Anwärters auf das Vizepräsidentenamt waren darauf zu sehen. »Kennedy/Johnson« lautete der Aufdruck.

      Ich griff unter die Ordner, tastete nach dem dritten Tagebuch, welches aus eben diesem Jahr stammte, und zog es heraus. Dann verschloss ich die Schatulle, verstaute sie wieder im Schrank und schob die Schublade zu. Das Tagebuch nahm ich mit ins Wohnzimmer und setzte mich in meinen gemütlichen Sessel.

      Ich atmete tief durch, kämpfte gegen das Unbehagen an, das mir den Rücken hinaufkroch. Das würde schmerzhaft werden, aber ich konnte es auch nicht länger vor mir herschieben.

      Ich öffnete das Tagebuch, begann zu lesen und tauchte erneut in die Welt der Black Stiletto hinab.

      2| Judys Tagebuch 1960

       1. Januar

      Guten Morgen, liebes Tagebuch. Oder sollte ich besser einen guten Nachmittag wünschen? Ich habe bis weit nach Mittag geschlafen und habe einen Mordskater. Mannomann. Mir geht es echt mies. Aber es war eine tolle Party, denke ich. Zumindest der Teil, an den ich mich noch erinnern kann, haha.

      Nachdem ich letzte Nacht hinuntergegangen war, floss der Champagner in Strömen. Ich machte auch den Fehler, ein paar Jack Daniels mit Cola zu trinken. Gegen Mitternacht drehte sich das Gym bereits vor mir. Aber mir wurde nicht schlecht. Ich erinnere mich nicht mehr, wie ich es in mein Zimmer geschafft habe, aber irgendwie muss es mir wohl gelungen sein.

      Das Einzige, woran ich mich noch erinnern kann, ist das, was Lucy mir kurz vor zwölf verraten hat. Sie und Peter haben einen Hochzeitstermin. Irgendwann im Mai, aber den exakten Tag habe ich wieder vergessen. Sie bat mich, ihre Trauzeugin zu werden, und ich bin mir ziemlich sicher, als Antwort gelallt zu haben: »Das mache isch liebend gern, Luuschie!«

      Meine Güte, und schon haben wir 1960. Ich kann es kaum glauben. Ein neues Jahrzehnt. Was wird es für uns bereithalten? Welche Veränderungen wird es mit sich bringen? Eine ganze Menge, oder gar keine? In diesem Jahr wird ein neuer Präsident gewählt werden. Das wird das erste Mal sein, dass ich wählen darf. Nun, genau genommen war ich auch schon ´56 alt genug, aber da ging ich nicht zur Wahl. Keine Ahnung, wieso. Damals war ich wohl zu jung, um mich für so was zu interessieren, schätze ich. Ein neuer Präsident bringt immer ein paar Veränderungen mit sich, oder nicht? Jetzt, wo ich so darüber nachdenke, gibt es gerade eine Menge Dinge, denen eine Veränderung guttun würde. Auf der ganzen Welt gibt es einige Probleme. Die Kommunisten in Russland machen uns große Sorgen. Sie haben Bomben, und wir haben Bomben. Jetzt, wo Kuba ebenfalls von Kommunisten regiert wird, machen sich die Leute natürlich Sorgen, weil die Gefahr so nah ist. Wird es zu einem Krieg kommen? Gott, ich hoffe nicht. Und sie trainieren Astronauten für einen Flug in den Weltraum. Ob wir zum Mond fliegen werden oder sogar zum Mars? Wäre das nicht toll? Und hier in Amerika wird auch bald die Bombe platzen. Die Schwarzen fordern gleiche Rechte ein. Ob Dr. King diese Menschen zum Sieg führen kann? Ich hoffe, dass es nicht gewaltsam endet.

      Nun, mein Magen sagt mir, dass ich mir darüber erst einmal keine Sorgen machen soll. Ich muss in die Küche und etwas essen, bevor mir doch noch schlecht wird. Vielleicht etwas Toast und Orangensaft. Ich bin nur nicht sicher, ob ich schon ein paar Eier vertrage.

      Tja, Judy, dann wirf dir mal deine Robe über und lass dich sehen. Ich glaube nicht, dass noch mehr Schönheitsschlaf einen wesentlichen Unterschied machen wird, haha!

       Später

      Es ist beinahe wieder Mitternacht und ich bin gerade erst aus dem Bellevue Hospital zurückgekehrt.

      Oh mein Gott, Freddie hatte heute einen Herzinfarkt! Liebes Tagebuch, ich mache mir solche Sorgen. Der Doktor sagt zwar, dass er wieder ganz gesund wird, aber ich habe Freddie noch nie so fertig gesehen. Ich schwöre, ich dachte, er würde in meinen Armen sterben.

      Als ich vorhin eine Pause eingelegt habe, ging ich in die Küche, um mir ein Frühstück zu machen. Freddie saß mit einer Zeitung am Tisch und vor ihm stand ein Teller voller Rührei, das er nicht angerührt hat. Es war bereits kalt. Ich weiß nicht, wie lange es da schon stand, aber es mussten einige Stunden gewesen sein. Freddie war kreidebleich und hielt sich einen Arm vor die Brust. Seine Stirn lag in Falten und es schien ihm nicht gutzugehen.

      »Freddie? Stimmt was nicht?«

      Er schüttelte nur den Kopf. »Ich muss gestern wohl zu viel getrunken haben. Ich hab fürchterliches Sodbrennen.«

      Freddie hatte niemals einen Kater. Er hatte die Fähigkeit, Alkohol wie Wasser in sich hineinkippen zu können und dabei noch ein paar Päckchen Zigaretten zu rauchen. Es machte ihm nie etwas aus.

      »Hast du schon eine Alka-Seltzer genommen?«, fragte ich auf dem Weg zum Kühlschrank, um den Orangensaft zu holen.

      »Wir haben keine.«

      »Mist. Wieso hast du mich dann nicht geweckt, Freddie? Ich lauf schnell los und hol dir welche.« Ich goss mir ein Glas Saft ein und sah zu ihm zurück. Da wurde mir klar, dass er ernsthaftere Probleme als nur Sodbrennen hatte. Freddie krümmte sich vor Schmerzen und brachte keine Antwort heraus.

      »Freddie!«

      Dann verschlimmerte sich sein Gesichtsausdruck. Er riss die Augen auf und schnappte nach Luft. Mit einer Hand klammerte er sich am Tisch fest, während er aufzustehen versuchte. Weit kam er jedoch nicht. Ich stellte meinen Saft ab und eilte zu ihm – gerade noch rechtzeitig, um ihn aufzufangen, als er in meine Arme fiel.

      »Freddie!«

      Vorsichtig legte ich ihn auf den Küchenboden. Er wandte sich vor Schmerzen hin und her und atmete nur noch flach. Wenn er versuchte zu sprechen, brachte er nur erstickte Laute hervor.

      »Ich rufe einen Krankenwagen!«

      Ich wollte ihn nicht allein zurücklassen, aber ich musste es tun. Das Telefon befand sich auf der anderen Seite der Küche. Ich rannte hinüber und wählte die Nummer der Vermittlung. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis ich richtig verbunden wurde und damit herausplatzen konnte, wohin sie fahren sollten. Nachdem ich aufgelegt hatte, lief ich zu Freddie zurück. Er atmete jetzt etwas besser, aber seine Augen waren wässrig, und aus seiner Haut war sämtliche Farbe gewichen. Der unmittelbare Notfall schien aber bereits vorüber zu sein.

      »Versuche dich zu entspannen, Freddie, der Krankenwagen ist bereits unterwegs«, beruhigte ich ihn. Während wir warteten, betete ich darum, ihn nicht zu verlieren. Nicht Freddie – meinen Ersatzvater,


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