STARS AND STRIPES (Black Stiletto 3). Raymond Benson

STARS AND STRIPES (Black Stiletto 3) - Raymond Benson


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anzusehen. Sie nennen sie Cheongsams. Das weiß ich deshalb, weil es an einem der Läden auch in englischer Schrift angeschrieben stand. Es gab alle erdenklichen Sorten von Sandalen und Tüchern. Ich beschloss, eines Tages noch einmal hierher zu kommen – dann aber nicht als Stiletto! – und mir etwas zu kaufen. Das war alles sehr hübsch. Ich konnte Freddies Gesicht förmlich vor mir sehen, wenn ich eines Abends komplett in Seide gehüllt in seine Küche stolzieren würde.

      Während ich meine Erkundungen fortsetzte, hörte ich die Stimmen der Menschen auf den Straßen und aus den Bars und Restaurants hallen. Ihre Sprache war melodiös und ihr Lachen ansteckend. Auf gewisse Weise ähnelte es dem Japanischen, das Soichiro sprach, unterschied sich aber auf der anderen Seite auch wiederum sehr davon. Es glich noch mehr einem Singsang, denn die Chinesen zogen die Vokale weiter in die Länge. Zumindest dachte ich, dass das ihre Vokale waren, aber woher sollte ich es auch genauer wissen?

      Als ich die Bayard Street erreichte, reichte es mir. Noch länger in der Kälte und ich würde zur Black Icicle erstarren, haha. Ich überquerte die Mott Street und bog links auf die Elizabeth ab. Das dunkle Schaufenster einer Ladenzeile fiel mir ins Auge. Es war voller Spielzeug und Puppen. Es war eigenartig, Puppen mit asiatischen Gesichtern zu sehen. Das kannte ich so nicht. Die weiblichen Puppen waren ebenfalls in Cheongsams gehüllt. Die Jungspuppen trugen weite Hosen und lange Jacken mit hohen, steifen Kragen. Puppen in Mao-Kleidung, stand auf einem kleinen Schild in Englisch und Chinesisch. Da begriff ich, dass es sich bei ihnen um Nachbildungen von Mao Tse-Tung handelte! Ob das schon als kommunistische Propaganda durchging? Wahrscheinlich nicht. Das hier war Amerika, und letzten Endes handelte es sich dabei schließlich nur um Kinderspielzeug.

      Während ich vor dem Schaufenster stand, hielt direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite ein Wagen am Randstein an. Schnell huschte ich in einen dunklen Häusereingang und kauerte mich dort zusammen, wo mich niemand sehen konnte. Die New Yorker Cops waren noch immer auf der Suche nach mir und ich durfte nicht zu viele Risiken eingehen. Aber während ich darüber nachdachte, fiel mir auf, dass ich während meines Streifzuges durch Little Italy und Chinatown noch keinen einzigen Polizisten gesehen hatte. Normalerweise kann ich nachts kaum vor die Tür, ohne wenigstens einem Streifenwagen zu begegnen.

      Das Fahrzeug auf der anderen Straßenseite war ein schwarzer Buick. Er sah blitzblank und nagelneu aus. Mit Autos kenne ich mich nicht besonders gut aus, aber es genügt. Dieser Wagen gehörte jemand Wohlhabendes. In dem Fahrzeug saßen zwei Männer, der Fahrer und ein Beifahrer. Der Wagen hatte direkt vor dem Lee-Noodle-Restaurant gehalten. In dem Laden brannte noch Licht, aber ich konnte drinnen nichts erkennen, weil einer von diesen dekorativen asiatischen Raumteilern vor dem Fenster stand.

      Solange die Männer dort in dem Wagen saßen, wollte ich mein Versteck nicht verlassen, also wartete ich. Nach einer Weile stieg der Beifahrer aus dem Auto. Er war ein Chinese, vielleicht zwanzig oder dreißig Jahre alt. Es ist schwierig, das Alter von Asiaten zu schätzen. Der Mann trug einen schweren Mantel, aber keinen Hut. Zielstrebig hielt er auf die Eingangstür des Restaurants zu und versuchte sie zu öffnen. Sie war verschlossen, der Laden hatte also bereits geschlossen. Laut hämmerte er an die Tür. Und dann noch einmal. Schließlich erschien ein älterer chinesischer Mann. Der Neunankömmling bellte ein paar Worte. Er klang wütend. Der ältere Mann schloss die Tür auf und ließ ihn herein. Beide verschwanden. Der Motor des Wagens lief unterdessen weiter. Auspuffgase stiegen hinten aus dem Fahrzeug und erzeugten einen dicken, grauen Nebel, der die Straße füllte.

      Es wurde von Minute zu Minute kälter, und ich erinnere mich noch, wie ich bei mir dachte, dass sich der Kerl im Restaurant besser beeilen sollte, damit ich nach Hause gehen und mir eine heiße Schokolade machen konnte.

      Und dann hörte ich die vier Schüsse, gefolgt vom Schrei einer Frau.

      Ich zögerte keine Sekunde. Blindlings rannte ich über Straße, umrundete das Auto im Leerlauf und stürmte durch die Tür, die er ältere Mann unverschlossen gelassen hatte. Ich betrat ein kleines Restaurant, wo sich mir ein schrecklicher Anblick bot. Der alte Mann lag zwischen zwei Tischen auf dem Rücken. Auf seinem weißen Hemd prangten zwei schwarz-rote Einschusslöcher und Blut lief ihm über die Brust. Ein anderer Chinese, ebenfalls grauhaarig, hing zusammengesunken über einem der Tische. Auch er war erschossen worden.

      Der Beifahrer aus dem Auto wirkte aus der Nähe jünger. Er schien eher Anfang Zwanzig zu sein. Seine Pistole hielt er auf eine verängstigte Frau und einen Jungen im Teenageralter gerichtet. Beide ebenfalls Chinesen. Angsterfüllt klammerten sich die beiden aneinander. Die Frau weinte und stammelte etwas in ihrer Sprache. Es war eindeutig, dass der Gangster auch sie erschießen wollte.

      Der Schütze bemerkte mich und schwenkte die Waffe in meine Richtung. Ich reagierte sofort mit einem Yoko-Geri – einem Seitwärtstritt – und entwaffnete meinen Gegner. Das überraschte ihn, und ich gab ihm nicht die Gelegenheit, zu reagieren. Ich trat auf ihn zu, um ihm einen schallenden Schlag gegen den Kiefer zu verpassen. Sein Kopf schnellte als Reaktion darauf zurück, aber er fiel nicht nach hinten um. Ich wechselte sofort meine Angriffstechnik und holte mit der Linken zu einem Schlag aus, doch er wehrte ihn geschickt mit einem Harai-Te ab, einer schwungvollen Handbewegung, die meine Attacke kraftvoll zur Seite ablenkte. Noch bevor ich wirklich verstand, was soeben passiert war, spürte ich einen gewaltigen Schmerz in meiner Magengrube. Er hatte mich getreten! Und dann, während ich noch dabei war, mich zusammenzukrümmen, ließ er drei schnelle und harte Hiebe auf mein Gesicht niederprasseln. Eine Schlagabfolge, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Unnötig zu erwähnen, dass ich davon zu Boden ging.

      Die Frau schrie nun noch lauter.

      Der bewaffnete Killer wollte hinausstürmen, doch dazu musste er an mir vorbei. Ich war noch so geistesgegenwärtig, mein Bein in die Höhe zu reißen, als er über mich sprang. Er stolperte, krachte in einen Tisch und riss die Tischdecke und Gewürze hinunter.

      Dann hatten wir auch schon Gesellschaft bekommen – der Fahrer des Wagens hatte das Restaurant betreten. Auch bei ihm handelte es sich um einen jungen Chinesen. Während sein Kumpel sich aufrappelte, hielt dieser direkt auf mich zu. Ich rollte mich ab und sprang auf die Beine, als er mich auch schon mit Martial-Arts-Techniken traktierte, die unvorstellbar für mich waren. Liebes Tagebuch, ich hatte einen schwarzen Gürtel in Karate und Judo erlangt, aber diese beiden Kerle hatten etwas ganz anderes auf dem Kasten. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, muss es wohl der Unterschied zwischen chinesischer und japanischer Martial-Arts gewesen sein. Doch was immer es auch war – ich war ihnen unterlegen.

      Aber ich hielt mich wacker. Die nächsten dreißig Sekunden bestanden aus einem Hagel von Abwehrschlägen, Frontal- und Seitwärtstritten und meinen Halbmond-Kicks, von denen einer den zweiten Mann schließlich auf die Bretter schickte. Judo-Würfe waren unmöglich, dafür kam ich einfach nicht nahe genug an meine Gegner heran. Sie besaßen die Fähigkeit, mich immer wieder mit schnellen Schlägen und Tritten einzudecken, und es tat verdammt weh. Ich tat mein Bestes, ihre Manöver vorauszuahnen, wie es Soichiro mir beigebracht hatte, doch kaum etwas davon funktionierte. Es schien, als wäre ihre Technik eigens dafür entwickelt worden, es mit meiner aufnehmen zu können. Die beiden Männer bewegten sich ungeheuer schnell und setzten dabei ihren gesamten Körper aufs Akrobatischste dafür ein, mit ihren Fäusten, Handflächen und Füßen schmerzhafte Treffer landen zu können.

      Es dauerte nicht lange, bis sie mich gegen eine Wand getrieben hatten. Ich gab alles, um mich zu verteidigen, aber ich verlor. Erst jetzt hatte ich Gelegenheit, sie mir etwas genauer anzusehen. Die Wange des Schützen, links von mir, war mit Pockennarben übersät, und von seinem linken Mundwinkel zog sich eine Narbe über sein Kinn. Der andere Kerl war unscheinbarer, aber ich bemerkte, dass er im Gegensatz zu den meisten Chinesen blaue anstatt brauner Augen besaß.

      Sehr viel mehr Schläge konnte ich nicht mehr einstecken, also griff ich nach meinem letzten Strohhalm – ich zog mein Stiletto und streckte ihnen die Spitze entgegen. Nun arbeiteten beide Männer als Team zusammen. Pockengesicht deutete einen Tritt an, also bereitete ich mich darauf vor, diesen abzuwehren, aber es war Blauauge, der tatsächlich nach mir trat, was ich nicht kommen sah. Sein Tritt schlug mir das Messer aus der Hand und ließ es durch den Raum segeln. Dann holte Pockengesicht zu einem Tritt aus, der dem Ushiro-Geri ähnelte, den ich kannte,


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