Frauenwahlrecht. Группа авторов

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verhältnismäßig spät in den Kampf um das Frauenwahlrecht eingestiegen, wird nach einer Re-Lektüre der Quellen deutlich, dass hier die Bewegung um 1900 selbst den Interpretationsrahmen vorgegeben hat, den spätere Forscherinnen dann unreflektiert übernommen haben. Als Beispiel kann exemplarisch auf den bereits erwähnten Artikel von Anna Lindemann aus dem Jahr 1913 verwiesen werden. Sie beginnt ihren Artikel mit den Worten: »Spät, viel später als die Frauen anderer uns nah verwandter Nationen, haben sich die deutschen Frauen eine Organisation geschaffen zur Erringung ihrer politischen Gleichberechtigung.«45 Diese Aussage findet sich auch in anderen zeitgenössischen Schriften immer wieder, interessanterweise bereits seit dem Beginn der Wahlrechtsdebatten seit Mitte der 1890er Jahre. Auch Helene Lange schreibt 1896 in ihrer frühen Arbeit zum Frauenstimmrecht, dass der Zeitpunkt des Eintretens für das Frauenstimmrecht in jeder Nation ein anderer sein wird, um dann fortzufahren: »… daß endlich Deutschland mit seiner lastenden Büreaukratie, seinem Schematismus und Militarismus in dieser Frage am allerweitesten zurück ist.«46 Fast schon überflüssig zu erwähnen, dass 1902 in Die Frauenbewegung, dem Blatt von Minna Cauer, über die Gründung des Deutschen Vereins für Frauenstimmrecht geschrieben wurde: »Auch Deutschland braucht nunmehr nicht als einziges Land ohne Stimmrechtsbewegung beiseite zu stehen auf dem Internationalen Stimmrechtskongreß der Frauen, der […] in Washington abgehalten wird.«47 Bei dieser gleichlautenden Argumentation drängt sich die Frage auf, was mit dieser Verlautbarung eigentlich erreicht werden sollte. Denn den damaligen Aktivistinnen dürfte klar gewesen sein, dass von einer Verspätung der deutschen Frauenstimmrechtsbewegung chronologisch gesehen nicht die Rede sein konnte, denn andere Länder wiesen keineswegs generell früher eine organisierte Frauenstimmrechtsbewegung auf.48

      Es können an dieser Stelle nur erste Hinweise und Überlegungen erfolgen. Doch schon jetzt lässt sich erahnen, dass die Geschichte des Kampfes um das Frauenwahlrecht und der Beitrag der Frauenbewegung daran auf der Basis einer Re-Lektüre zentraler Quellen neu erzählt werden müsse. Dies wär auch dringend geboten, denn bisher ist der Kampf der deutschen Frauenbewegung um die Demokratie in Deutschland zu wenig in den historischen Standardwerken bedacht worden. Die Frauenbewegung als politische Kraft, als soziale Bewegung, die auf dem Weg zur Politisierung und Demokratisierung der deutschen Gesellschaft eine wichtige Rolle spielte, in dem sie die Auswirkungen der unhinterfragten Geschlechterdifferenz auf Politik und Gesellschaft thematisierte, könnte so wieder sichtbar werden.

      1Ute Rosenbusch, Der Weg zum Frauenwahlrecht in Deutschland, Baden-Baden 1998.

      2Z.B. Bärbel Clemens, »Menschenrechte haben kein Geschlecht!«. Zum Politikverständnis der bürgerlichen Frauenbewegung, Pfaffenweiler 1988; Christl Wickert (Hg.), »Heraus mit dem Frauenwahlrecht«. Die Kämpfe der Frauen in Deutschland und England um die politische Gleichberechtigung, Pfaffenweiler 1990; Ute Gerhard, Unerhört. Die Geschichte der deutschen Frauenbewegung, Reinbek 1990; Barbara Greven-Aschoff, Die bürgerliche Frauenbewegung in Deutschland 1894–1933, Göttingen 1981.

      3Angelika Schaser, Zur Einführung des Frauenwahlrechts vor 90 Jahren am 12. November 1918, in: Feministische Studien 27 (2009), H. 1, S.97–110.

      4Gisela Bock, Das politische Denken des Suffragismus: Deutschland um 1900 im internationalen Vergleich, in: dies., Geschlechtergeschichte der Neuzeit. Ideen, Politik, Praxis, Göttingen 2014, S. 168–203, hier S. 170.

      5Ebd., S. 171.

      6Zu der von Bock untersuchten Forschungsliteratur siehe Fußnote 2.

      7Bock, Das politische Denken des Suffragismus, S. 201.

      8Zu England vergleiche: Elizabeth Crawford, The Women’s Suffrage Movement in Britain and Ireland. A Regional Survey, London 2013; zu den USA: Sally Gregory McMillen, Seneca Falls and the Origins of the Women’s Rights Movement, New York 2008.

      9Anna Lindemann, Die Frauenstimmrechtsbewegung in Deutschland, in: Jahrbuch der Frauenbewegung 1913, hrsg. von Elisabeth Altmann-Gottheiner, Berlin 1913, S. 163.

      10Ulla Wischermann, Die Blätter des Bundes. Zur Publikationstätigkeit des BDF, in: Ariadne – Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte 25 (1994), S.46–51, hier S.48.

      11Ebd., S.47.

      12Die Beteiligung der Frauen an den Wahlen in Neuseeland, in: Die Frau 1 (1893/1894), H. 10, S. 692.

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