Frauenwahlrecht. Группа авторов
S. 520.
66August Bebel, Die Frau und der Sozialismus [50.Aufl., 1909]. Mit einem einleitenden Vorwort von Eduard Bernstein, Berlin/Bonn 1985, S. 36.
67Paul Julius Möbius, Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes, Halle an der Saale 1908.
68Helene Lange, Intellektuelle Grenzlinien zwischen Mann und Frau/Frauenwahlrecht, Berlin 1899, S. 34.
69Bertha von Suttner, Nobelvorlesung, gehalten vor dem Nobel-Comité des Storthing zu Christiania am 18. 4. 1906, Nobelprize.org, https://www.nobelprize.org/nobel_prizes/peace/laureates/1905/suttner-lecture-ge.html [5. 1. 2018].
70Teele, Forging the Franchise, S. 274f.
71Müller, Nach dem Ersten Weltkrieg; Laura Beers, Frauen für Demokratie. Möglichkeiten und Grenzen des zivilgesellschaftlichen Engagements, in: Müller/Tooze, Normalität und Fragilität, S. 111–132; Jeppe Nevers, Demokratiekonzepte in Dänemark nach dem Ersten Weltkrieg, in: ebd., S. 379–391.
Kerstin Wolff
Noch einmal von vorn und neu erzählt
Die Geschichte des Kampfes um das Frauenwahlrecht in Deutschland
Die Geschichte des Frauenwahlrechtskampfes in Deutschland ist auf den ersten Blick gut erforscht. Im Zuge der Etablierung der Frauen- und Geschlechtergeschichte und in der Folge von Jubiläen oder runden Geburtstagen erschienen zahlreiche Einzelstudien, und mit der 1998 postum publizierten Dissertation von Ute Rosenbusch legte zum ersten Mal eine Juristin eine Arbeit über den Weg der deutschen Frauen zum Wahlrecht vor.1 Seit der Jahrtausendwende ist es allerdings – bezogen auf die Forschungen zur deutschen Entwicklung – eher ruhig um das Thema geworden, lediglich zum 90. Jahrestag 2008 erschienen noch einige Arbeiten, darunter die wichtige Arbeit von Angelika Schaser, die in ihrem Text auf die ältere Forschungsliteratur2 einging und auf immer wieder nacherzählte Stereotypen hinwies.3 Auch die Historikerin Gisela Bock, die sich als eine der ersten kritisch mit besonders wirkmächtigen Arbeiten zur Geschichte des Frauenwahlrechts in Deutschland auseinandergesetzt hat, konstatierte, dass viele dieser Arbeiten einen deutschen »Sonderweg« postulierten, ohne diese These tatsächlich beweisen zu können.4
Es sind, so Gisela Bock, vier Argumentationsmuster die diese »Sonderwegthese« untermauern sollen. Dies ist einmal die Hinwendung der deutschen Frauenbewegung des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zum Differenzansatz. Bei diesem argumentierten die Aktivistinnen mit einer besonderen Rolle der Frau in der Gesellschaft aufgrund ihres »natürlichen« Geschlechtscharakters. Das Argument einer grundsätzlichen Verschiedenheit zwischen Mann und Frau habe zur Folge gehabt, dass die deutschen Frauenrechtlerinnen »das Wahlrecht eigentlich nicht gewollt [hätten] und schon gar nicht zu dem Zweck, die separaten Geschlechtersphären und die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung abzuschaffen«.5 Die Forderung nach dem Wahlrecht auch für Frauen wäre nur möglich gewesen – so die von Bock untersuchte Forschungsliteratur6 – mit einem Gleichheitsansatz. Nur durch diesen seien die frühen Wahlrechtlerinnen in der Lage gewesen, das Stimmrecht zu fordern, denn nur wenn Geschlechtergleichheit herrsche, könne der Ausschluss von Frauen angeprangert werden. Betone man hingegen die Geschlechterdifferenz, stütze man die Annahme, dass es Bereiche in der Gesellschaft gebe, die für Frauen nicht zugänglich seien, z.B. Politik oder politische Repräsentation.
Das zweite Argumentationsmuster bezieht sich auf die Trennung der deutschen Frauenbewegung in einen bürgerlich-gemäßigten und einen bürgerlich-radikalen Flügel, so Gisela Bock. Nur letzterem sei das Frauenwahlrecht ein wirkliches Anliegen gewesen, denn nur dieser Flügel stehe der Gleichheit der Geschlechter nahe und unterscheide sich damit diametral vom gemäßigten Flügel, der seine Politik auf den Unterschieden der Geschlechter aufgebaut habe. Drittens sei die deutsche Frauenbewegung in Sachen Frauenwahlrecht immer nur zögerlich, leise und vorsichtig aufgetreten, was als Beweis ihrer mangelnden politischen Durchsetzungskraft gesehen wurde. Und viertens schließlich habe die Entwicklung des Kampfes um das Frauenwahlrecht in Deutschland später als in anderen europäischen Ländern stattgefunden.
Gisela Bock überprüft diese vier miteinander verschränkten Argumentationsweisen auf ihre Stichhaltigkeit, indem sie einen internationalen Vergleich durchführt und so aufzeigen kann, dass die oben beschriebenen Einschätzungen einer genaueren Betrachtung nicht standhalten. Sie stellt fest, dass z.B. auch die radikalen englischen Suffragetten, die häufig als maßgeblich im Wahlrechtskampf herangezogen werden, ebenso mit der Geschlechterdifferenz argumentierten wie die bürgerlich-gemäßigten in Deutschland. Radikale Wahlrechtlerinnen argumentierten also nicht immer egalitär. Gisela Bock konnte auch zeigen, dass der Hinweis auf den späten Einstieg der Deutschen in den Frauenwahlrechtskampf ebenfalls nicht stimmig ist. Im Vergleich mit der Situation in England und den USA arbeitet sie heraus, dass es in allen Ländern einen gemeinsamen Faktor gab, der entscheidend war für den Zeitpunkt, an dem die Frauen begannen, für ihr Wahlrecht zu kämpfen. »Eine Frauenwahlrechtsbewegung entstand dann, wenn das Wahlrecht für Männer zur Debatte stand«,7 und dies war in Deutschland um 1900 der Fall, als das Dreiklassenwahlrecht, welches nach wie vor im größten Flächenland Preußen herrschte, immer stärker in die Kritik geriet, nicht zuletzt, weil es stark mit dem allgemeinen und gleichen Männerwahlrecht auf Reichsebene kontrastierte.8
Die Ergebnisse von Gisela Bock und Angelika Schaser zum Ausgangspunkt nehmend möchte ich der Frage nachgehen, warum die Forschung zur deutschen Frauenwahlrechtsbewegung bestimmte Narrative entwickelt hat. Warum verliehen viele deutsche Forscherinnen in den 1980er Jahren der eigenen Wahlrechtsgeschichte ein »konservatives« Gesicht und beschrieben sie als verspätet? Und warum zementierten sie die Trennung in einen radikalen und einen gemäßigten Flügel der Frauenbewegung? Die Geschichte des Kampfes um das Frauenwahlrecht in Deutschland kann, vielleicht sogar sollte – so meine These –, anders erzählt werden. Der Kampf der deutschen bürgerlichen Frauenbewegung um das Frauenstimmrecht ab Mitte der 1890er Jahre ist als Gemeinschaftsprojekt aller Flügel und Richtungen zu verstehen, der von jedem Verband oder Verein in seiner Art und Weise geführt wurde. Der Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) verfasste Musterpetitionen zum Frauenstimmrecht und stellte diese seinen Mitgliedsverbänden zur Verfügung, der Allgemeine deutsche Frauenverein (ADF) arbeitete auf kommunaler Ebene und versuchte, den Einfluss von Frauen in städtische Ämter hinein auszudehnen (um damit den Weg für das Frauenwahlrecht zu bahnen), der Deutsch-Evangelischer Frauenbund (D. E. F. B) drängte in seinen Reihen auf das kirchliche Stimmrecht, und die diversen Frauenstimmrechtsvereine und -verbände trugen das Thema sowohl in die externe als auch in die interne Öffentlichkeit und hielten durch ihre Debatten das Thema »am Kochen«. Innerhalb dieses politischen Agitationsprozesses kam es zwischen den verschiedenen Akteurinnen immer wieder zu politischen Verwerfungen um die richtige Richtung und um das zweckdienliche Vorgehen, aber letztendlich war die Frauenstimmrechtsbewegung ein Teil der bürgerlichen Frauenbewegung, die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert von fast allen Richtungen der bürgerlichen Frauenbewegung mitgetragen wurde. Dies sahen die Zeitgenossinnen durchaus so, z.B. Anna Lindemann, die 1913 eine der ersten zusammenfassenden Geschichten des Frauenwahlrechtskampfes vorlegte. Selber dem »radikalen« Flügel angehörend publizierte sie ihren Artikel im Jahrbuch der Frauenbewegung, herausgegeben von Elisabeth Altmann-Gottheiner, also in einer Publikation des »gemäßigten« Flügels. Sie schrieb: »Allein oder mit anderen Frauenvereinen treten die Stimmrechtsvereine auch für alle anderen Forderungen der Frauenbewegung ein, wo und wann die Gelegenheit