Medikamenten-Monopoly. Dr. Franz Stadler

Medikamenten-Monopoly - Dr. Franz Stadler


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flächendeckende Versorgung der Apotheken durch zentrale Lagerhaltung. Wir sprechen hier von elf Unternehmen mit 111 Niederlassungen, die im Bundesverband des pharmazeutischen Großhandels (Phagro) organisiert sind. Technologisch gut gerüstet, ermöglichen sie im Schnitt drei Belieferungen pro Tag für jede Apotheke Deutschlands.

      2. Spezialgroßhandel: Sie haben ein eingeschränktes Sortiment und sind in der Regel spezialisiert auf unzählige Nischen wie Antidiabetika, Impfstoffe, Onkologika, Antibiotika, Medikamente bei Hepatitis oder HIV, bei Kinderwunsch oder Schönheitsbehandlungen. Sie ermöglichen Apotheken, zusätzliche Einkaufsvorteile zu erlangen, die sie bei pharmazeutischen Unternehmen als einzelne Apotheke nicht bekommen, und verdienen dabei mit.

      3. Apotheken mit Großhandelserlaubnis: Sie kaufen im Namen der Apotheke Produkte, die sie dann teilweise selbst nutzen und zum Teil in parallele Handelsstrukturen schleusen und als »Absatzpuffer« für Hersteller in den Markt drücken.

      4. Im- und Exporteure: Als Unterart der Spezialgroßhändler zählen dazu meist internationale Apotheken, die sich auf Einzelgeschäfte (Einzelimporte nach § 73 Abs. 3 AMG) spezialisiert haben, das heißt, sie importieren in Deutschland (noch) nicht zugelassene Arzneimittel auf Anforderung eines Arztes. Sie unterliegen laut Bundesgerichtshof (BGH) nicht der Arzneimittelpreisverordnung und nutzen diesen Vorteil häufig weidlich aus.

      Die Finanzinvestoren

      Unter Finanzinvestoren versteht man Private Equity (außerbörsliches Eigenkapital) oder Hedgefonds (riskante Investmentfonds, die aktiv gemanagt werden), die inzwischen, oft zeitlich begrenzt, als renditegetriebene Investoren im Gesundheitsbereich auftreten. Bevorzugte Ziele der Finanzinvestoren sind Rezepturherstellbetriebe, Medizinische Versorgungszentren (MVZ), aber auch immer öfter Arztsitze.

      Die Medien

      Medien berichten regelmäßig über Themen aus dem Gesundheitsbereich – auch über Arzneimittel und Missbrauchsfälle. Beispielsweise wurde ausführlich über den Apotheker aus Bottrop informiert, der zum Teil völlig wirkungslose Krebsmittel an Patienten verkaufte und später deswegen zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde. Neben solchen personenbezogenen und handfesten Skandalen gehen die weitaus gravierenderen Skandale der Arzneimittelversorgung in den Medien eher unter.

      Die Berater

      Dabei handelt es sich um externe Dienstleister, die gerne von der Politik oder anderen Spielern beauftragt werden, zielgerichtete Gutachten zu erstellen. Oft weit von der Realität entfernt, wie am Beispiel des sogenannten Honorargutachtens noch gezeigt wird, sind sie eine scharfe Waffe als Lobbyisten diverser Auftraggeber.

      Der Gesetzgeber

      Im Grunde ist der Gesetzgeber der wichtigste Impulsgeber für Veränderungen. Er zeigt sich auch sehr stark an Daten interessiert. Allerdings steht der gesamte Gesetzgebungsprozess im Gesundheitswesen stark unter Lobbyeinfluss.

      Spiel Eins

      Lieferengpässe

      > Lieferfähigkeit entscheidet sich auch in Hyderabad.

      > Hohe Rabatte drücken die Preise – und die Vorräte.

      > Mangelwirtschaft heißt im Arzneimittelbereich Lieferengpass.

      HYDERABAD IST DIE VIERTGRÖSSTE STADT INDIENS. Die Mehrheit der rund sieben Millionen Einwohner sind Hindus. Das Klima ist tropisch, die Regenzeit geht von Juni bis Oktober, im Sommer kann es bis zu 43 Grad warm werden.

      Seit einigen Jahren ist Hyderabad das Zentrum der Biotechnologie- und Pharmaindustrie in Indien.

      Und Hyderabad ist auch einer der Orte, an denen sich Deutschlands Arzneimittelversorgung entscheidet, sich das Maß seiner Abhängigkeit von asiatischen Herstellern offenbart. Hier zeigt sich, wohin es führt, wenn Krankenkassen mit Rabattverträgen die Preise drücken und Pharmakonzerne ihre Gewinnspanne weiter ausreizen. Die Herstellung in dieser Region ist unter anderem ein Grund für Lieferengpässe bei lebensnotwendigen Medikamenten in Deutschland und Europa.

      Lieferengpässe gab es auch vor Corona, lange bevor globale Lieferketten wegen der Pandemie gekappt wurden. Das Virus hat nur vor Augen geführt, wie abhängig die Arzneimittelversorgung in Deutschland von Produzenten in Asien ist. Und die jetzt pandemiebedingt unterbrochenen Lieferketten werden noch viele Monate und verstärkt Lieferengpässe hervorrufen. Nicht nur ausgehend von Hyderabad, wo 200 Produzenten von Wirkstoffen tätig sind, sondern auch von der chinesischen Stadt Wuhan und der Provinz Hubei, von wo aus Covid-19 zum Sprung in die ganze Welt ansetzte. Wir können es auch so sagen: Der vermutliche Ausgangsort einer der heftigsten globalen Pandemien ist gleichzeitig eine Kernregion für die weltweite Arzneimittelversorgung.

      Die Discountapotheke der Welt

      Insgesamt 136 Arzneimittel für den deutschen Markt stammen aus den Fabriken in der Region Hubei. Im Grunde gibt es global gesehen nur noch eine Handvoll Anbieter, die sich mit der Herstellung von generischen Wirkstoffen beschäftigen. Sie beliefern zahlreiche pharmazeutische Unternehmen gleichzeitig und viele davon sind in Asien ansässig. Die Gründe, warum vor allem in Indien und China produziert wird, sind so zynisch wie erwartbar: Es gibt eine Vielzahl an billigen Arbeitskräften, kostenintensive Umweltauflagen und Vorgaben dagegen kaum, und technologisches Know-how ist vorhanden. Experten gehen davon aus, dass bis zu 90 Prozent der Arzneimittelwirkstoffe in Asien produziert werden. Das hat sich geräuschlos so entwickelt, und es wird breit akzeptiert. Indien ist längst zur Discountapotheke der Welt geworden.

      Die Abhängigkeit lässt auch großzügig darüber hinwegsehen, dass die Herstellung von pharmazeutischen Produkten in Asien alles andere als verträglich ist. Ein Rechercheteam der ARD hatte 2017 die illegale Entsorgung großer Mengen an Antibiotika aufgedeckt. Die untersuchten Proben wurden Gewässern rund um Pharmafabriken eben in Hyderabad entnommen – also genau dort, wo fast alle großen Generikahersteller Wirkstoffe und Antibiotika produzieren lassen. Von hinzugezogenen Infektionsmedizinern konnte eine Konzentration an Antibiotika nachgewiesen werden, die teils hundertfach oder gar tausendfach über den jeweils empfohlenen Grenzwerten für die untersuchten Substanzen lag. Verheerende Zustände. Entwickeln doch vorhandene Bakterien gegen die in die Umwelt gelangten Antibiotika Abwehrmechanismen, sodass daraus sogenannte multiresistente Erreger entstehen, für deren Bekämpfung es keine oder kaum mehr wirksame Mittel gibt. Das heißt: Es sind die großen Pharmahersteller selbst, die dazu beitragen, dass multiresistente Erreger entstehen und sich global ausbreiten. Übrigens sollen laut Presseberichten sieben von zehn Indienreisenden multiresistente Keime mit nach Hause bringen.

      Wie anfällig das bereits angeschlagene System ist, hat sich während der Coronakrise in aller Deutlichkeit gezeigt, und zwar allein schon an der Nachschubsicherung. Gerade von Hubei aus wurden Lieferketten wegen der Viruspandemie unterbrochen, weil Wirkstoffe verschiedenster Medikamente von unterschiedlichen Herstellern aus ein und derselben Fabrik stammen, die nun fehlten und nicht mehr weiterverarbeitet werden konnten. Im März 2020 stoppte Indien zudem den Export von 26 Wirkstoffen, darunter verschiedene Antibiotika sowie den Klassiker Paracetamol, mit zunehmenden Lieferengpässen ebenfalls als Folge der Pandemie. Generell kann man sagen: Die nahezu vollständige Ausgliederung der Wirkstoffproduktion ist ein wesentlicher Grund für Lieferengpässe in Deutschland und Europa, nicht aber der einzige. Es finden sich Gründe auch hierzulande, nicht zuletzt in dem Dickicht aus sogenannten Rabattverträgen und Vorgaben von Krankenkassen.

      Bedrohliche Engpässe

      Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) definiert einen Lieferengpass folgendermaßen: »Ein Lieferengpass ist eine über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehende Unterbrechung einer Auslieferung im üblichen Umfang oder eine deutlich vermehrte Nachfrage, der nicht angemessen nachgekommen


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