Medikamenten-Monopoly. Dr. Franz Stadler

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Zuzahlung befreien, soweit eine Zuzahlungsbefreiung nicht bereits im Rahmen der Festbeträge für Arzneimittel besteht.

      Zuzahlungen

      ■ In der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind Zuzahlungen eine Form der direkten finanziellen Selbstbeteiligung der Versicherten an den Kosten ihrer individuellen Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen. Sie fallen zusätzlich zu den Beitragszahlungen an. Das GKV-Modernisierungsgesetz von 2004 regelt, dass bei diesen Leistungen die Zuzahlung generell zehn Prozent des Abgabepreises (mindestens fünf, höchstens zehn Euro), jedoch nicht mehr als die Kosten der jeweiligen Leistung (zum Beispiel bei Arzneimitteln, die weniger als fünf Euro kosten) beträgt. In der GKV sind Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr von Zuzahlungen befreit, mit Ausnahme von anfallenden Fahrkosten.

      Das Instrument »Rabattvertrag« hat sich weitgehend durchgesetzt. Ende 2018 gab es 28 000 Rabattverträge, die zwischen 110 beteiligten Krankenkassen und 184 pharmazeutischen Unternehmen geschlossen wurden. Es waren 17 800 Arzneimittel (Pharmazentralnummern) betroffen und zur Umsetzung mussten 12,6 Millionen Datensätze in der Apotheken-EDV programmiert werden. Aber es wurde eben auch eine Menge gespart, ausschließlich auf Seiten der Kassen.

      Lieferengpässe aufgrund von Rabattverträgen?

      Gerade exklusive Rabattverträge werden immer wieder als mögliche Ursache von Lieferengpässen genannt. Die Krankenkassen sehen das naturgemäß anders. Sie sagen, exklusive Verträge würden den Vertragspartnern mehr Planungssicherheit geben und deshalb die Versorgungssicherheit erhöhen. Außerdem könne der exklusive Vertragspartner die Absatzmengen besser kalkulieren als bei Mehrpartnerverträgen, bei denen er mit mehreren Anbietern konkurrieren müsste, so die Argumentation beispielsweise der AOK. Exklusive Rabattverträge würden auch dazu beitragen, unnötige Medikamentenwechsel zu vermeiden, was wiederum die Therapietreue der Patienten und damit den Therapieerfolg fördern helfe. Zudem würde die Anbietervielfalt steigen. Generell sehen die Kassen in Lieferengpässen kein gravierendes Problem und der Mehraufwand für die Apotheken sei gering. Ganz im Gegenteil würden Mehrfachvergaben den Konzentrationsprozess hin zu größeren Konzernen fördern, weil dann vor allem große Anbieter größere Marktanteile erzielen könnten und kleinere Anbieter das Nachsehen hätten.

      Rabattarzneimittel: Verträge und Einsparungen der GKV im Vergleich

201620172018
Zahl der Rabattverträge zum Jahresende24 00027 30028 000
Einsparungen der GKV im Gesamtjahr3,9 Mrd. Euro4,0 Mrd. Euro4,4 Mrd. Euro

      Quellen: ABDATA, Pro Generika e. V., Bundesministerium für Gesundheit (BMG), IQVA Commercial GmbH & Co. OHG

      Diese schräge Argumentation verkennt die Realität leider völlig und beruht auf einem sehr eingeschränkten Blickwinkel. Hier scheint doch eher der Wille, mit exklusiven Rabattverträgen einen strikten Sparkurs zu fahren, ausschlaggebend zu sein. Dass Rabattverträge sehr wohl zu Lieferengpässen führen, hat der Verband Pro Generika in einer Studie ermittelt. So wurden 2017 insgesamt vier Millionen Arzneimittelrezepte mit der Sonder-Pharmazentralnummer (PZN) für Nichtlieferbarkeit bedruckt. 60 Prozent dieser Arzneimittel stammten demnach aus einem rabattierten Ein-Partner-Modell. Bei 27 Prozent der nicht lieferbaren Arzneimittel lag ein Rabattvertrag mit zwei oder drei Partnern vor. Bei weiteren neun Prozent gab es sogar mehr als drei Vertragspartner. Hier trägt also die Exklusivität der Rabattverträge zumindest Mitschuld an den Lieferengpässen.

      »Die Packung sah letztes Mal anders aus«

      Doch die Exklusivität ist nicht allein die Ursache des Problems. Für Patienten ist jeder Wechsel der Arzneimittel schwierig und wird immer mit Skepsis verfolgt. Egal ob dieser Wechsel innerhalb eines Mehr-Partner-Modells oder einer alle zwei Jahre möglichen exklusiven Ausschreibung geschieht, er muss apothekenseitig überzeugend erklärt werden, und das setzt ein Mindestverständnis bei den Patienten voraus. Die meisten Apotheken haben inzwischen kundenspezifische Vermerke gespeichert, um den Umgang mit Problemkunden (»Die Packung hat aber beim letzten Mal anders ausgesehen!«) zu erleichtern. Zusätzliche Arbeit macht das Ganze auf jeden Fall.

      Und: Vielfalt durch Wettbewerb zu fördern, funktioniert in aller Regel nicht, vor allem nicht bei Arzneimitteln. Aus meiner täglichen Erfahrung weiß ich, dass es sich ohnehin nur um eine Pseudovielfalt handelt. Denn die großen Pharmakonzerne leisten sich einfach mehrere Generikafirmen, die in unterschiedlichen Preissegmenten unterwegs sind, sich gegenseitig bedingt Konkurrenz machen und wie die meisten konzernunabhängigen Generikafirmen bei ganz wenigen weltweit angesiedelten Wirkstoffproduzenten einkaufen. So beziehen Stada, Teva, der Mutterkonzern von Ratiopharm, oder Sandoz, Hexal sowie 1A Pharma, die alle drei zum Novartis-Konzern gehören, Antibiotikawirkstoffe aus dem mehrfach erwähnten Hyderabad.

      Im Ausland ist mehr zu verdienen

      Gerade die Abhängigkeit von wenigen Herstellern und die Tatsache, dass ein sehr hoher Anteil der Produktion beispielweise von antibiotischen Wirkstoffen außerhalb der EU stattfindet, erweist sich zunehmend als Bumerang. So kritisiert der Verband Pro Generika schon lange die Krankenkassen dafür, dass sie bei Ausschreibungen von Rabattverträgen stets nur nach dem niedrigsten Preis gehen würden. Eine Produktion in Deutschland oder der EU könne nicht kostendeckend stattfinden. So oder so spielen die möglichen Einkaufsvorteile die entscheidende Rolle. Und am Ende ist es immer eine Apothekerin/ein Apotheker, die/der im Laden Patienten vertrösten und gegebenenfalls nach Alternativen suchen muss. Wie es mir erging im Fall Epirubicin.

      Anfang 2020 kam es im Markt zu einem Lieferengpass für Epirubicin. Das Medikament war nicht mehr zu besorgen. Epirubicin ist ein relativ günstiges, schon lange bekanntes Zytostatikum, das unter anderem bei Brustkrebs eingesetzt wird. Ein Anruf bei einem der wenigen noch verbliebenen großen deutschen Hersteller ergab: Es sei noch genügend Ware vorhanden, aber in Deutschland könne erst in drei Monaten wieder geliefert werden – der Rest gehe ins europäische Ausland. Subtext: Dort verdienen wir mehr.

      Jetzt werden sich Krankenkassenmitarbeiter fragen: Was hat das mit unseren Rabattverträgen zu tun? Nun, der Fall zeigt das Wirken unseres Wirtschaftssystems und die zu lernende Lektion lautet: Die Regeln dieses Systems kann man nicht ungestraft über einen längeren Zeitraum missachten. Epirubicin steht hier exemplarisch für das Entstehen von Lieferengpässen im generischen Bereich. Denn anders als bei den geheim gehaltenen Abschlägen auf die Listenpreise durch die Rabattverträge bei der normalen Generikaversorgung sind die Zahlen bei der Abrechnung hergestellter Krebsinfusionen weitgehend bekannt. Für Epirubicin müssen die herstellenden Apotheken den GKV-Krankenkassen 83,7 Prozent Rabatt gewähren. Was im Umkehrschluss bedeutet, dass sie die Ware mindestens mit einem derartigen Rabatt einkaufen müssen, was nur für die Herstellung patientenindividueller Infusionen zur Krebsbehandlung auch gesetzlich möglich ist.

      Kleine Preise, wenig Ware

      Da die den Apotheken bezahlte Herstellerpauschale für die Zubereitung dieser Infusionen zu niedrig angesetzt wurde (wie in Spiel zwei zu »Verwürfen« geschildert), muss die Apotheke, um mindestens kostendeckend zu arbeiten, am Arzneimittel etwas mitverdienen, der tatsächliche Einkaufspreis also noch niedriger liegen. Zu diesen ohnehin schon schlechten Bedingungen kommt hinzu, dass der Hersteller noch den Herstellerrabatt an die Krankenkassen zahlen muss.

      Dabei sollte er am Ende des Tages seine Leistung (Wirkstoff, Herstellung, Vertrieb und Bereitstellung) inklusive eines kleinen Gewinns ausreichend vergütet bekommen haben. Ob das funktioniert?

      Wohl nicht. Denn in der Marktwirtschaft ist tatsächlich der Gewinn die entscheidende Motivation. Ohne Gewinn wird nicht mehr produziert. Ohne ausreichend Gewinn wird die Produktion in Billiglohnländer ausgelagert oder die produzierte Ware schlicht in andere Länder verkauft. Kann also ein Hersteller seine Ware in Märkte liefern, in denen er besser verdient, liegt die Entscheidung auf der Hand: Er wird sich für die höchste Gewinnspanne entscheiden – und dort zuerst beliefern.

      Das wiederum kann zu Lieferengpässen in Ländern mit niedrigeren Erstattungspreisen führen – wie im Fall von Deutschland. Denn wenn Rabattverträge wie Ausschreibungen gehandhabt werden, führt das immer zu sehr niedrigen Preisen. Und wenn die produzierte Menge nicht ausreicht, weil sich zum Beispiel andere Hersteller


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