Drachensonne. Thomas Strehl

Drachensonne - Thomas Strehl


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aus der Dunkelheit.

      »Verzeih mir«, sagte er. »Ich wollte dich nicht kränken.«

      Der Duft der Kartoffeln stieg in seine Nase, und er zog den Teller zu sich heran und steckte sich eine Knolle in den Mund. Sie war lauwarm und sie schmeckte ausgezeichnet. »Und vielen Dank für das Essen«, sagte er nuschelnd mit vollem Mund.

      »Keine Ursache.«

      Sekundenlang hörte das Mädchen nur den schmatzenden Geräuschen zu. »Ich heiße Merian«, sagte sie dann.

      Jonaas stellte den halbvollen Teller ab. »Ich bin Jonaas«, stellte er sich vor,

      »Und woher kommst du?«

      Der Junge war überrascht, dass das Mädchen ihm weitere Fragen stellte. Warum interessierte sie sich für ihn, während ihr Vater sein Interesse sehr schnell verloren hatte?

      »Ich komme aus dem Talangebirge«, begann er. »Und mein Volk nennt man Sangapao.« Er wollte noch Weiteres hinzufügen, doch die Prinzessin unterbrach ihn. »Dann ist alles wahr«, sagte sie nur.

      Jonaas war verwirrt. »Was meinst du?« Er hatte längst die höfliche Ansprache abgelegt, und das Mädchen schien sich nicht daran zu stören.

      »Die Geschichten«, erklärte sie. »Kleine, bunte Vögel erzählten sie mir, doch eigentlich kenne ich die Legenden um die Flammenbewahrer schon seit langer Zeit. Seit ...« Sie unterbrach sich.

      »Seit wann?«

      »Seit meine Mutter mir die alten Geschichten vor dem Einschlafen erzählt hat«, sagte die Prinzessin. »Märchen, Legenden, Sagen, alles, was ihr an Geschichten so einfiel.«

      Jonaas fiel auf, das er im Thronsaal keine Königin gesehen hatte.

      »Wo ist deine Mutter?« fragte er.

      »Tot«, sagte das Mädchen tonlos. »Sie starb vor fünf Jahren, nach einer langen, schweren Krankheit.« Und wie um alles zu entschuldigen: »Seitdem kümmert sich Vater nicht mehr um seine Stadt und ihre Einwohner.« Und unendlich traurig fügte sie hinzu: »Eigentlich kümmert er sich um gar nichts mehr.«

      Jonaas spürte deutlich die Verzweiflung in Merians Stimme, doch er wusste nicht, wie er der Prinzessin helfen konnte. »Das tut mit wahnsinnig leid«, sagte er nur.

      Sekundenlang schwiegen sie, man hörte nur das tropfende Wasser.

      »Ich brauche deine Hilfe«, sagte Jonaas plötzlich. »Ich weiß, dass dein Vater mir nicht glaubt, doch alles, was ich im Thronsaal gesagt habe, entspricht der Wahrheit.

      Der schwarze Lord hat mein Dorf überfallen, zwei meiner Freunde getötet und das lebenswichtige Drachenfeuer gestohlen. Alles, was von der heiligen Flamme übrig ist, trägt er als Fackel mit sich, um damit noch größeres Unheil anzurichten.« Er stockte. »Wenn ich den Geschichten, welche die Alten erzählen, Glauben schenke, dann wird Karma´neah bald im Chaos versinken, die schwarzen Lords und die eisigen Horden werden zurückkehren, um die ganze Welt zu unterjochen. Alles wird im Eis versinken und jedes Wesen wird vernichtet.«

      Die Prinzessin räusperte sich. »Ich kenne die Geschichten«, sagte sie. »Und mein Vater auch.«

      »Und warum wirft er mich dann ins Gefängnis und lässt Gradoon gehen?«

      »Weil der Schwarze ihm erzählt hat, das er derjenige ist, der die Drachenflamme bewahrt und das er vor euch auf der Flucht ist.« Sie zögerte wieder, so als wären ihr die nächsten Worte unangenehm. »Außerdem hat er Vater eine Belohnung versprochen, wenn er ihm etwaige Verfolger vom Hals hält.«

      »Der Schwarze lügt«, sagte Jonaas aufgebracht. »Wie kann dein Vater ihm Glauben schenken?«

      »Mein Vater ist krank«, stellte die Prinzessin mit weicher Stimme fest. »Und Gradoon hat meinen Vater genau dort gepackt, wo er am verletzlichsten ist.«

      »Und das wäre?«

      »Er hat ihm versprochen, Kandelar wieder zu einer reichen, blühenden Stadt zu machen und außerdem ...« Sie zögerte.

      »Und außerdem?«, drängte der Junge.

      »Und außerdem will er meinem Vater seine Frau wiedergeben, und genau dafür würde mein Vater alles tun.«

      Jonaas verschlug es beinahe die Sprache.

      »Aber das ist Unsinn«, sagte er dann. »Du hast gesagt, deine Mutter wäre tot ...«

      »Das ist sie auch.« Sie ließ sich außen gegen die Tür sinken. »Und genau deshalb bin ich hier«, sagte sie dann. »Wenn es überhaupt eine Möglichkeit gibt, Tote zurückzuholen, dann nur mit schwarzer Magie.« Die nächsten Worte flüsterte sie. »Und wer sich dieser bedient, kann nichts Gutes im Schilde führen.«

      »Genau«, sagte Jonaas. Er spürte, dass er die Prinzessin als Verbündete gewinnen konnte.

      »Ich würde so gern meine Mama wiedersehen«, wisperte das Mädchen. Sie schluchzte, und Jonaas wusste, das sie weinte. »Aber der Weg, den Vater geht, ist der falsche. So kann er nicht glücklich werden.«

      Der Junge wollte Merian beipflichten, doch plötzlich hörte er vor der Tür seines Gefängnisses Geräusche.

      »Da kommt jemand«, flüsterte die Prinzessin. »Vater darf nicht wissen, dass ich hier bin.« Dann entfernten sich ihre Schritte.

      Jonaas lauschte. Füße tappten über den Steinboden. Schwerter klirrten, dazwischen hörte er lautes Lachen und leise Flüche.

      Eine der Stimmen, die lauteste, gehörte unzweifelhaft Kort, die zweite der Palastwache. Aber da waren deutlich mehr Stimmen zu hören, eine hohe, protestierende Fistelstimme und dann ...

      Jonaas‘ Herz setzte einen Schlag aus.

      Er kannte dieses Brummen, die missmutigen Laute waren ihm wohl vertraut.

      »Talkien«, flüsterte er. Der Jäger war hier, also war ihm in der Einöde nichts geschehen.

      Für einen Moment dachte er, dass nun alles gut wurde, doch dann hörte er ein »Rein da mit euch, ihr Lumpen«, dann schlug eine Tür zu, und wieder drehte sich ein Schlüssel im Schloss.

      Kehliges Lachen von drei oder vier Männern, Schritte auf Treppenstufen, dann wieder Stille.

      Klasse, dachte Jonaas. Der Jäger war hier, die große Hoffnung Sangapaos, und er saß genauso in der Patsche wie er selbst.

      Der Junge griff eine Kartoffel, steckte sie in den Mund und überlegte, ob es ratsam war, nach Talkien zu rufen. Sicher konnte es nicht falsch sein, wenn der Jäger von seinem Dasein wusste.

      Jonaas ging zur Tür, holte tief Luft und wollte schon den Namen des Jägers brüllen, als er erneut die Stimme der Prinzessin vernahm.

      »Es sind weitere Gefangene gebracht worden«, sagte sie.

      »Ich habe es gehört«, sagte der Junge. »Freunde von mir.«

      »Freunde?«

      Jonaas versuchte eine Erklärung. »Ein Jäger, der von unserem Dorf ausgeschickt wurde, um die Flamme nach Hause zu bringen ...«

      »Ich denke, du sollst das tun?«, unterbrach ihn Merian.

      »Also, ich ...«, stotterte Jonaas. »Weißt du, das ist eine verdammt lange und komplizierte Geschichte.«

      »Dann wirst du sie mir bald erzählen müssen«, sagte das Mädchen. »Aber nicht hier und nicht jetzt.«

      Und dann klickte ein Schlüssel im Schloss, ein Riegel wurde aufgezogen, und die Türe schwang auf.

      Unsicher stand die Prinzessin davor und blinzelte in die Dunkelheit. »Ich hoffe, ich mache nicht gerade einen großen Fehler«, sagte sie. »Aber Mama sagte immer, wenn der Verstand dir nicht weiterhilft, dann höre auf dein Herz. Und mein Herz hat entschieden, dass du die Wahrheit sagst und dass der Schwarze aufgehalten werden muss.«

      Jonaas ging langsam auf Merian zu. »Du hast ein kluges Herz«, sagte er, und als die Prinzessin


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