Drachensonne. Thomas Strehl

Drachensonne - Thomas Strehl


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aus einer unerwarteten Richtung. Eigentlich hatte ich die finsteren Schwingungen aus Kandelar empfangen.«

      »Aus der roten Stadt?«

      Fizz Fedronida nickte. »Schon lange spielen sich dort Dinge ab, die mir nicht gefallen. Und beinahe genau so lange wollte ich nachsehen, was dort nicht stimmt.« Er hüstelte. »Nun ja, ich denke, nun ist der Moment gekommen.«

      »Dann reisen wir nicht gemeinsam«, stellte der Jäger fest. »Mein Auftrag ist es, den Schwarzen zu verfolgen und die Flamme zurückzubringen. Und wenn Kandelar nicht auf dem Weg des Unheimlichen liegt, werde auch ich nicht dort hingehen.«

      Fizz Fedronida lief auf seinen kurzen Beinen überraschend schnell auf den Jäger zu und baute sich vor ihm auf. »Ihr werdet mit uns gehen«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Erstens, weil Gradoon Kandelar mit Sicherheit einen Besuch abstattet, und zum anderen, weil Ihr ohne mich keine Chance habt, das Drachenfeuer zurück zu bekommen.« Er sah den Mann herausfordernd an. »Was werdet Ihr tun, wenn Ihr Gradoon gegenübersteht? Werdet Ihr ihn bitten, euch die Flamme wiederzugeben?«

      »Ich werde sie ihm im Kampf entreißen«, sagte der Jäger heroisch.

      »Ihr wollt gegen einen schwarzen Lord kämpfen?«, fragte der Kleine amüsiert. »Ihr seid ein noch größerer Narr, als ich dachte.«

      Talkiens Hand fuhr zum Schwert, doch sofort trat der Goon zwischen die Streitenden.

      »Bleibt ruhig«, sagte er. »Und vertraut meinem Meister.«

      »Meister, Meister«, äffte Talkien. »Wie will denn der Knirps die Flamme zurück bekommen?«

      »Sagen wir, er hat seine Möglichkeiten«, sagte Mykiel geheimnisvoll. »Ich kann euch nur noch einmal bitten: Vertraut ihm. Er weiß, was er tut.«

      Plötzlich hörten sie ein Stöhnen, und Sekunden später drang Swons Stimme an ihre Ohren. »Wo ... wo bin ich?«

      Fizz eilte zum Tisch. »In Sicherheit, mein Junge«, sagte er und betastete Brust und Arme Swons.

      Der Sangapao richtete sich vorsichtig auf. »Oh«, stöhnte er und griff sich an den Kopf. »Hab ich einen Brummschädel.«

      »Das vergeht«, beruhigte ihn Fizz. »Schon in drei, vier Tagen wirst du ganz der Alte sein.«

      Swon sah sich um, sein Blick suchte Talkien, und er atmete auf, als der Jäger zu ihm an den Tisch trat. »Wie geht es dir?«

      Swon nickte. »Ich schätze, ganz gut.« Er beobachtete Mykiel, der den Sack, den der Alte gefüllt hatte, zu den Pferden trug. Dann kam auch er zu dem erwachten Jungen herüber. »Alles in Ordnung?«

      »Dank dir«, murmelte Swon und schaffte ein Lächeln. »Ohne dich wären wir ...« Er verstummte, blickte stattdessen den Jäger an. »Ich fürchte, nun hat der Schwarze einen noch größeren Vorsprung«, sagte er dann. »Wir sollten so schnell wie möglich weiter.«

      Er rutschte vom Tisch, doch seine Beine sackten ihm weg, und er wäre zu Boden gefallen, wenn Mykiel ihn nicht aufgefangen hätte.

      »Du wirst nirgendwo hingehen«, sagte er. »Für dich ist die Reise hier erst einmal zu Ende.« Er nickte Fizz zu. »Mein Meister und ich werden den Jäger begleiten. Du bleibst und ruhst dich aus.«

      »Aber ...«

      Talkien sah in das erschöpfte Gesicht seines Helfers und stoppte Swons Satz mit einer Handbewegung.

      »Kein Aber«, sagte er. »Es wird so geschehen, wie der Goon es sagt.«

      »Sein Name ist Mykiel«, protestierte Swon. Sie verdanktem dem Jungen ihr Leben, und er wollte, das auch der Jäger ihn achtungsvoll behandelte. Ganz gleich, was vor Jahren im Dorf geschehen war.

      Doch Mykiel winkte ab. »Lass nur, Swon«, sagte der Ausgestoßene. »Ich habe mich mittlerweile so daran gewöhnt, dass ich es fast als zweiten Vornamen betrachte.«

      Swon setzte sich zurück auf den Tisch und nahm dankend einen Teller Suppe entgegen, den Fizz ihm reichte.

      Seine Hände zitterten stark, und er hatte Mühe, das Holzgefäß an seine Lippen zu führen, ohne alles zu verschütten.

      Er war schwach, daran gab es nichts zu beschönigen, außerdem tanzten nach jeder Bewegung, die er machte, bunte Schatten vor seinen Augen, und wenn er den Kopf schnell bewegte, wurde ihm schwindelig.

      Die Männer hatten recht, er brauchte Ruhe.

      Und außerdem hatten die letzten Tage gezeigt, dass er sich nicht besonders zum Helden eignete. Eigentlich war er gar nicht böse, dass das Abenteuer hier für ihn endete. Auch wenn es ihm nicht gefiel, das sich Talkien dann in Begleitung Fremder befand.

      »Woher kommt ihr und was treibt ihr in dieser Höhle?«, fragte er.

      Fedronida ging gar nicht auf seine Frage ein. »Die Höhle beinhaltet alles, was du zum Leben brauchst«, sagte der Kleine. »Essen und Trinken im Überfluss. Und solange du es nicht willst, gelangt auch niemand hinein.«

      Er zeigte Swon Gefäße, in denen Lebensmittel und Trinkwasser zu finden war.

      »Warte also einfach hier, bis wir zurückkommen.«

      Dann, ohne ein weiteres Wort, wandte er sich an den Jäger. »Es ist besser, wenn wir sofort aufbrechen«, sagte er und ein letztes Mal an Swon gewandt: »Wir werden deinen Rotbraunen mitnehmen.«

      Der Junge nickte stumm.

      Dann blieb ihm nur noch übrig zuzusehen, wie der Goon das Pferd belud und dem Kleinen beim Aufsteigen half.

      Swon bemerkte, das Talkien neben ihn getreten war. »Alles in Ordnung?«, fragte er.

      Swon nickte zögernd. »Ich ...«

      Der Jäger schien die Gedanken des Jungen zu lesen. »Mir passt meine neue Gesellschaft auch nicht«, flüsterte er. »Mit dir würde ich mich sicherer fühlen. Schließlich sind wir eingespielt.«

      Der Junge wusste nicht, ob der Jäger es ernst meinte oder ob er ihn nur aufmuntern wollte. Er spürte einen Kloß im Hals und räusperte sich.

      »Viel Glück«, sagte er mit einem Kratzen in der Stimme. Dann umarmte er den Jäger.

      »Danke, Junge». Talkien wandte sich schnell ab und lief zu seinem Schimmel. Mit einem kraftvollen Satz sprang er auf und ritt Fizz Fedronida hinterher.

      Der Goon winkte Swon noch einmal aufmunternd zu, dann lief er den Pferden voran den Weg entlang und öffnete das Steintor.

      Helles Sonnenlicht empfing sie, als sie aus der unterirdischen Höhle ins Freie ritten, und augenblicklich brach ihnen der Schweiß aus.

      »Mach’s gut, Swon«, flüsterte der Jäger, als der Goon das Tor hinter ihnen schloss. »Hoffentlich sehen wir uns bald wieder.«

      Dann folgte er dem merkwürdigen Alten und dem ausgestoßenen Sangapao nach Westen.

      Nach Kandelar, der roten Stadt.

Kapitel 17

      Jonaas konnte nicht mit Gewissheit sagen, wie lange sie schon durch die Einöde galoppierten.

      Gwayhier hielt nur selten an, verlangsamte nur ab und zu seine Geschwindigkeit, hob die Nüstern in die Luft und schnupperte.

      »Er ist immer noch vor uns«, sagte das mächtige Tier. »Ich kann den Raubtiergestank seines Barangatos riechen.« Dann beschleunigte er sofort wieder und nahm den müden, geschundenen Jungen mit auf den wilden Ritt.

      Jonaas klammerte sich in die Mähne, ab und zu fielen ihm die Augen zu, und er hoffte inständig, dass er nicht einschlief und sich beim Sturz vom Rücken des Hirsches die Knochen brach.

      Dann jedoch schien er die Augen etwas länger geschlossen zu haben, denn als er sie erneut öffnete, hatte die Dunkelheit vom Land Besitz ergriffen.

      Trotzdem befand er sich noch auf Gwayhiers Rücken, offenbar funktionierte sein Klammergriff sogar im Schlaf.


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