Drachensonne. Thomas Strehl

Drachensonne - Thomas Strehl


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Stimme. »Wenn dem Jungen etwas passiert, werde ich dich dafür zur Rechenschaft ziehen.«

      Der Kleine ließ sich nicht einschüchtern. Er grinste Talkien schelmisch an. »Ich kann sofort aufhören, wenn dir nicht passt, was ich tue«, sagte er. »Nur dann wird dein Freund mit absoluter Sicherheit sterben.«

      Talkien wollte etwas antworten, doch der Goon packte ihn am Arm und zog ihn vom Tisch weg.

      »Wir sollten Fizz in Ruhe arbeiten lassen«, sagte er und nickte zur Feuerstelle hinüber. »Wie wäre es in der Zwischenzeit mit ein wenig Suppe und etwas Tee?«

      Talkien rührte sich nicht.

      »Du kannst nicht helfen«, sagte der Goon. »Also sieh zu, dass wenigstens du bei Kräften bleibst.«

      »Und dieser kleine Kerl ...«

      ».. weiß genau, was zu tun ist«, beendete Mykiel.

      Der Jäger sah den Goon an. »Und was macht dich da so sicher?«

      »Mir ging es schlechter als Swon, als Fizz mich in der Einöde fand«, erklärte der Junge. »Dein Begleiter ist nicht der Erste, der Bekanntschaft mit dem Gift macht, und er wird sicherlich auch nicht der Letzte sein, der nur dank der Hilfe von Fizz am Leben bleiben darf.«

      Talkien folgte dem Jungen zur Feuerstelle und nahm dankend eine dampfende Schüssel, die Mykiel ihm reichte. Dann füllte sich der Goon selbst ein Gefäß mit der Flüssigkeit aus dem Topf, der an einem Dreibein über dem Feuer hing.

      Der Blick des Jägers folgte der dünnen Rauchsäule, die zur Decke der Höhle stieg. Irgendwo da oben musste ein natürlicher Kamin sein.

      Talkien ließ seinen Blick schweifen und fragte sich, ob die Höhle überhaupt natürlichen Ursprungs war, woher der ganze Plunder kam, den der Kleine hier angehäuft hatte, und was zum Kuckuck überhaupt jemand in dieser Einöde machte. Außer dass er hier und da jemandem das Leben rettete.

      Er war so in Gedanken versunken, dass er nicht bemerkte, wie der Kleine seine Arbeit beendete und zu ihnen trat.

      »Er wird es schaffen«, sagte er und zog schnuppernd die Luft ein. »Noch Suppe da?«

      Der Goon, der sich auf einem Schemel niedergelassen hatte, sprang auf, füllte eine Holzschüssel mit der Flüssigkeit und reichte sie dem Mann. Er rückte einen Stuhl zurecht und ließ den Dicken darauf Platz nehmen. »Bitte, Meister«, sagte er, und Talkien runzelte auf Grund dieser Anrede die Stirn.

      Meister?, fragte er sich. Dieser schrullige kleine Kerl sollte ein Meister sein? Aber in was?

      Okay, er schien sich mit der Heilkunst auszukennen, doch allein dies machte aus niemandem einen Meister.

      Dazu gehörte das Wissen in allen fünf großen Gebieten, darunter dem des Kampfes, und wie ein Krieger sah der Zwerg beim besten Willen nicht aus.

      Der Kleine schlürfte hörbar seine Suppe und unterbrach mit diesem Geräusch Talkiens Überlegungen.

      »Seid Ihr sicher, dass mein Freund überlebt?«, fragte der Jäger. Er hatte bewusst den höflichen Ton gewählt. Sein erster Zorn war verraucht, und wenn der Goon dem Mann so viel Ehre erwies, konnte es nicht schlecht sein, wenn er als Besucher Gleiches tat.

      Die Äuglein des Kleinen blitzten ihn an. »Natürlich bin ich sicher«, sagte er. »Ich irre mich nie.«

      Er warf den Teller hinter sich, als er ihn geleert hatte, und sprang auf. »Aber wie könnt Ihr mir Glauben schenken, wenn Ihr nicht einmal wisst, mit wem Ihr es zu tun habt? Verzeiht, aber in der allgemeinen Aufregung habe ich die Etikette etwas vernachlässigt.« Er sprang auf, ging auf Talkien zu und reichte ihm seine riesige Pranke, die viel zu groß für den kleinen Körper war. »Darf ich mich vorstellen: Ich heiße Fizz Fedronida, doch die meisten kennen mich nur als Fizz, den Großen.«

      »Den Großen?«, flüsterte der Jäger verwundert, doch er ergriff die dargebotene Hand und schüttelte sie, überrascht, wie viel Kraft in dem Kleinen steckte.

      »Talkien, ein Jäger aus Talan«, stellte er sich vor.

      »Ein Sangapao«, murmelte der Kleine. »Dachte ich’s mir doch.«

      Der Zwerg schaffte es aufs Neue, seinen Gast zu überraschen. »Ihr kennt Sangapao?«, fragte Talkien.

      »Natürlich. Jeder Alte kennt die Geschichte des großen Krieges und damit auch die Bewahrer der Flamme.«

      Der Jäger zuckte zusammen. »Ich ... Wir ...«, stotterte er.

      Fizz Fedronida winkte ab. »Das Feuer ist erloschen, die letzte Flamme gestohlen«, sagte er. »Ich weiß Bescheid.«

      »Aber ...«

      Der Zwerg lächelte wieder. »Es gibt nur wenig, das meinen Ohren verborgen bleibt«, sagte er. »Außerdem schwatzen es die Zanthen vom Himmel, und die habt ihr selbst damit beauftragt, wenn ich mich nicht irre.«

      »Dann wisst Ihr auch von Gradoon.«

      Die Miene des Kleinen wurde finster. »Ich hoffte, nie wieder von ihm und seiner Bande zu hören«, sagte er rätselhaft.

      Er ignorierte Talkiens nächste Frage und wandte sich stattdessen an den Goon. »Packe unsere Sachen«, entschied er. »Wir werden eine Reise machen.«

      »Eine Reise?«, fragte der Jäger. »Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz.«

      Der Kleine achtete nicht auf Talkien, sondern begann damit, Sachen aus einem Regal, überwiegend Töpfe und kleine geschnürte Pakete, in einen großen Sack zu packen.

      »Wir werden euch auf eurem Weg begleiten«, entschied der Kleine, und etwas in seinem Ton machte Talkien klar, dass Widerrede zwecklos war. »Euer Begleiter fällt für die weitere Verfolgung aus, also bekommt Ihr für euer Unterfangen zwei neue Helfer.«

      Er wuselte durch die Höhle, auf der Suche nach weiteren verstreuten Gegenständen, und füllte die Tasche immer weiter.

      »Was wird aus Swon?«, fragte der Jäger.

      »Er wird bald erwachen«, antwortete der Kleine. »Es wird ihm gut gehen, doch er wird einige Tage Pause brauchen, um wieder zu Kräften zu kommen.« Er sah Talkien an. »Zeit, die wir nicht haben«, stellte er fest. »Also bleibt er hier und bewacht meine Sachen und diese bescheidene Bleibe, bis ich selbst zurückkehre.«

      Er beugte sich über eine Kiste. »Ach, hier hast du dich versteckt«, murmelte er und steckte ein weiteres, seltsames Ding in den Sack.

      »Ihr redet von Eile«, sagte Talkien. »Und Ihr scheint über unser Auftauchen und den Namen Gradoon nicht überrascht zu sein.“ Seine Stimme nahm wieder einen etwas schärferen Ton an. »Verzeiht mir, aber in meinen Ohren klingt das alles sehr seltsam. Wer sagt mir, dass Ihr nicht mit den schwarzen Lords unter einer Decke steckt?«

      Der Alte hielt in seinen Bemühungen inne und sah den Jäger an. Er schien nicht böse über die Verdächtigungen zu sein, er lächelte sogar. »Überlegt einmal«, sagte er. »Nichts wäre doch einfacher gewesen, als euch den Bodayn zu überlassen.« Er tippte sich an die Stirn. »Warum sollte mein Schüler sein Leben riskieren, um euch zu retten, wenn wir euch gleich danach wieder ins Verderben schleifen wollen?«

      Talkien nickte. »Trotzdem verwundert Ihr mich. Was treibt Ihr in dieser Einöde und woher kennt Ihr Gradoon?«

      Das runzelige Gesicht des Alten nahm einen harten Ausdruck an. »Sagen wir, die schwarzen Lords und ich haben noch eine Rechnung offen«, sagte er dann. »Und ich bin nicht überrascht über euer Auftauchen, weil ich genau aus solch einem Grund hier bin. Drücken wir es so aus: Man hat mich hier Station beziehen lassen, um einzugreifen, wenn das Böse erneut den Weg nach Karma´neah findet.« Er zog den Sack mit einem Ruck zu und warf ihn sich über den Rücken. »Uff«, stöhnte er und torkelte drei Schritte rückwärts. Dann ließ er den Beutel fallen. »Ich glaube, das ist deine Aufgabe, Mykiel«, beschloss er dann.

      Talkien konnte den Ausführungen des Alten nicht folgen.

      »Woher wusstet Ihr, dass das Böse wiederkehrt?«


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