Drachensonne. Thomas Strehl

Drachensonne - Thomas Strehl


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schnaufte und keuchte, vor seiner Schnauze sammelte sich weißer Schaum, sein Fell war schweißgetränkt.

      Und doch wurde er nicht langsamer.

      Zu groß war die Sorge, die ihn vorantrieb.

Kapitel 14

      Und die Götter hatten ein Einsehen und ließen ein Wunder geschehen.

      In Form einer schlanken Gestalt, gehüllt in einen wehenden dunkelroten Umhang.

      Weder Swon noch Talkien hatten gesehen, woher sie kam. Sie sprang einfach zwischen die Kämpfenden, als wäre sie geradewegs vom Himmel gefallen, als hätten die Götter selbst sie geschickt.

      Der Kopf unter der Kapuze drehte sich schnell hin und her, und in Bruchteilen von Sekunden registrierte der Neuankömmling, wer seine Hilfe nötiger hatte.

      Er förderte zwei kleine Armbrüste unter dem Umhang hervor und schoss schnell und präzise den Bodayn über den Haufen, der seine Krallen in Swons Hals schlagen wollte.

      Auch die zweite Armbrust tat ihren Dienst, und ein weiterer Angreifer fiel tot von Swons Brust.

      Der Retter warf die Waffen zu Boden und zog zwei schmale Schwerter aus seinem Gürtel.

      Wie ein Derwisch machte er sich über die Kreaturen her, und diese, die schon mit leichtem Spiel gerechnet hatten, fielen den sensenartigen Schlägen des Mannes zum Opfer, ehe sie überhaupt begriffen, was vor sich ging.

      Auch Talkien hatte seinen Mut wiedergefunden, er stürzte sich auf den am nächsten stehenden Bodayn, wich dem Schlag mit dem stachelbesetzten Schwanz aus und stach das Tier nieder.

      Triumphierend riss er den Dolch hoch und wandte sich der nächsten Bestie zu.

      Ihr neuer Freund wirbelte immer noch umher, kam wie ein tödlicher Sturm über die Bodayn, sein Cape flatterte im Wind, und seine Schwerter vollführten einen Totentanz unter den Untieren.

      Als nur noch drei der kleinen Kreaturen übrig waren, ergriffen diese die Flucht.

      Sekundenlang standen die Männer nur da und sahen den Flüchtenden nach. Dann riss ein Stöhnen Swons sie aus ihrer Lethargie.

      Sofort sprang Talkien neben seinen Begleiter, kniete sich nieder und untersuchte den Jungen.

      Er blutete aus einem Riss am Arm und einem weiteren auf der Brust, doch die Verletzungen waren nicht tief und bluteten nicht stark. Schlimmer war der lilafarbene Fleck an seiner linken Halsseite.

      »Eins dieser Dinger hat mich gestochen«, fluchte der Junge. »Die ganze Seite kribbelt, und im linken Arm habe ich kein Gefühl mehr.«

      Der Jäger wusste nichts über Bodayn, doch er fürchtete, dass der Stachel der Ungeheuer Gift verspritzte.

      Ihr Retter schien mehr über ihre Angreifer zu wissen.

      »Dein Freund braucht dringend Hilfe, Jäger«, sagte er. »Wenn er nicht binnen zwei Stunden eine Medizin erhält, wird er sterben.«

      Talkien sah den Fremden an. Das Gesicht lag im Dunkeln, immer noch unter der Kapuze verborgen, trotzdem kam ihm der Mann seltsam vertraut vor.

      »Hole die Pferde«, sagte ihr Retter zu Talkien. »Ich kenne jemanden, der uns helfen kann.«

      Der Jäger wartete keine Sekunde ab. Obwohl es ihm nicht behagte, ihr Schicksal in die Hände eines Unbekannten zu legen, wusste er doch, dass sie keine andere Wahl hatten.

      Er pfiff nach seinem Schimmel, und das treue Tier kam, dicht gefolgt von Swons Rotbraunem.

      Langsam führte er die immer noch unruhigen Tiere an den Leichen der getöteten Bodayn vorbei.

      Ihr neuer Freund hatte den verletzten Jungen vom Boden aufgehoben und trug ihn zum Pferd.

      »Keine Angst, Swon«, flüsterte er und legte den Jungen über den Sattel.

      Sekundenlang berührten sich ihre Gesichter fast, und der Verletzte konnte einen Blick unter die Kapuze werfen.

      »Ich kenne dich«, stöhnte er. Das Sprechen fiel ihm schwer. »Du bist ...« Er überlegte kurz, dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Du bist Mykiel.«

      Talkien hatte jedes Wort gehört. »Ich werde verrückt«, sagte er, und seine Stimme bekam einen harten, unfreundlichen Klang. »Der Goon.«

      »Ja.« Der Mann nickte. »Ich bin der Goon. Der Ausgestoßene, der Verachtete, der Namenlose und nebenbei der einzige Mann, der deinen Freund noch retten kann.«

      Er sah sich um. »Also, wenn ihr leben wollt, dann folgt mir.« Sein Blick blieb an einem Felsen hängen. »Es ist ratsam, von hier zu verschwinden, bevor die Bodayn mit Verstärkung zurückkommen.«

      Er drückte Talkien den Zügel des Rotbraunen, auf dessen Rücken Swon lag, in die Hand und lief, ohne ein weiteres Wort abzuwarten, los.

      Talkien saß auf.

      Einen Augenblick nur war er unschlüssig, dann erklang ein weiteres Stöhnen seines verletzten Freundes, und er zuckte die Achseln.

      Wir haben keine andere Chance, dachte er.

      Und folgte dem Goon.

Kapitel 15

      Jonaas und Gwayhier erreichten nur wenig später den Kampfplatz.

      Der Hirsch bremste seinen wilden Lauf ab, atmete zweimal tief durch und begann, sich umzusehen.

      Der Junge rutschte von seinem Rücken und betrachtete aus einiger Entfernung die Leichen der Tiere und das viele Blut, das die grauen Felsen rot einfärbte.

      Schnell ließ er seinen Blick schweifen, doch so sehr er auch seine Augen anstrengte, er sah keine Toten mit menschlicher Gestalt.

      »Was ist hier passiert?«, fragte er angewidert. Die Kadaver der Untiere verbreiteten schon jetzt Gestank, und am Himmel kreisten einige Torin, aasfressende Vögel, die sich gleich dem Leichenschmaus hingeben würden.

      »Ein Hinterhalt«, sagte Gwayhier, und als er den erschrockenen Blick des Jungen bemerkte, fügte er schnell hinzu: »Aber deinen Freunden ist nichts passiert.« Er betrachtete aufmerksam die Spuren. »Sie haben offenbar Hilfe von einer dritten Person bekommen, und wenn mich meine Sinne nicht trügen, dann befinden sie sich im Augenblick in guten Händen.«

      »Dann sollten wir ihnen folgen«, sagte der Junge, doch der Hirsch schüttelte sein Geweih.

      »Wir dürfen keine Zeit verlieren«, sagte das Tier. »Wir sind Gradoon unmittelbar auf den Fersen und müssen verhindern, dass er noch mehr Unheil anrichtet.«

      »Und wie?«, fragte Jonaas. Auch wenn der Hirsch groß und kräftig war, so konnte er es mit der Pantherbestie des schwarzen Lords nicht aufnehmen. Und Jonaas selbst war mit Sicherheit kein Gegner für Gradoon. »Wir sind allein«, stellte er klar.

      Doch Gwayhier ließ keinen Einwand gelten.

      »Vielleicht nicht mehr lange«, sagte er.

      Dann ließ er den Jungen wieder aufsteigen. »Die rote Stadt wartet auf uns«, sagte er, und die ungleichen Gefährten setzten ihre Reise fort.

Kapitel 16

      Der Goon führte sie immer weiter durch die bizarre Felslandschaft.

      Sie hatten sich nach Osten gewandt, das heißt, sie verließen ihren eigentlichen Weg Richtung Kandelar, und obwohl Talkien das überhaupt nicht gefiel, wusste er, dass ihm keine andere Wahl blieb. Das Schicksal seines jungen Begleiters lag nun nicht mehr in seinen Händen, der Jäger musste, ob er wollte oder nicht, dem Goon vertrauen.

      Ihr junger Führer blieb ab und zu stehen und blickte sich um, nur um sich zu vergewissern, dass Talkien ihm noch folgte. Die Kapuze seines Umhangs hatte er nicht mehr aufgesetzt, und der Jäger konnte das Gesicht ihres Retters näher betrachten.

      Von dem Jungen, der das Dorf verlassen musste, war nicht


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