Insel der Lust. Marina Vargas
an. Irgendwie schien alles so locker-leicht, dass sie sich komisch vorgekommen wäre, ihm ihren Fuß zu entziehen. Seine Hände waren kräftig und sanft zugleich. Mit beiden Daumen massierte er ihre Fußsohlen in kleinen, kreisenden Bewegungen, strich mit den Fingerknöcheln darüber, knetete die Zehen, einen nach dem anderen und ließ seine Fingerspitzen in die Zwischenräume gleiten. Das Kribbeln, das er dabei in ihr auslöste, versuchte sie, zu verbergen. Was ging in diesem Mann vor, dass er einfach so daherkam, um ihre Füße zu massieren? Dabei machte er so unangestrengt Konversation, dass Marie sich trotz ihrer Verwirrung bald in einer angeregten Unterhaltung mit ihm wiederfand. Sie erfuhr, dass er bereits seit vier Wochen hier war und sein Urlaub nun fast vorbei sei. Dass es nicht das erste – und ganz sicher nicht das letzte Mal – sei, dass er die Insel besuche. Dabei blinzelte er ihr verschwörerisch zu. Marie erzählte, sie habe schon lange vorgehabt, mal etwas Wellness im Urlaub zu machen.
Erst schaute er sie perplex an, dann lachte er und meinte: »So kann man es auch nennen. Du bist wohl eine von den Frauen, die für die Dinge nette Umschreibungen finden!« Sein Blick dabei war so direkt, dass Marie spürte, wie sie rot wurde.
Sie fand die Bemerkung komisch, sagte aber nichts dazu. Der Tag war bisher schon verwirrend genug gewesen. Sie legte sich lieber zurück und genoss Michaels Berührungen. Er verwöhnte ihre Füße so gekonnt, dass sie um ein Haar angefangen hätte zu schnurren.
»Wir könnten diese … ähm … Wellness-Behandlung gerne heute Abend fortsetzen. Wie wäre es nach dem Abendessen?« Michaels Augen schienen Funken zu sprühen. »Natürlich nur, wenn ich deinen Geschmack treffe. Du weißt ja, wie das hier läuft. Also – keine Angst, falls du schon etwas anderes vorhast oder einfach keine Lust, sag es ruhig.« Er schaute sie abwartend an.
Marie schüttelte automatisch den Kopf. »Ich habe nichts vor«, sagte sie. Warum sich nicht mit dem Australier treffen? Vielleicht würden sie einen Cocktail zusammen trinken und ein bisschen weiter plaudern.
»Prima, dann bis heute Abend!« Er winkte ihr lässig zu, dann erhob er sich und ging ein paar Schritte am Strand entlang. Marie beobachtete ihn, wie er einige Meter weit ins Wasser watete, bis es ihm fast bis zur Hüfte reichte, dort untertauchte, prustend wieder nach oben glitt und dann ein paar Kraulbewegungen machte, bevor er wieder an Land kam. Marie musste schlucken, als sie ihn so sah. Wasserperlen liefen seinen durch Sport hervorragend modellierten Körper entlang. Die feuchte Badehose lag so eng an, dass seine ganze Männlichkeit gut sichtbar war. Marie musste unwillkürlich daran denken, wie lange es schon her war, dass sie den nackten Körper eines Mannes berührt hatte. Wie es sich wohl anfühlen mochte, die Finger über Michaels Brust und Bauch gleiten zu lassen?
Ob sein Penis sofort hart wird, wenn man ihn berührt? Wieder sah sie das Bild der beiden Menschen im Liebesspiel vor sich.
Verdammt, was ist das hier für eine aufgeheizte Atmosphäre!
Als habe Michael ihre Gedanken gelesen, blickte er noch einmal zu ihr herüber und winkte ihr zu. »Heute Abend. Ich freue mich auf dich!« Dann verschwand er hinter dem Felsvorsprung. Ein Mann, so sexy wie die Sünde!
Marie kehrte erst am Nachmittag ins Hotel zurück. Während sie unter der Dusche stand und sich Sand, Salz und Sonnenmilch vom Körper wusch, wanderten ihre Gedanken schon zu ihrer abendlichen Verabredung. Was sollte sie anziehen? Die meisten Frauen hier waren ziemlich offenherzig gekleidet. Sie hatte bereits jede Menge Spaghettiträger-Tops, tiefe Ausschnitte, enge Shirts und kurze Röcke gesehen. Da wollte sie nicht so bieder daherkommen. Vor dem Urlaub hatte sie sich in einer Aufwallung von Mut ein zweiteiliges Ensemble in Blau- und Grüntönen gekauft. Es bestand aus einer schulterfreien, eng anliegenden Korsage und dem dazu passenden engen Minirock. Dazu Sandalen mit hohen Korksohlen, das würde gehen. In ein flauschiges Badetuch gewickelt schlenderte sie nach der Dusche erst einmal auf die kleine Terrasse vor ihrem Schlafzimmer. Bananenstauden und eine Art Farn wucherten üppig davor und ragten weit über die Holzbrüstung. Dahinter erstreckte sich der Rasen und ganz am Ende konnte man den Strand und das Meer sehen. Die Frau im Reisebüro hatte Recht gehabt. Das hier war ein echter Traum!
Marie ging zurück ins Zimmer und ließ sich aufs Bett plumpsen. Vielleicht sollte sie noch ein Nickerchen machen vor dem Abendessen, damit ihr danach nicht so schnell die Augen zufielen. Sie war im Alltag keine Nachteule, musste morgens früh raus und ging daher auch zeitig zu Bett. Bei ihrer Verabredung mit Michael wollte sie lieber fit sein. Gedankenverloren zog sie die Schublade des Nachttisches auf und stieß gleich darauf einen spitzen Schrei aus. Was war das denn? In der Schublade lag etwas Längliches, dunkelblaues, in einer durchsichtigen Verpackung. Sie hatte intuitiv begriffen, was es war, obwohl sie so ein Spielzeug noch nie besessen hatte.
Ein Vibrator! Den muss jemand vergessen haben!, schoss es ihr durch den Kopf. Mit spitzen Fingern holte sie das Ding heraus und betrachtete es neugierig von allen Seiten. Es war das erste Mal überhaupt, dass sie ein solches Gerät in der Hand hatte. Nicht, dass es sie nicht gereizt hätte! Bei den wenig befriedigenden sexuellen Erlebnisse, die sie bisher hatte, war es ihr durchaus in den Sinn gekommen, der Sache etwas nachzuhelfen. Aber in einen Sexshop gehen und sich beraten lassen, das kam für Marie nicht infrage. Und eine Bestellung im Internet aufgeben, das wäre nur dann gegangen, wenn sie gewusst hätte, was sie wollte. Und genau das war das Problem – sie hatte einfach keine Ahnung. So war es bei einem zaghaften Gedanken geblieben. Und jetzt hielt sie ein solches Objekt in der Hand. Wie konnte jemand einen niegelnagelneuen Vibrator vergessen? Und warum hatte das Zimmermädchen das Ding nicht entfernt?
Marie drehte das Sexspielzeug unschlüssig hin und her. Neugierig blickte sie dann noch einmal in die Schublade. Dort lag noch etwas. Eine Packung Kondome fischte sie heraus und eine kleine Tube mit etwas, das sich als Gleitgel herausstellte. Marie schoss das Blut ins Gesicht. Da hatte jemand wohl seine ganzen erotischen Reisebegleiter liegen lassen! Unbenutzt und originalverpackt noch dazu!
Schnell legte sie die Sachen zurück in die Schublade und schob sie mit einem lauten Knall zu. Was sollte sie damit machen? Am Empfang abgeben? Bei der Vorstellung, mit einem Vibrator, einer Packung Kondome und einer Tube Gleitgel durchs Hotel zu laufen, um sie dann mit vielwortigen Erklärungen einem Angestellten zu übergeben, schüttelte sie sich. Nein, das war nicht ihr Problem, entschied sie. Sie würde die Sachen dort lassen, wo sie waren. Sollte sich das Hotel darum kümmern, wenn sie abgereist war. Dann entschloss sie sich, mit einem Blick auf die Uhr, sich statt eines Nickerchens lieber einen Aperitif zu gönnen.
Beim Abendessen konnte sie Michael nicht entdecken. Sie hatte sich einen Platz an einem kleinen Tisch am äußeren Ende des Speisesaals gesucht und beobachtete verstohlen die Leute um sie herum. Gestern hatte am Nebentisch ein Paar gesessen, das sehr vertraut wirkte und den ganzen Abend miteinander geflirtet hatte. Heute saß die Frau von gestern an ihrem angestammten Platz, der Mann jedoch war ein anderer. Marie beobachtete staunend, wie die beiden die Köpfe zusammensteckten und sich eindeutig lüsterne Blicke zuwarfen.
Na, die geht ja ran! Gestern einen Partner, heute schon den nächsten Urlaubsflirt.
Jemand schritt an ihrem Tisch vorbei und lächelte sie an. Eine Frau, etwa in ihrem Alter. Das dunkelrote Haar fiel lockig bis zur Hüfte. Sie war alleine und einen Moment lang befürchtete Marie, sie würde sich zu ihr setzen wollen. Doch die Frau schaute sie lediglich auf eine undefinierbare Art an und ging dann weiter.
Wo ist Michael?
Offensichtlich hatte er das Abendessen ausfallen lassen. Erst später, als Marie an der Bar saß und vor lauter Nervosität einen Brandy trank, trat er plötzlich neben sie.
»Hallo, Schönheit«, begrüßte er sie ungezwungen. Er hievte sich auf einen Barhocker neben sie und bestellte für sich einen Whisky.
»Isst du gar nicht hier im Hotel?«, platzte Marie heraus.
Michael zuckte die Schultern.
»Ich war auf einer Nachbarinsel. Hatte noch etwas zu erledigen und habe eine Kleinigkeit auf der Fähre zu mir genommen.« Er