Insel der Lust. Marina Vargas

Insel der Lust - Marina Vargas


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gehen. So hatte sie es sich vorgenommen.

      »Komm, wir gehen nach nebenan.« Michael griff nach ihren Gläsern und bevor Marie protestieren konnte, ging er voran durch einen halbrunden Durchgang in einen Raum, der hinter der Bar lag. Gedämpftes Licht umfing sie, von irgendwoher kam Musik und erst, als ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte sie einen DJ im hinteren Bereich des Raumes. Links und recht zogen sich kleine Tische und Stühle im Halbkreis entlang nach vorne, dazwischen befand sich eine große, jetzt noch völlig leere Tanzfläche.

      »Gleich wird hier wesentlich mehr Betrieb herrschen. Wenn alle nach dem Essen hierher kommen, die sich noch um einen Flirt für die Nacht bemühen«, erklärte Michael ruhig. Sie nahmen Platz und Marie bemerkte, wie nah er sich neben sie setzte.

      »Nervös?«

      Sie nickte.

      »Ich vergaß, du bist ja das erste Mal hier«, lächelte er.

      »Bin ich dein erster Flirt?«

      »Flirt?« Marie blickte ihn verwundert an.

      »Na ja, so heißt das hier. Wenn man jemanden kennengelernt hat und sich mehr mit ihm vorstellen kann.«

      Der ging ja ran!

      Marie schnappte nach Luft und setzte gleich darauf ihr Glas ab. Michael würde doch nicht etwa glauben, sie wolle sich an ihn heranmachen? Ihr fiel keine höfliche Umschreibung ein, um diesen Irrtum sofort aufzuklären. Michael blickte derweil schon zur Tanzfläche, auf der sich gerade ein Paar eingefunden hatte. Der Mann, schon etwas älter und mit grauen Schläfen, umfasste seine Partnerin, eine vollschlanke Brünette, und die beiden fingen an zu tanzen. Eine Weile beobachteten Marie und Michael das Paar schweigend. Sie harmonierten hervorragend, der Hüftschwung der Frau war gleichzeitig elegant und lasziv, der Mann führte seine Partnerin mit federleichter Hand. Sie hob den Kopf und blickte ihn an. Ein Lächeln erschien auf den Gesichtern der beiden, dann zog der Mann sie unmerklich näher und im selben Moment veränderte sich der Ausdruck ihrer Augen, wurde direkter. Jetzt kamen noch zwei andere Paare auf die Tanzfläche und Michael griff nach Maries Hand.

      »Lass uns auch tanzen«, bat er und zog sie mit sich.

      Er war einen Kopf größer als sie und als sie die Rechte auf seine Schulter legte, musste sie wieder an den Nachmittag denken. Sie sah seinen attraktiven Körper vor sich, wie er aus dem Wasser kam und die Badehose sich eng angeschmiegt hatte. Michaels Augen blickten lächelnd zu ihr herunter. Die Musik war langsam, sinnlich und ihre beiden Körper bewegten sich in diesem Rhythmus. Michael ließ eine Hand über ihren Rücken gleiten und löste ein nervöses Flattern in der Bauchgrube aus. Er schob die Finger unter ihr dunkelblondes, glattes Haar, das sie an diesem Abend offen trug. Sein Daumen glitt mit festen Bewegungen über den Haaransatz, in der kleinen Grube am Hals entlang nach oben und dann wieder zum Nacken. Marie bekam eine Gänsehaut. Sie hätte Michael gerne gesagt, er solle aufhören. Für eine solche Berührung war ihre Bekanntschaft noch zu jung. Doch die Gänsehaut schickte kleine, aufregende Schauer ihren Körper entlang, die ihr gefielen. Marie bemerkte, dass auch andere Paare eng und mit erotisch anmutenden Bewegungen tanzten. Die ganze Atmosphäre kam ihr wie elektrisch aufgeladen vor. War das immer so? Und wenn ja, warum war ihr das bisher in ihrem Alltagsleben nicht aufgefallen? Vielleicht waren das auch lediglich Besonderheiten, wie sie eben an Urlaubsorten vorkamen? Oder lag es daran, dass diese Ferienanlage hauptsächlich von Singles besucht war, die wohl alle keine Zeit verlieren wollten?

      Trotz dieser Erklärungsversuche wusste Marie instinktiv, dass es so nicht war. Sie hatte keine Ahnung, warum alle Urlauber um sie herum offensichtlich erotische Signale aussendeten, aber ganz normal kam es ihr nicht vor. Ein Paar löste sich voneinander und ging mit schnellen Schritten in einen angrenzenden Raum. Ein zweites Paar erhob sich von einem der Tische und folgte ihnen.

      »Was ist dort?«, fragte Marie Michael.

      »Möchtest du hinübergehen? Würde dir das Spaß machen?«, flüsterte er ihr ins Ohr und Marie spürte, wie sich sämtliche Härchen auf ihrem Körper aufrichteten.

      »Spaß machen?«, murmelte sie verwirrt. Michael nahm sie bereits an der Hand und zog sie mit sich. Der Zugang zu dem Raum war mit einem dicken, dunklen Vorhang versehen. Dahinter herrschte fast vollkommene Dunkelheit. Erst nach wenigen Schritten, sie hielt sich an Michael fest, der mit schlafwandlerischer Sicherheit vor ihr herging, konnte Marie einzelne, kleine Lichtquellen ausmachen. Dann hörte sie es und sofort war ihr ganzer Körper in heller Alarmbereitschaft. Um sie herum flirrte die Luft. Leise Seufzer mischten sich mit geflüsterten Worten und wollüstigem Stöhnen.

      »Was geht denn hier ab?« Marie blieb abrupt stehen und ließ Michaels Hand los. Der drehte sich zu ihr um und flüsterte ihr etwas zu.

      »Keine Angst, hier geht noch gar nichts ab. Das ist sozusagen der Raum zum Vorglühen, quasi die Fortsetzung des Tanzes. Vollendete Tatsachen zu schaffen ist hier tabu. Wer sich hier einig wird, geht anderswohin.«

      Marie verstand nur Bahnhof. Mit geschärftem Blick erkannte sie auf einmal in einer kleinen Nische neben sich zwei Frauen. Die eine hatte ihren Rock bis zur Hüfte hochgezogen, die andere ließ ihre Hand auf deren weißem Höschen kreisen. Sie küssten sich. Zwei Schritte weiter lehnte ein Paar an der Wand, beide waren komplett bekleidet, doch seine Hände lagen unter ihrem Shirt und kneteten ihre Brüste. Marie wollte umkehren und davonlaufen. Das war ja allerhand! Dass Leute, die sich gerade kennen gelernt hatten, hier schon so auf Tuchfühlung gingen und das vom Hotel nicht nur geduldet war, sondern offensichtlich auch noch forciert wurde, fand sie empörend. Michael hatte sie jedoch schon in eine kleine Nische geschoben und ließ sich auf einer lederbezogenen Bank nieder.

      »Komm, setz dich«, forderte er Marie auf und zog sie zu sich. Erhitzt und durcheinander plumpste sie neben ihn.

      Unwillkürlich stellte sie fest, wie männlich er roch und welche Wärme seine Haut ausstrahlte.

      »Was magst du?«, fragte er sie nun leise und griff nach ihrer Hand.

      »Wie meinst du das?«

      »Ich will wissen, ob du gerne schmust oder lieber gleich zur Sache kommst?«

      Marie verstand immer noch nicht, was er wissen wollte. Da griff Michael kurzerhand nach ihrer Hand und legte sie auf seinen Schoß. Sie schnappte laut nach Luft und zog ihren Arm sofort weg.

      »So meine ich das. Zur Sache kommen«, sagte er, nun mit fragendem und ungeduldigen Unterton.

      »Das ist ja abscheulich«, stieß sie hervor, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. Dieses dicke Ding, das sie durch die Hose gespürt hatte. Wenn das sein Schwanz war, dann war dieser Australier verdammt gut ausgestattet. Ohne es zu wollen, spürte Marie ein heftiges Ziehen im Unterleib. Ob sie ihn noch einmal anfassen sollte? Er war ziemlich hart und beim Gedanken daran, wurde ihr leicht schwindelig.

      »Hey, warum bist du so empört? Du weißt doch, wo du hier bist.« Michael war etwas von ihr abgerückt.

      »Ich wollte Urlaub machen. Kulturelle Stätten besichtigen, ein bisschen Wellness und Strandurlaub dazu. Aber das hier – ist Sodom und Gomorrha!«

      Michael blieb einen Moment stumm. Dann räusperte er sich vorsichtig.

      »Schätzchen, du bist hier auf einer Insel, die man allgemein die Insel der Lust nennt. Es geht hier nur um eine Sache, die Erwachsene hier im gegenseitigen Einvernehmen in sämtlichen Spielarten miteinander tun.«

      Er schwieg, um die Wirkung seiner Worte auf Marie zu prüfen. Deren Herz setzte gerade einen Moment lang aus und ihr wurde heiß.

      »Aber … aber … das kann nicht sein! Im Reisebüro …«

      Und im selben Moment rollte die Szene noch einmal vor ihren Augen ab. Die zunehmend ungeduldige Angestellte, die anderen Kunden, ihre eigene Unentschlossenheit.

      »Verdammt, das ist ein Buchungsfehler!«, rief sie aus. So laut, dass einen kurzen Moment lang alles um sie herum verstummte.

      »Das heißt, du wolltest nicht hierher?«, vergewisserte sich Michael.

      »Wollte ich nicht. Nein.«


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