Der tote Zwilling. Bernd Udo Schwenzfeier

Der tote Zwilling - Bernd Udo Schwenzfeier


Скачать книгу
mal die Eingangspost an und verteil die neuen Vorgänge entsprechend. Falls irgendetwas Außergewöhnliches sein sollte, erreichst du mich auf meinem Handy.«

      »Geht alles in Ordnung. Ich habe aber noch eine Frage zum Schluss. Wer gibt denn heute die Presseauskünfte? Machen wir das oder Staatsanwalt Sattler?

      »Das übernimmt ab sofort die Pressestelle der Staatsanwaltschaft. Herr Sattler hat mir heute früh mitgeteilt, dass er im Laufe des Tages auf der Dienststelle erscheinen wird. Ich werde gegen 14:00 Uhr wieder da sein.« Er blickte auf seinen Notizzettel. »Nun zum eigentlichen Tatort. Aber auch hier gibt es nichts Aufregendes zu berichten. Zwar wurde vor dem Parkausgang in einem Mülleimer die von dem Täter entwendete Handtasche des Opfers aufgefunden. Geldbörse, Schlüssel und persönliche Papiere waren vollständig vorhanden. Lediglich das Handy fehlte. Kollege Bormann vom Erkennungsdienst hat mir vor ein paar Minuten mitgeteilt, dass am eigentlichen Tatort außer einer zertretenen und aufgewühlten Stelle im Rasen keine auswertbaren Spuren gefunden wurden. Mittlerweile sind die Jungs von der Spurensicherung wieder zur Dienststelle gefahren. Tja, das war’s. Mehr …« Seine Ausführungen wurden durch das Klingeln seines Handys unterbrochen. Er nahm den Anruf an und hörte einige Sekunden lang zu. »Prima, na wenigstens etwas. Vielen Dank, Lothar, bis zum nächsten Mal.« Er wandte sich wieder an sein Team. »Das war Rohde vom Erkennungsdienst. Endlich ein kleiner Lichtblick. Die Vergleiche der gesicherten Fingerabdrücke auf dem Mountainbike mit denen des Besitzers ergaben, dass vier von ihm stammten. Die anderen zwei sind ebenfalls auswertbar. Leider konnten sie noch keiner bestimmten Person zugeordnet werden. Trotzdem ist das ein kleiner Anfang, denn der Unbekannte liegt bereits in der Tatortspurensammlung ein. Er hat seine Prints an drei Einbruchstandorten hinterlassen, und zwar immer bei Villeneinbrüchen in den Nobelgegenden Dahlem, Zehlendorf und Wannsee. Somit hat er seinen ersten Fehler begangen, der ihm zum Verhängnis werden könnte.«

      »Wieso, Chef?«, fragte Rainer Langner verdutzt.

      »Na, weil einer der Abdrücke auf dem Lenker und der andere an der Klingel gesichert wurde. Wer sonst, als ein Radfahrer, hinterlässt dort seine Spuren? Und wer könnte das anders sein als der Dieb des Rades? Demnach ist der Einbrecher und der Serienvergewaltiger ein und dieselbe Person«, belehrte Robert seinen Youngster und lächelte, als er bemerkte, wie sich dessen Gesicht vor Verlegenheit langsam rötete.

      »Das ist ja eigenartig. Einbrecher und Vergewaltiger, wie passt denn das zusammen?«, meldete sich Barbara Büttner kopfschüttelnd zu Wort.

      »Du hast recht. Jetzt, wo du es ansprichst, fällt es mir auch auf«, entgegnete Kirsten überrascht. »Das ist in der Tat recht ungewöhnlich. Ich bin fast zwanzig Jahre bei der Sitte, aber eine solche Kombination ist mir bisher noch nicht begegnet. Aber, was soll’s? Damit kann sich unser Doc befassen, schließlich hat der die menschliche Psyche studiert.« Sein Blick blieb an Rainer Langner haften. »Rainer, ruf beim Einbruchsdezernat an, sprich mit dem damaligen Sachbearbeiter, beschaff dir die Unterlagen über die Fälle und werte sie aus. Vielleicht ergeben sich für uns ein paar Anhaltspunkte.« Immer mehr spürte er die Müdigkeit, die inzwischen nicht nur seine Glieder, sondern auch seinen Kopf ergriffen hatte. Er blickte auf seine Armbanduhr. Es war kurz vor neun. Zeit, die Segel zu streichen und nach Hause zu fahren.

      Unausgeschlafen und mürrisch erreichte Robert gegen 14:00 Uhr die Dienststelle. Die Sonne brannte vom wolkenlosen Himmel herunter, als er auf dem Parkplatz aus seinem klimatisierten Audi stieg. Der Schweiß lief ihm nach wenigen Schritten den Rücken hinunter, und sofort sehnte er sich nach dem schattigen Plätzchen auf seinem Balkon und einem kühlen Glas Bier zurück.

      Wenig später berichtete ihm Barbara, dass sie eine Reihe von weiteren Hinweisen aus der Bevölkerung aufgenommen hatte. Jedoch war keiner darunter, der sie konkret weiterbringen würde. Auch der Busfahrer der Linie 200 war inzwischen von Rainer Langner vernommen worden. Er konnte sich zwar erinnern, dass zur fraglichen Zeit ein junger Mann an der Haltestelle gegenüber dem Parkeingang eingestiegen war, hatte sich aber nicht dessen Gesicht gemerkt, weil sich der Fahrgast unauffällig verhielt und eine ordnungsgemäße Monatskarte vorgezeigt hatte. Allerdings sei der junge Mann bereits wenig später an der Kreuzung Otto-Braun-Str./Karl-Marx-Allee ausgestiegen. Ein Wiedererkennen des Unbekannten schloss er kategorisch aus. Das war die erste Kröte, die Robert schlucken musste. Wenig später hielt er den Untersuchungsbericht der Charité in den Händen, der seine Vermutung bestätigte, dass die am und im Opfer gefundenen Spermaspuren mit denen der anderen Opfer der Vergewaltigungsserie identisch waren. Wenigstens das war geklärt. Der Täter hatte bewusst oder unbewusst weitere Spuren seiner Täterschaft hinterlassen.

      Ansonsten gab es eine Menge beschriebenes Papier, das er noch sortieren und in die Sammelordner einheften musste. Der Auswertungsbericht Rainer Langners über die drei Villeneinbrüche ließ allerdings seine schlechte Stimmung wie Schnee in der Sonne schmelzen. Sein Youngster hatte tadellose Arbeit geleistet. Der Bericht zeigte eindeutig auf, dass sie auf der richtigen Spur waren. Zu weiteren Überlegungen kam er nicht, denn es klopfte an der Tür seines Dienstzimmers.

      Jürgen Sattler betrat lächelnd sein Zimmer. Sie begrüßten sich herzlich, kannten sie sich doch bereits seit Jahren aus ihrer engen Zusammenarbeit in den verschiedensten Fällen. Zwischen ihnen war mit der Zeit ein lockeres, beinahe freundschaftliches Verhältnis entstanden, das von gegenseitiger Achtung für die Arbeit des anderen geprägt war. Sattler war ein dynamischer Typ, sehr groß, schlank, um die fünfzig Jahre und hatte ein offenes, sympathisches Gesicht. Beim letztjährigen Treffen zwischen leitenden Kriminalbeamten und Staatsanwälten im Casino des Landgerichts zur Adventszeit war man sich nach dem fünften Glas Rotwein nähergekommen und wenig später einig, sich künftig zu duzen.

      »Hallo, Jürgen, du alter Seebär, schön, dich mal wiederzusehen«, begrüßte ihn Robert und reichte ihm die Hand. »Bei so einem Wetter wärst du bestimmt lieber mit deiner Jolle auf dem Wannsee, oder?« Er grinste sein Gegenüber an.

      »Klar, und dann noch ein kühles Bierchen in der Hand, was könnte es Schöneres geben?«, erwiderte Sattler gut gelaunt. »Aber leider bin ich nicht gekommen, um dich zu einem Segeltörn einzuladen.« Er wurde ernst. »Was gibt es Neues in unserem Fall?

      »Da wirst du staunen. Unser Täter ist nicht nur ein Serienvergewaltiger, sondern zusätzlich ein Serieneinbrecher …«

      »Ich werd verrückt«, entfuhr es Sattler. »Woher habt ihr denn diese Informationen?« Er sah Robert gespannt an. »Komm, erzähl, oder soll ich dir die Einzelheiten wie Würmer aus der Nase ziehen?«

      »Nee, nee, lass das mal lieber sein. Nimm aber erst einmal Platz. Möchtest du einen Kaffee, Tee oder Wasser?«

      »Gib mir ein Wasser, aber nicht zu kalt. Du weißt, ich habe einen empfindlichen Magen. Und nun fang endlich an, ich habe nachher noch eine Besprechung mit unserem Chef. Allzu viel Zeit habe ich nicht.« Er sah nervös auf seine Uhr.

      Robert öffnete eine Weisermappe und nahm den mehrseitigen Bericht heraus. »Der Täter hat auf dem entwendeten Mountainbike, das er zur Flucht benutzt und nach der Tat in Tatortnähe abgestellt hat, zwei Fingerabdrücke hinterlassen. Die gleichen Fingerabdrücke liegen bereits in der Tatortspurensammlung ein. Er muss demnach an mindestens drei Villeneinbrüchen im Süden Berlins beteiligt gewesen sein.«

      »Nun gut, aber wie hilft uns das weiter?«, fragte Sattler und goss sich sein leeres Glas erneut voll.

      »Diese drei Tatorte gehören zu einer sechsteiligen Einbruchsserie im Süden Berlins und zeichnen sich durch den immer selben Modus Operandi aus. Der oder die Täter sind in jedem Falle an der Rückseite der Villen an einem Regenfallrohr in den ersten Stock geklettert und dann über ein offenes Fenster oder nach Aufbrechen der Balkontüren ins Haus eingedrungen. Auf zwei der Rohre wurden Fingerabdrücke gesichert, der dritte am Türgriff der Innenseite einer aufgehebelten Tür. Alle angegriffenen Villen hatten keine besonderen Sicherungen. Die Täter haben offenbar vorher in aller Ruhe die Tatobjekte ausspioniert.«

      »Und was haben die Täter entwendet?«

      »Schmuck, Uhren, Schecks und in einigen Fällen verschiedene größere Bargeldbeträge. Wertvolle Bilder, Teppiche, Skulpturen und andere Wertgegenstände ließen sie unbeachtet. Insgesamt haben die Täter Gegenstände im Wert von rund


Скачать книгу