Pros & Cons: Steele. Lisa Schnack
war mir sicher, dass ich mir den schwachen Unterton von Bewunderung in Shooks Stimme nicht einbildete.
»Was hat Charlie denn gegen dich in der Hand?«, wollte Ridge wissen. Die Antwort auf diese Frage interessierte mich ebenfalls brennend.
»Nichts.« Leo griff nach einem Gebäckstück.
»Schwachsinn«, meinte Wesley. »Dann wärst du nicht hier.«
Leo riss kleine Stücke von dem Gebäck ab und warf sie den Vögeln zu, die ohne Scheu vor uns auf der Terrasse herumhüpften.
»Na gut«, sagte ich, da er offenkundig nichts preisgeben würde, »ist ja auch egal. Wichtig ist, wirst du uns helfen?«
»Wobei denn?« Leo wurde laut. Er schmiss den Rest des Plunderstücks auf den Boden, woraufhin die Vögel aufflatterten. »Das ergibt alles überhaupt keinen Sinn. Was soll Steele mit Fotos anfangen, die Pfeiffer beim Sex zeigen? Worum zum Teufel sollen wir uns denn kümmern?«
»Das bin nicht ich.« Ridge konnte seinen Ärger kaum unterdrücken. »Das ist mein Zwillingsbruder, du Trottel. Breck Pfeiffer.«
»Aber sicher«, spöttelte Wesley. »Der mysteriöse eineiige Zwilling.«
Ridge schenkte ihm einen mörderischen Blick. Ich war mir sicher, dass er Wesley gern eins auf die Nase gegeben hätte und es sich nur verkniff, weil Josie zwischen den beiden saß.
»Iss noch was«, schlug Josie vor und schob Ridge seinen Teller hin. Dann wandte sie sich Wes zu. »Du auch. Mehr essen, weniger streiten.«
Wes schaufelte sich gehorsam eine Gabel voll in den Mund. Dann schnappte er sich sein Handy und tippte darauf herum.
»Hast du die Fotos dabei?«, fragte mich Leo.
»Ja, ich dachte mir schon, dass wir sie brauchen würden.« Ich hob den Umschlag vom Boden auf, wo ich ihn abgelegt hatte, und zog die Bilder heraus. Ich sah sie durch und gab sie danach in die Runde, sodass jeder sie begutachten konnte. Es waren insgesamt sechsundzwanzig Farbfotos. Das Gesicht des alten Mannes war auf keinem klar zu erkennen. »Das sind wahrscheinlich Überwachungsfotos, die aus großer Entfernung mit einem Teleobjektiv aufgenommen wurden. So körnig, wie die sind, tippe ich auf eine Analogkamera. Was meint ihr?«
Leo und Wesley blätterten den Stapel durch. »Möglich«, urteilte Leo.
»Ich bin mir fast hundertprozentig sicher.« Wesley hielt die Fotos ins Sonnenlicht und kippte sie vor und zurück. »Sieht aus, als wären sie von Hand entwickelt worden. Das sind keine Ausdrucke.« Er rieb mit einem Finger über die Oberfläche. »Ja, das ist eindeutig Fotopapier.«
»Schön, und was nun?«, wollte ich wissen. »Was sollen wir jetzt tun? Warum sollen wir uns dafür interessieren, wer es mit wem treibt?«
»Weil es um meinen Bruder geht, du Idiot! Er ist Student, verdammt noch mal. An der George Washington, oben in D. C. Er sollte diesen Sommer eigentlich irgendein Praktikum machen, und nicht … was auch immer er da tut.« Ridge wies voller Abscheu auf die Fotos.
»Wenn du dich in die Angelegenheiten deines Bruders einmischen willst, ist das deine Sache. Aber ich verstehe immer noch nicht, wieso das auch unser Problem sein soll.«
»Kannst du ihn nicht einfach anrufen und fragen, was es mit den Fotos auf sich hat?«, warf Wesley ein, immer noch voll auf sein Handy konzentriert. Wem auch immer er schrieb, antwortete rasend schnell. Und auch Wesleys Finger flogen nur so über das Display.
»Glaubst du etwa, das hätte ich nicht schon versucht?«, entgegnete Ridge. »Ich habe ihm gefühlt tausend Nachrichten geschrieben und keine einzige Antwort erhalten. Meine Anrufe landen direkt auf der Mailbox, und die ist voll. Mir bleibt nichts anderes übrig, als nach Washington zu fahren und selbst herauszufinden, was da los ist. Und dafür zu sorgen, dass er mit diesem … Scheiß aufhört.«
»Mit ›Scheiß‹ meinst du Dreier mit hässlichen alten Knackern?«, fragte ich. »Zugegeben, das ist schon eine fragwürdige Entscheidung, auch wenn der andere Typ ziemlich heiß ist. Aber vielleicht hat der Alte Geld? Oder ist eine Granate im Bett? Vielleicht wollte dein Bruder auch einfach nur ein paar denkwürdige Erfahrungen machen? Oder er war schlicht betrunken.« Ich schnippte mit den Fingern, als hätte ich eine Erleuchtung. »Womöglich ist der Alte auch einer seiner Professoren, und dein Bruder lässt sich mit guten Noten dafür bezahlen, dass er ihm einen bläst!«
Leo knüllte eine Serviette zusammen und warf sie mir an den Kopf.
»Was denn? Ich habe das mal in einem Pornofilm gesehen. Vielleicht auch …« Ich räusperte mich. »Vielleicht auch mehr als einmal.«
Carson stöhnte auf.
»Was ich sagen will: Wen interessiert es denn, mit wem er schläft? Wenn er Spaß dran hat, geht uns das nichts an. Wenn er im Suff ein paar schlechte Entscheidungen getroffen hat, lernt er hoffentlich was draus. Und wenn er es für Geld macht, warum sollten wir ihn aufhalten?« Ich zuckte mit den Schultern. »Mir ist es völlig schnurz, wo ein Kerl seinen Schwanz reinsteckt.« Ich warf einen Blick auf die Bilder. »Oder besser gesagt, wo er ihn sich hinstecken lässt.«
»Alles Schwachsinn.« Ridge schüttelte entschieden den Kopf. »Breck würde so etwas nie freiwillig tun. Jemand muss ihn dazu zwingen.«
»Was, wenn Steele recht hat? Vielleicht tut er es für Geld?«, wandte Leo ein. »Er wäre nicht der erste gut aussehende Junge, der sich auf die Art etwas dazuverdient. Nichts auf diesen Bildern lässt darauf schließen, dass er es nicht freiwillig macht. Nicht mal das hier, auf dem dein Bruder offenbar ohnmächtig geworden ist und der alte Sack dem anderen eine Ohrfeige gibt …« Leo zögerte. »Wenn ich ehrlich bin, sieht es für mich danach aus, als ob der Alte sadomäßig drauf wäre. Und dein Bruder wirkt, als hätte er zu viel getrunken.«
»Nicht böse gemeint, Ridge, aber wenn das dein Zwillingsbruder ist, könnte er damit reich werden. Besonders mit Dreiern. Ihr seid beide ziemlich heiß, die Typen würden sich dumm und dämlich zahlen«, stellte Carson fest.
»Nein.« Ridge blieb hartnäckig. »Er braucht kein Geld. Dafür habe ich gesorgt. Alles, was er machen muss, ist sein Abschluss. Um die Finanzen kümmere ich mich.«
»Also, eigentlich«, sagte Wesley gedehnt, »könnte es durchaus sein, dass er Geld braucht, wenn ich mir das hier so ansehe.«
»Was meinst du?«, hakte Ridge nach.
»Ich habe ihn mal durchgecheckt. Dein Bruder ist pleite, Ridge. Und er hat sich bis zum nächsten Semester von den Vorlesungen befreien lassen. Super Noten übrigens.«
Ridge fiel die Kinnlade runter. Er schloss den Mund so fest, dass ich Angst um seine Zähne bekam. Seine Augen sprühten vor Wut. Breck würde beim nächsten Familientreffen sicher einiges zu hören bekommen.
»Ich dachte, deine Ausrüstung ist noch in Chicago, Wes?«, wunderte ich mich. »Wie hast du das so schnell herausgefunden?«
Wesley hielt sein Handy hoch und wedelte damit herum. »Aufgerüstetes Handy mit meiner selbst entwickelten Entschlüsselungssoftware. Ohne gehe ich nie aus dem Haus.«
»Ich kenne Charlie gut«, bemerkte Leo. »Wahrscheinlich besser als ihr alle, mit Ausnahme von Josie. Er würde uns nicht nach D. C. schicken, nur um einen Kerl davon abzuhalten, seinen Hintern zu verkaufen. Nichts für ungut, aber da muss mehr dran sein. Wenn es nur deinen Bruder beträfe, Ridge, warum hätte Charlie den Auftrag dann Steele erteilt? Da steckt mehr dahinter.«
»Denke ich auch«, stimmte Carson zu. »So direkt würde Charlie nie vorgehen. Wie es aussieht, hat er die Fotos wohl nicht benutzt, um den alten Knacker zu erpressen, oder?« Sein Akzent kam und verschwand wieder, und ich erkannte darin Ähnlichkeiten mit Josies gedehnter Sprechweise und Wesleys Neigung, Vokale in die Länge zu ziehen.
Wir schauten alle zu Josie. Sie zuckte mit den Schultern. »Ihr braucht mich gar nicht so anzusehen. Keiner wusste, wo Charlie überall die Finger drinhatte.«
»Na toll«, sagte Ridge, »echt super.«
Josie setzte sich auf. »Ich