Pros & Cons: Steele. Lisa Schnack

Pros & Cons: Steele - Lisa Schnack


Скачать книгу

       Das bezieht sich auf Suchtabhängige, Dumpfbacke.

      Die bissige Bemerkung war tröstlich wie eine warme Decke, und zum ersten Mal dachte ich ernsthaft daran, Ridge anzurufen. Allerdings hatte er selbst bis zum Hals in irgendeiner schwierigen Situation in Florida gesteckt, als wir das letzte Mal miteinander gesprochen hatten.

      Abgesehen davon hatte ich mir etwas geschworen, als Ridge mir das Geld für die Studiengebühr gegeben hatte. Ein weiteres Mal würde ich seine Hilfe nicht in Anspruch nehmen. Auf keinen Fall wollte ich enden wie unsere Mutter, die andere ausnutzte, bis sie alle vergrault hatte.

      STEELE

      Meine morgendliche Joggingrunde am Strand führte mich an zahlreichen Villen vorbei, von denen eine größer war als die andere. Sie ragten aus dem weißesten Sand hervor, den ich je gesehen hatte. Es musste schön sein, wenn man so reich war. Theoretisch beging ich wahrscheinlich Hausfriedensbruch, aber ich glaubte nicht, dass ich so früh am Morgen jemanden stören würde.

      Ich nickte einem alten Mann grüßend zu, der vom Strand aus seine Angel in der Brandung ausgeworfen hatte. »Glück gehabt?«

      »Die Fische schon.«

      Ich lachte und lief weiter, meine Füße trafen in stetigem Rhythmus auf den festen, nassen Sand. Schweißperlen rannen mir übers Gesicht und brannten mir in den Augen, doch da mein gesamter Körper in Schweiß gebadet war, blieb mir nichts anderes übrig, als es zu ertragen. Die Luftfeuchtigkeit war eben verdammt hoch hier im Süden. Immerhin wehte eine leichte Brise vom Golf herüber und brachte mir etwas Abkühlung, und der hypnotischen Wirkung des sanften Plätscherns der heranspülenden Wellen konnte ich mich kaum entziehen.

      Ich hörte nie Musik beim Joggen, sondern genoss die Ruhe. Laufen war meine Art der Meditation. Dabei konnte ich wunderbar meine Gedanken ordnen, während ich gleichzeitig etwas für meine körperliche Fitness tat. Und nach allem, was gestern bei und nach der Beerdigung passiert war, gab es eine Menge, worüber ich nachdenken musste. Erinnerungsfetzen aus meiner Zeit beim Militär blitzten vor meinem inneren Auge auf und machten mir bewusst, wie viel mehr Spaß ich am Laufen hatte, wenn ich keine fünfunddreißig Kilo schwere Ausrüstung mit mir herumschleppen musste und unterwegs noch dazu eine solch schöne Aussicht genießen konnte.

      Angenehm überrascht hatte ich festgestellt, dass sich in einem der Außengebäude auf Charlies Grundstück ein voll ausgestattetes Fitnessstudio befand. Das war sehr praktisch, sollte ich einmal keine Lust haben, die wenigen Meter zum Strand zurückzulegen. Charlies Haus bot alles, was man sich nur vorstellen konnte: eine Sauna, einen Whirlpool, ein Dampfbad, einen Pool und einen Weinkeller. Es musste schön sein, so viel Geld zu haben. An den Luxus könnte ich mich wirklich gewöhnen.

      Jedenfalls für die Dauer meines Aufenthalts.

      Die lange Hecke, die Charlies Grundstück von dem der Nachbarn abgrenzte, kam in Sicht, und ich verlangsamte mein Tempo und lief die letzten Meter zur Rückseite des Hauses ganz gemächlich. An der steinernen Feuerstelle, die sich unter einem der vielen Balkone befand, traf ich auf Agent Shook, der gerade das Fitnessstudio verließ.

      Oh, Entschuldigung, es hieß ja »Special Agent Shook«. Der liebe Gott mochte verhüten, dass ich je vergaß, wie speziell er war. Vor allem jetzt bestand da nicht die geringste Gefahr.

      Shooks Brust war schweißnass, sein Atem ging schwer. Er war durchtrainiert, aber eher ein drahtiger Typ. Wie bei einem Boxer zeichneten sich seine Armmuskeln wie Taue unter der Haut ab, und so ein Sixpack wie seins bekam man nur durch eine Kombination aus genetischem Glücksfall, eisernem Training und strikter Diät.

      Ja, ich würde ihn nicht von der Bettkante stoßen. Ich war auf keinen speziellen Typ Mann festgelegt, und große Kerle wie er waren perfekte Partner für guten, harten Sex, wie ich ihn ab und zu schätzte.

      »Alvarez«, begrüßte er mich, als ich näher kam.

      »Agent Shook.« Mit hochgezogenen Augenbrauen nahm ich das Handtuch entgegen, das er mir reichte.

      »Ich habe gesehen, wie du den Strand entlanggejoggt bist, und du wirkst etwas verschwitzt.«

      Sein Blick folgte dem Handtuch, mit dem ich mir über die Brust wischte. Er schien die Show zu genießen, also nahm ich mir Zeit und trocknete mich gründlich ab, darauf bedacht, jeden Schweißtropfen zu erwischen. Da ich nichts weiter anhatte als meine knappen Laufshorts, gab es sehr viel Haut, die abgetrocknet werden wollte.

      »Du wirst bestimmt schnell braun«, bemerkte Shook.

      »Nein.« Ich hakte einen Daumen unter den Bund der Shorts und zog sie an der Seite ein Stückchen herunter, damit er sich davon überzeugen konnte, dass sich dort kein Bräunungsstreifen abzeichnete. »Ich bin von Natur aus ein dunkler Hauttyp.«

      »Nun ja«, er verschränkte die Arme. »Du tust offensichtlich sehr viel für deine Fitness.«

      War das etwa ein Beinahe-Lächeln? »Berufliche Notwendigkeit, aber nett, dass du es erwähnst. Und bitte sag Steele zu mir, nur meine Mutter nennt mich Alvarez.«

      Er runzelte die Stirn, wodurch sich die Falte über seiner Nasenwurzel noch weiter vertiefte. Mir kam der Verdacht, dass sie nie ganz verschwand. »Tatsächlich?«, fragte Shook.

      Ich lächelte ihn an. »Nein, und wenn sie noch mit mir spräche, würde sie mich ›Cassie‹ rufen.«

      »Cassie?« Er grinste breit.

      »Sie ist die Einzige, die mich so nennen durfte.«

      »Warum spricht sie nicht mehr mit dir?«

      Das Klappern von Geschirr und das Geräusch von Metallstühlen, die über Beton gezogen wurden, klangen zu uns herüber. Irgendwo in der Nähe bellte ein Hund. »Lass es mich so formulieren: Sie war nicht immer mit den Entscheidungen einverstanden, die ich in meinem Leben getroffen habe.«

      Er brach überraschend in Lachen aus. »Und welche genau? Ich wette, deine Mutter hatte eine große Auswahl.«

      Ich schüttelte lachend den Kopf. »Fast alle. Angefangen damit, dass ich mich zum Militärdienst gemeldet habe. Und die Tatsache, dass ich ihr nie ein nettes Mädchen als potenzielle Schwiegertochter vorstellen werde, hat ihr den Rest gegeben.«

      Shook rieb sich mit einer Hand über den Dreitagebart. Wenn er mich nicht gerade musterte, als ob er mich am liebsten verhaften würde, war Agent Shook ein gut aussehender Mann. Mir gefiel es, wenn ich nach einer leidenschaftlichen Begegnung die Spuren von Bartstoppeln auf meinen Oberschenkeln spürte. Er seufzte. »Ja, meine Eltern waren davon auch nicht begeistert. Von beidem nicht.«

      »Du hast auch gedient?«

      Er überschattete die Augen mit einer Hand und blickte aufs Wasser hinaus. »Ich hätte jetzt wirklich gern eine Tasse Kaffee.«

      Das war ein Ja. Aber ich wollte nicht weiter nachhaken. Jeder hatte das Recht auf seine Geheimnisse, und offensichtlich hatten wir alle mindestens eins. »Ich wette, das lässt sich einrichten. Der gute alte Charlie hat hier bestimmt irgendwo einen von diesen schicken Kaffeevollautomaten herumstehen.«

      »Er war nicht alt«, bemerkte Shook, während wir am Pool vorbei zu der schattigen Terrasse vor der Küche gingen.

      »Wer?«

      »Charlie. Er war jünger als ich, und ich kann es immer noch nicht fassen, dass er tot ist.«

      »Ich auch nicht«, sagte Josie, die auf der Terrasse wartete. »Es ist so traurig.« Sie hatte an diesem Tag auf die Hausmädchenuniform verzichtet und trug stattdessen eine leichte Caprihose und ein mädchenhaftes T-Shirt. Die legere Kleidung ließ sie jünger wirken.

      »Wow, Miss Josie, das sieht fantastisch aus«, sagte ich beim Anblick des üppigen Frühstücks, das uns erwartete. Sie hatte mehrere Schüsseln mit aufgeschnittenem Obst auf dem großen Tisch im Schatten verteilt und jeden Platz eingedeckt. Auf einem langen Nebentisch standen ein Toaster sowie eine Auswahl verschiedener Brotsorten und Aufstriche. Josie war entweder


Скачать книгу