Pros & Cons: Steele. Lisa Schnack

Pros & Cons: Steele - Lisa Schnack


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wir im Supermarkt beim Erdnussbutterklauen erwischt wurden, weil unsere Mutter wieder einmal abgetaucht war und uns ohne Essen allein gelassen hatte. Er hatte mir das ganze Geld aufgezwungen, das sein erster großer Coup ihm eingebracht hatte, weil einer von uns die Chance erhalten sollte, für etwas anderes bekannt zu werden als Diebstähle. Und das würde nicht er sein, hatte Ridge betont. Er würde also ganz sicher einiges zu den Entscheidungen zu sagen haben, die ich in letzter Zeit getroffen hatte.

      In meinem Fünfjahresplan war Prostitution eigentlich nicht vorgesehen gewesen, und genauso wenig hatte ich vorgehabt, Ridges Geld unserer drogenabhängigen Mutter zu geben. Aber wie man so schön sagt: Pläne ändern sich.

      »Rocky, hörst du mir überhaupt zu?«, erkundigte sich Emilio.

      Rocky. Der dämlichste Deckname aller Zeiten. Frag niemals einen betrunkenen, verängstigten und heimwehkranken Escort-Boy aus Colorado nach seinem Namen. Denn er wird den erstbesten nennen, der ihn an die Berge seiner Heimat erinnert, und dann für die nächsten Monate damit leben müssen, dass die Leute ihm »Hey, Adrian!« hinterherrufen, wenn sie ihn sehen.

      »Eigentlich nicht. Wenn du möchtest, dass ich dir zuhöre, darfst du nicht so früh anrufen.«

      »Es ist fast zehn!«

      »Und ich bin erst um drei ins Bett gekommen«, entgegnete ich schnippisch und ohne nachzudenken.

      »Oh-ho-hooooh!« Keine Ahnung, wie er es anstellte, aber Emilio klang gleichzeitig neckend, bewundernd und bedrohlich. »Weiß Cisco, dass du gestern Abend feiern warst?«

       Verdammt.

      Cisco war unser Arbeitgeber, unser Vermittler, unser … Ach, was soll’s: Er war unser Zuhälter, und ihm würde es gar nicht gefallen, wenn ich mir nebenbei auf Partys etwas dazuverdiente. Was nicht der Fall war. Unglücklicherweise würde Cisco das, was ich wirklich getan hatte, jedoch noch viel weniger gefallen.

      »Man kann doch mal lange auf sein, ohne zu feiern«, protestierte ich. »Ich war zu Hause und habe ferngesehen.«

      »Na klar. Also, wenn ich mich umhören würde oder Cisco das täte, dann hätte dich niemand in den Klubs oder Hotels gesehen, richtig?«

      Shit. Ich war wahrscheinlich auf den Sicherheitsvideos von gut einem halben Dutzend der Hotels zu finden, die Ciscos Jungs regelmäßig benutzten. Aber ich war aus einem anderen Grund dort gewesen – ich hatte nach Danny gesucht. Das durften jedoch weder Emilio noch Cisco erfahren. Meine einzige Chance war also, auf die erste Lüge noch eine draufzusetzen.

      »Oh ja, ich weiß, es ist schwer zu verstehen. Aber genau das bedeutet ›zu Hause sein‹, Schätzchen«, konterte ich affektiert.

      Emilio lachte leise auf. »Und wo genau ist dieses Zuhause?«

      Das war eine verdammt gute Frage.

      Ich rollte mich in dem großen Doppelbett auf die Seite, zog mir die Decke bis unters Kinn und genoss den künstlichen Winter, den ich mithilfe der Klimaanlage und ohne Rücksicht auf die Kosten erzeugt hatte. Die Rechnung war zum Glück nicht mein Problem, denn ich würde sie nicht bezahlen müssen.

      Ich überlegte kurz, wie es Chad, dem Angeber aus meinem Moderne-Ethik-und-Kultur-Kurs, der eigentlich hier wohnte, wohl gerade auf dem Rucksacktrip durch Skandinavien erging, von dem er das ganze letzte Semester über unentwegt geschwärmt hatte. Die günstige Gelegenheit, für ein paar Wochen keine Miete zahlen zu müssen, hatte ich mir nicht entgehen lassen und mich kurzerhand in seiner Wohnung eingenistet. Er würde wahrscheinlich vor Wut abgehen wie ein Zäpfchen, wenn er das wüsste, aber da ich seine Pflanzen für ihn goss, war es meiner Ansicht nach ein fairer Deal.

      »Kein Mensch weiß auch nur das kleinste bisschen über dich, Rock. Es wird Zeit, dass du uns endlich mal alle zu Kaffee und Kuchen zu dir einlädst«, verlangte Emilio.

      In hundert Jahren nicht. Danny war der Einzige, mit dem ich mich in den letzten Monaten angefreundet hatte, und nicht einmal er kannte meinen richtigen Namen oder wusste, wo ich gerade unterkam. »Du weißt doch, wie wichtig mir meine Privatsphäre ist, Emilio. Ein paar Dinge behält ein Mädchen eben lieber für sich.«

      »Klar«, meinte Emilio, »dann nehme ich an, der Grund, warum du dich in den letzten Wochen kaum hast blicken lassen, ist auch so eine Sache, die du lieber für dich behältst?«

      Die Neugierde in Emilios Stimme sprang mich fast an, und für einen Augenblick war ich versucht, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber Cisco hatte mir deutlich zu verstehen gegeben, dass es besser für mich war, wenn ich nichts über die Angelegenheit verriet. Nicht, dass er mir viel hätte antun können. Schließlich hatte ich mir dieses Leben ausgesucht. Ich musste im Notfall nur meinen Stolz hinunterschlucken und Ridge um Hilfe bitten. Danny jedoch war ein Straßenkind. Er konnte nirgendwohin und hatte niemanden, an den er sich wenden konnte.

      Cisco hatte es besser drauf als ein vierzehnjähriger Teenager, die Schwachpunkte eines anderen zu erkennen, und er hatte gedroht, es an Danny auszulassen, wenn ich den Mund nicht halten könnte. Vertraute ich mich Emilio an, würde er mich schneller bei Cisco anschwärzen, als mein Vater nach einem Blick auf den positiven Schwangerschaftstest meiner Mutter die Stadt verlassen hatte.

      Also würde ich Stillschweigen bewahren, bis ich Danny gefunden hatte, und einen Weg, wie wir beide aus diesem Schlamassel wieder herauskamen. »Genau«, bestätigte ich, »ich musste was Persönliches regeln.«

      »Aha. Aber es wird allmählich Zeit, dass du dich wieder in den Sattel schwingst, Herzchen, und dich von deiner schmutzigen Seite zeigst. Ich habe einen Job, für den ich dich brauche.«

      »Welcher Kunde?« Schon der Gedanke an einen Freier, egal welchen, verursachte mir Übelkeit.

      »Snow White.«

      Oh, fuck. Auf keinen Fall!

      Aus Sicherheitsgründen benutzte in diesem Geschäft niemand seinen echten Namen. Weder die Escorts noch die Freier. In Washington, D. C., war die Wahrscheinlichkeit groß, dass man den Joe Smith, dem man in der letzten Nacht einen geblasen hatte, am nächsten Tag im Fernsehen wiedersah, wo er behauptete, dass die Einwanderer uns unsere Waffen abnehmen wollten, oder einen ähnlichen Blödsinn. Selbst wenn man den richtigen Namen eines Freiers kannte, behielt man ihn lieber für sich, denn sonst bestand die Gefahr, dass man noch am selben Tag einen Prozess und eine Räumungsklage am Hals hatte.

      Die mächtigsten Männer waren gleichzeitig die perversesten. Das war eine Tatsache, die man in diesem Geschäft ganz früh lernte. Und je mehr sie ihre Homosexualität versteckt hielten, desto bösartiger waren die Freier. Und Snow White war der schlimmste von allen.

      Dieser Psychopath war schuld an Dannys Verschwinden. Seinetwegen hatte ich mich tagelang in Chads Wohnung verkrochen und meinen Plan geändert. Anders als ursprünglich gedacht, würde ich die Stadt nicht erst dann verlassen, wenn ich Ridge das Geld zurückgeben konnte, sondern sobald ich Danny gefunden hatte.

      Das College war mir inzwischen scheißegal, und ich würde schon einen anderen Weg finden, das Geld für meinen Bruder aufzutreiben. Wenn man ausgeknockt wird, während man versucht, zu verhindern, dass jemand den besten Freund zu Brei schlägt, überdenkt man schon mal seine Lebenssituation.

      »Für den bin ich noch nicht wieder bereit«, verkündete ich. »Aber trotzdem danke, Emilio.«

      »Ich denke schon, dass du es bist«, erwiderte Emilio. »Sonst muss ich Cisco sagen, dass du dich weigerst.«

      Das war also der Preis für Emilios Schweigen. Entweder ich übernahm den Job, oder er würde Cisco fragen, wo ich mich letzte Nacht herumgetrieben hatte. Und wenn Cisco erst einmal mit seinen Nachforschungen anfing, würde er sehr bald herausfinden, dass ich nach Danny suchte, der seit der Nacht untergetaucht war, in der Snow White uns verprügelt hatte. Womöglich würde Cisco mich sogar benutzen, um Danny ausfindig zu machen. Und eines war sicher – falls Danny noch am Leben war, wollte er auf keinen Fall von Cisco aufgespürt werden.

      Ich zog mir das Kissen über den Kopf und hieb mit der flachen Hand auf die Matratze ein. Von draußen drang der Lärm eines Müllwagens herein, der seine Runde machte,


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