Musikdramaturgie im Film. Robert Rabenalt
indirekt nach, sodass konkreter und abstrakter (impliziter) Autor außerhalb wörtlicher Rede an ihren eigenen Worten und Wendungen erkennbar werden. Die bemerkbare vermittelnde narrative Instanz ist räumlich und zeitlich ungebunden, wie es für epische Gattungen konstituierend ist – im Gegensatz zum mimetischen Modus, der durch die Präsenz agierender Figuren charakterisiert wird und für dramatische Gattungen konstituierend ist. Daraus folgen jeweils andere Möglichkeiten zur Anordnungen der Handlung. Beide Modi des nachschöpfenden Erzählens sind im Verbund mit lyrischen Mitteln im Film spezifisch umgesetzt anzutreffen und bringen eine Bandbreite unterschiedlicher Arten von Spannung und Wirkungen des filmischen Erzählens hervor. Filmmusik leistet beim Wechsel zwischen den Modi und für das Abrufen passender Strategien bei der Rezeption oftmals einen entscheidenden Anteil.
Die folgende Grafik zeigt eine komprimierte Zusammenfassung der bisher diskutierten Fragen zu filmästhetisch und narratologisch abgrenzbaren Räumen und die Überschneidungen dieser Konzepte mit Aspekten der Filmdramaturgie. Sie kann auch als Grundlage genommen werden, um später die Terminologie der auditiven Ebenen neu zu diskutieren. (s. Abb. 6)
Die Gattungsmerkmale fiktionaler und dokumentarischer Formen des Films unterscheiden sich zwar in einigen durchaus wesentlichen Punkten (Konkretheit des Drehbuchs, Spontaneität, Intention der Filmschaffenden, Verantwortung gegenüber den Protagonisten). Dramaturgisch gesehen gibt es jedoch mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen Spiel- und Dokumentarfilm und somit eine Vielzahl von gegenseitigen Einflüssen und Mischformen. Hier zeigt sich, dass Dramaturgie über Gattungsgrenzen hinweg ein Werkzeug ist, um Erzählungen zu erschaffen, und durch den Gebrauch der künstlerischen Mittel ein Erkenntnisinstrument ist, mit dessen Hilfe gesellschaftliche Umstände abgebildet werden können. Dass dies im Falle des Dokumentarfilms offensichtlich geschieht und in fiktionalen Genres eher verschleiert wird, ist bei Berücksichtigung vieler Beispiele eine nicht zu haltende Ansicht.
Abb. 6: Filmästhetisch, dramaturgisch und narratologisch abgrenzbare Räume
Die Untersuchungen musikästhetischer Auffassungen und überlieferter Kontroversen haben gezeigt, dass musikwissenschaftliche Methoden der Filmmusikforschung bei der Entwicklung von Thesen helfen können und eine Reihe hilfreicher Begriffe zur Verfügung stellen. Insbesondere die Thesen dazu, was der Inhalt von Musik wäre, inwieweit Musik die geeignete Sprache sei, um Innerlichkeit zum Ausdruck zu bringen, und was musikalische Poesie und Programmmusik sind, offerieren Ideen dafür, worauf Filmmusik ästhetisch aufbaut und wie sich ihre Wirkung in den Erzählkünsten erklären lässt. Musik »erzählt« nicht selbst. Aber in Strukturen und Prozessen von Musik steckt implizit die Geste eines »erzählenden« Subjekts.
Musiktheoretische Formbegriffe korrespondieren mit narrativen Formidealen und zielen z. B. auf den lyrisch-kreisenden Charakter von Musik (z. B. realisiert in einer liedhaften Melodie), den prozessualen Charakter von Musik (z. B. ein Thema und seine Verarbeitung) oder auf die Disposition der Teile und Charaktere (z. B. Verwicklung, Höhepunkt und Lösung; Analogien zwischen Themendualismus und Protagonist vs. Antagonist, Nebenthema und Nebenfigur), was auch die Methodik zur musikalischen Analyse von Filmmusik beeinflusst hat und weiter beeinflussen dürfte.
In der musikalischen Komposition wird ein außermusikalisches Sujet als kompositorisches Material verstanden, wie Töne, Rhythmus und Harmonien. Musik »spricht« dann von den Resonanzen, die zwischen den Haltungen und Gefühlen der Komponierenden und Ausführenden entstehen. Einhergehende Missverständnisse zur Narrativität von Musik, etwa die Literarisierung von Musik durch verbales Festhalten eines dem Musikstück zugrunde liegenden Programms, führten aber zu fließenden Grenzen im Verständnis von musikalischer Illustration, Musik als Ausdruck innerer Empfindungen und Ideenkunstwerk. Für die Analyse von Filmmusik könnten die musikalischen Mittel, die illustrieren oder solche Resonanzen schon einmal außerhalb des Films zum Ausdruck gebracht haben, interessant werden. Es wäre noch genauer zu untersuchen, wann und welche musikalischen Topoi in komponierter, kompilierter oder zitierter Filmmusik zum Einsatz kommen und dramaturgische Bedeutung erlangen.
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