Allgemeinbildung zum Mitnehmen. Bärbel Hoffmann

Allgemeinbildung zum Mitnehmen - Bärbel Hoffmann


Скачать книгу
– was auf dem Lande unbekannt ist. Neu ist auch der unerbittliche Arbeitstakt. Die Arbeitszeiten betragen in der Frühphase der Industrialisierung 15 bis 17 Stunden. Soziale Absicherungen wie Krankenversicherung gibt es noch nicht. Auch die Löhne in der Arbeiterschaft sind sehr unterschiedlich zwischen Spezialisten wie Lokführern, Facharbeitern und andererseits ungelernten Arbeitern – Kinder und Frauen sind vorwiegend in der Textilindustrie beschäftigt. Allerdings: Die Industriearbeiter entwickeln ein eigenes Bewusstsein und nennen sich stolz Proletarier. Sie schaffen sich eine eigene Kultur, finden zusammen in Sport,- Gesangs- und Bildungsvereinen.

      Die Soziale Frage ergibt sich daraus, dass der Pauperismus, also die Verarmung der unteren Gesellschaftsschichten, aus der vorindustriellen Zeit sich fortsetzt. Die Frühsozialisten, vor allem in Frankreich, entwickeln bereits vor Marx und Engels sozialistische Ideen. Die allerdings sind eher utopischer Natur, etwa die Abschaffung des profitorientierten Handels.

      Mit seinen revolutionären Theorien beeinflusst Karl Marx (1818–1883) gemeinsam mit Friedrich Engels (1820–1895) die Entwicklung der Gesellschaft bis heute. Die Arbeiterbewegung übernimmt in Teilen seine Ansichten, die Revolutionen in Russland (1917) und Deutschland (1918) sind von den Führern als Umsetzung Marxcher Ideen geplant. Die Staatsgründungen der Sowjetunion, der DDR, die Regime in den ehemaligen Ostblockstaaten, das China Mao Zedongs sind von den Theorien von Marx beeinflusst. Sein Hauptwerk ist das Kapital.

      Das Kapital – und die Urgesellschaft

      Nach und nach verbessern Unternehmer die Situation ihrer Arbeiter. So richtet Alfred Krupp eine Kranken- und Sterbekasse ein, baut Wohnsiedlungen und schafft preiswerte Einkaufsmöglichkeiten. Auf Ernst Abbé, Gründer der optischen Werke in Jena, geht die 1899 eingerichtete Carl-Zeiß-Stiftung zurück; er verkürzt die Arbeitszeit auf acht Stunden, gewährt seinen Arbeitern Urlaub und beteiligt sie mit Fonds am Gewinn des Unternehmens. Beweggründe sind christliche Ethik, aber auch das Zufriedenstellen der Arbeiter zum Fortbestehen der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.

      Das heutige Gebiet Deutschlands ist bis 1871 ein lockerer Staatenbund ( Deutscher Bund: S. 25). Auch in der Revolution 1848/49 ( Revolution 1848/49: S. 181) scheitert der Versuch, einen deutschen Nationalstaat mit Verfassung zu schaffen.

      In den 1860er Jahren entwickelt sich Preußen zur vorherrschenden Großmacht. Allerdings entsteht ein Konflikt zwischen Preußens König und dem Parlament. Wilhelm I. (1797–1888) plant eine umfassende Modernisierung des preußischen Heeres. Seit der Deutschen Revolution hat Preußen allerdings eine Verfassung und der König ist in seiner Macht eingeschränkt. Die Abgeordneten verfügen über das Budget für das Militär. Das Parlament widersetzt sich dem Plan des Königs, da die liberale Mehrheit statt eines Heeres mit adeligen Offizieren ein Volksheer aufstellen will.

      Als der preußische König 1862 Otto von Bismarck (1815–1898) zum Ministerpräsidenten beruft, wird der Heereskonflikt zugunsten des Königs entschieden. Bismarck findet in der preußischen Verfassung eine Lücke und setzt die Heeresreform damit ohne Beteiligung des Parlaments durch. Dennoch bleibt die Lage ruhig, da es durch den Zollverein ( Zollverein: S. 29) einen wirtschaftlichen Aufschwung gibt. Preußen entscheidet anschließend die drei Deutschen Einigungskriege (1864-1871) für sich. Der Sieg im Deutsch-Dänischen Krieg, in dem es um Holstein und Schleswig geht, ist ebenfalls ein Erfolg für Preußen.

      Preußen und Österreich kämpfen schon lange um die Vorherrschaft im Deutschen Bund, außerdem hat der Deutsch-Dänische Krieg zu Streitigkeiten um die Verwaltung über Holstein und Schleswig geführt. 1866 kommt es zum Krieg zwischen den beiden Großmächten. Preußens Armee ist Österreich deutlich überlegen – der gesamte nördliche Raum Deutschlands ist nun unter preußischer Kontrolle. Preußen löst den Deutschen Bund auf und gründet kurz darauf den Norddeutschen Bund, der als Vorläufer gilt für das 1871 gegründete Kaiserreich.

      1870 kommt es in Spanien zu einem Streit um die Thronfolge. Der französische Kaiser Napoleon III. (1808–1873) lehnt den Kandidaten, den Hohenzoller Prinz Leopold ab. Er will nicht von zwei Seiten von einem Hohenzollern, also einem preußischen Fürsten, eingeengt werden. Bismarck wiederum lehnt die Forderung auf Rückzug des Kandidaten ab; er formuliert und veröffentlicht die Ablehnung als Emser Depesche in der Presse. Die Franzosen empfinden das als demütigend – das führt letztlich zum Deutsch-Französischen Krieg. Preußen stützt sich neben den norddeutschen auch auf die süddeutschen Staaten. Die übrigen europäischen Staaten greifen nicht ein. 1870 unterliegt die französische Armee bei Sedan, Napoleon III. wird gefangen genommen. Preußen zwingt letztlich Frankreich zur Abtretung von Elsass und Lothringen.

      Gestärkt von dem Sieg wird am 18. Januar 1871 im Spiegelsaal von Versailles das Deutsche Kaiserreich ausgerufen. Durch die Reichsgründung werden alle deutschen Staaten zum Einheitsstaat unter preußischer Führung vereinigt. Kaiser wird Wilhelm I. Und Bismarcks Politik als Reichskanzler ist in den Folgejahren von einem absichernden Bündnissystem geprägt, das Konflikte mit Europas Großmächten verhindern soll.

Der Lotse geht von Bord(Von John Tenniel - Punch, 29. März 1890, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=145093)

       Otto von Bismarck (1815–1898): Als Reichskanzler und Außenminister leitet Bismarck von 1871 bis 1890 das Reich – verantwortlich nur dem Kaiser, nicht dem Parlament. Seine Bündnispolitik prägt die Überzeugung, dass nicht die Expansion, sondern die Sicherung des Erreichten die deutsche Außenpolitik bestimmen muss. Innenpolitisch setzt Bismarck wenig auf die Balance zwischen den gesellschaftlichen Gruppen. Soziale Probleme und das damit verbundene Erstarken der Sozialisten regelt er mit dem Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie von 1878.Auf der anderen Seite versucht er mit einer positiven staatlichen Sozialpolitik die Arbeiter für sich zu gewinnen und will zeigen, dass der Staat mehr zu bieten hat als die politischen Vertreter der Arbeiterschaft. Seine Sozialgesetzgebung mit dem Unfall- und Krankenversicherungsgesetz sowie dem Alters- und Invalidengesetz ist die modernste ihrer Zeit. Mehr noch: Deutschland ist der weltweite Vorreiter eines staatlichen Sozialsystems; Bismarcks Modell wird bald auch von vielen anderen Ländern übernommen. Bis heute ist es die Grundlage für den Sozialstaat ( Politik / Gesellschaft: S. 57).

      Kaiser Wilhelm I. lässt Bismarck innen- und außenpolitisch freie Hand.

      Mit Kaiser Wilhelm II. (1859–1941) – Nachfolger des 1888 verstorbenen Kaisers – kommt Bismarck von Beginn an nicht klar, das führt zu immer größeren Meinungsverschiedenheiten. Bismarck reicht 1890 sein Rücktrittsgesuch ein, das von Wilhelm II. forciert


Скачать книгу