Vergiftete Hoffnung. Mara Pfeiffer

Vergiftete Hoffnung - Mara Pfeiffer


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bezweifle, dass du da irgendeine Nummer hast.“

      „Was zur Hölle soll das wieder heißen?“

      „Als ob dich meine Familie interessieren würde. Wie oft waren wir bislang zusammen bei meinen Eltern?“

      „Worüber willst du jetzt genau mit mir reden, hm? Meinen Sohn? Deine Eltern? Die Frage, wie viele Katzen ich in meiner Wohnung halten darf? Oder vielleicht doch was Grundsätzliches?“

      Schweigen. Jo ist inzwischen am Auto angekommen und lässt sich auf den Fahrersitz des Lupos gleiten.

      „Wenn du’s nicht weißt, Hans. Ich weiß es sicher nicht.“

      „Vielleicht sollten wir mal grundsätzlich reden.“

      „Be my guest. Aber nicht heute.“

      „Weil du erstmal eine neue Katze anschaffen musst? Als wäre das nicht etwas, worüber wir vorher sprechen sollten?“

      „Muss ich dich denn auch um Erlaubnis bitten, wenn ich mir neue Bettwäsche kaufe?“

      „Jo, das ist was komplett anderes. Hier geht es um Verantwortung für ein Lebewesen. Und wenn wir irgendwann zusammenwohnen, möchte ich vielleicht mitreden dürfen, wenn es darum geht, wie viele Menschen und Tiere da beteiligt sind.“

      „Wenn wir irgendwann mal zusammenwohnen sollten, kannst du dich da gerne auch einbringen. Aber vorher geht es dich echt einen feuchten Scheißdreck an.“

      Noch bevor Jo auflegen kann, tönt ihr aus dem Hörer ein Tuten entgegen. Wütend knallt sie das Handy auf den Beifahrersitz und startet den Motor. Im Autoradio singt Gisbert zu Knyphausen

      „Es gelingt nicht mehr

      so zu tun als wär’ alles okay

      für diese Scheinheiligkeit ist es zu spät

      du hast einen Wurm im Ohr der dich verweht

      wir sind immer unterwegs

      aber überall zu spät.“

      Jo unterdrückt das Bedürfnis zu heulen und brettert in Richtung Nonnas Wohnung durch den Nachmittag. Die Anrufe, die auf dem Weg dorthin mit unterdrückter Nummer bei ihr eingehen, nimmt sie erst wahr, als sie den Wagen am Ostergraben parkt, um Luca bei ihrer Großmutter einzusammeln. Sieben neue Nachrichten auf der Mobilbox. Was zur Hölle?

      „Jo, bitte leg nicht gleich auf, hör dir erst …“

      Es ist Finns Stimme, die sich da unerwartet in ihr Ohr schleicht. Jo hat seine Nummer seit dem letzten Anruf gesperrt, aber indem er sie unterdrückt, dringt er offenbar doch zu ihr durch. Sie schnaubt. Was für eine beschissene Dreckstechnik. Sicher auch super für die Opfer von Stalking, dass irgendwelche Arschlöcher nur absolute Basics bei der Bedienung eines Telefons draufhaben müssen, um einfach ungestört weiter zu nerven. Im Telefonbuch ihres Handys sucht Jo fahrig nach Finns Nummer, wählt daneben die kleine Sprechblase für eine SMS aus und tippt:

      „Lass mich in Ruhe, du Penner. Sonst gehe ich zur Polizei.“

      Beim Wort Polizei muss Jo an Hans denken, und dass er auf der Liste von Menschen, die sie gerade am liebsten nicht sehen will, den Platz direkt hinter Finn hat. Mit einem zynischen Lachen knallt sie die Tür ihres Lupos ins Schloss. Was für ein Scheißtag.

      „Engelchen.“

      „Nonna.“

      Jo fällt ihrer Großmutter so heftig in die Arme, dass die alte Frau ins Wanken gerät. Mit beiden Armen fest um Nonna geschlossen, bringt Jo die Bewegung, die sie selbst ausgelöst hat, wieder unter Kontrolle. Sie küsst die Großmutter sanft auf den Kopf, tritt einen Schritt zurück und lächelt sie schief an.

      „Alles gut bei dir?“

      „Besser als bei euch, Kleines.“

      „Wieso? Stimmt was nicht mit Luca?“

      „Die Frage ist eher, was mit dir nicht stimmt. Eine zweite Katze?“

      „Fang du nicht auch noch an.“

      „Wieso auch?“

      „Weil Hans mich schon nervt, in der Wohnung sei nicht genug Platz für noch ein Tier. Als ob es ihn was angeht.“

      „Engelchen.“ Nonna greift nach ihrer Hand. „Mich geht es nichts an, wie viele Katzen in eure Wohnung passen. Aber du sagst seit Monaten, noch ein Tier kommt nicht in Frage. Jetzt versprichst du es deinem Sohn aus dem Nichts zwischen Tür und Angel. Mit solchen großen Gesten willst du meistens ein schlechtes Gewissen beruhigen. Ich muss es wissen, denn das hast du von mir.“

      „Autsch.“

      „Hm?“

      „Treffer, versenkt.“

      „Das weiß ich doch, Jo. Was ist los?“

      „Kann ich dir das ein andermal erzählen, Nonna? Ich will wirklich mit dir drüber reden. Ich weiß nämlich nicht mehr weiter. Aber nicht jetzt. Ist das okay? Heute will ich einfach mit meinem Kind Katzenbabys flauschen. Das brauche ich gerade.“

      Nonna führt Jos Hand, die sie immer noch in ihrer hält, zum Mund und haucht ihr einen sanften Kuss auf die Finger. „Wie du magst, Kleines. Aber denk dran, du kannst Luca nicht jedes Mal eine neue Katze schenken, wenn du dich ihm gegenüber schlecht fühlst. Und ich bin eine alte Frau und werde wohl nicht mehr ewig hier sein.“ Sie lächelt verschmitzt, trotz der Schwere ihrer Worte.

      „Du wirst hundert, Nonna. Das hat der liebe Gott versprochen.“

      „An den glaubst du doch gar nicht.“

      „Aber Luca. Und der hat es mit ihm ausgemacht.“

      „Mama?“

      „Was denn, Cookie?“

      „Möchtest du ein Mädchen oder einen Jungen?“

      „Ich bin mit dir ganz zufrieden.“

      „Orrr. Mama. Ich meine die Katze.“

      „Da bin ich mit Obama ganz zufrieden.“

      „Mama. Du bist unmöglich.“

      Jo betrachtet den zappelnden Luca im Rückspiegel und muss über seine offensichtliche Ungeduld lachen.

      „Hör mal, Cookie. Ich habe dir das mit der Katze noch nicht fest versprochen, okay? Es ist also nicht gesagt, dass wir da gleich mit einem neuen Mitbewohner aus dem Tierheim rausgehen.“

      „Es ist aber auch nicht gesagt, dass wir es nicht machen.“

      Jo grinst.

      „Also, willst du ein Mädchen oder einen Jungen, Mama?“

      „Ich bin mit meinem Jungshaushalt eigentlich ganz zufrieden. Du, Obama und ich – das klappt ganz gut, was meinst du?“

      „Und Hans.“

      „…“

      „Mama?“

      „Hm?“

      „Warum hast du ein eigenes Zimmer und ich habe ein eigenes Zimmer und Hans hat kein eigenes Zimmer? Er weiß gar nicht, wo er seine Sachen hintun soll, wenn er bei uns ist.“

      „Hat er das gesagt?“

      Luca grübelt angestrengt.

      „Cookie?“

      „Du darfst nicht mit ihm schimpfen.“

      „Wieso sollte ich mit Hans schimpfen?“

      „Er sagt, du bist sauer, wenn er ein eigenes Zimmer will.“

      „Sagt er das, hm.“

      Nicken.

      „Schau mal, Luca, als wir in die Wohnung gezogen sind, da gab es Hans doch noch gar nicht. Erinnerst du dich?“

      „Ja. Da gab es Jonas.“


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