DIAGNOSE F. Группа авторов

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auf deinem Konto hast. Und die du leider der Gesellschaft auch nicht wert bist!

      Sobald die Lebenserhaltungssysteme abgeschaltet werden, wirst du innerhalb einiger Tage sowohl in Virtul als auch in der Realität sterben.«

      Ich stecke sowas von bis über die Ohren in der Scheiße …, erkannte Zarko, dem die Bedrohlichkeit seiner Lage immer klarer wurde.

      »Noch was muss ich dir sagen. Vielleicht ahnst du es inzwischen schon: Du bist hochgradig spielsüchtig. Voll drauf, wie ein echter Junkie. Du kannst ohne deine virtuelle Welt nicht mehr leben. Sie ist deine Droge!

      Wenn du den Chip jetzt abschaltest, wirst du ihn zwangsläufig irgendwann wieder einschalten. Und dann immer wieder. Du kennst das ja, und wohin das schließlich führt, wird dir hoffentlich gerade klar! Irgendwann wirst du, wie jetzt, den Weg in die Realität nicht mehr finden. Und ich stehe dir dann nicht mehr zur Seite. Das ist deine letzte Chance!«

      »Klasse Strategie, Zarkowitzky unverblümt mit der Realität zu konfrontieren und ihm zu sagen: so oder gar nicht!«, rief Professor Karlow. »Riskant, aber konsequent und schonungslos.«

      »Na ja, welche Möglichkeiten hätte die KI noch?«, erwiderte Doktor Asmov. »Das ist die einzige Sprache, die der Typ versteht, und das weiß sie! Unsere KI funktioniert besser, als wir dachten.«

      Doktor Simon meldete sich: »Zarkowitzkys Vitalzeichen sind jetzt im oberen Grenzbereich. Das EEG zeigt deutliche Übererregung. Ich sollte ihn leicht sedieren, damit er wieder ruhiger wird, sonst droht ein Nervenzusammenbruch, und das könnte in dieser Situation fatale Folgen haben.«

      »Warten Sie noch etwas, Doktor Simon! Ich sehe das Risiko, aber unsere KI hat ihn gleich soweit, er ist schon fast davon überzeugt, dass sie recht hat und dies wirklich seine einzige Chance ist!«

      Zarko war mehr als verunsichert. Er brachte kein Wort heraus.

      »Du hast nur diese Alternative, wenn du leben willst. Klink dich aus, und bevor man dich aus dem Koma holt, wird dir der Chip entfernt. Wenn du das willst!

      Die Ärzte, die sich gerade um dich kümmern, werden registrieren, wenn du dich ausloggst. Mit deiner Zustimmung können sie den CBC-Chip auflösen. Dazu injizieren sie dir eine eigens dafür entwickelte, biochemische Lösung. Wenn du das nicht willst, okay, dann bleib eingeloggt. Das ist dann deine Art, dich aus dem realen Leben zu verabschieden.

      Du weißt auch: Wenn du dich ausklinkst, wird das kein leichter Weg für dich werden. Du wirst Schmerzen haben. Du wirst zurück nach Virtul wollen. Das Leben wird dir nicht mehr lebenswert erscheinen. Du wirst Depressionen haben. Du wirst den Tag verfluchen, an dem du mir begegnet bist.«

      Zarko versuchte zu schlucken, aber sein Rachen war staubtrocken.

      »Auf der anderen Seite hast du hier in Virtul bewiesen, dass du ein Kämpfer bist. Einer, der nicht so leicht aufgibt. Einer, der bis an seine Grenzen geht und, wenn es sein muss, sogar darüber hinaus.« Sie machte eine kurze Pause. »Damit ist mein Auftrag beendet! Darf ich dir zum Abschied noch etwas ganz Persönliches raten?«

      Zarko, der seine Situation mit all ihren Konsequenzen nur allmählich realisierte, konnte wieder nur nicken.

      »Zarkowitzky, wenn du ein wahrer Held sein willst, stell dich den Abenteuern deines realen Lebens. Das sind die einzigen Herausforderungen, die wirklich zählen und auf die du unzweifelhaft stolz sein kannst, wenn du sie meisterst. Auch in der Realität findest du Wegbegleiter und Freunde. Die Schätze, die du erobern kannst, sind Freundschaft, Liebe und Familie.«

      K’Ia drehte sich um und ging davon, ohne zurückzublicken. Die Zahlenreihen, die ihren Mantel zierten, begannen zu leuchten. K’Ia wurde durchscheinend. Schließlich löste sie sich auf und verlies Virtul, als hätte es sie nie gegeben. Ihre Stimme hallte noch nach, bis auch diese verwehte: »Es ist ganz allein deine Entscheidung! Marko Zarkowitzky, triff die richtige Wahl!«

      Diagnostischer Kommentar

      Die vorläufige Verdachtsdiagnose des Notarztes, der Marko Zarkowitzky dehydriert und auf dem Boden in seiner Wohnung liegend vorfand, trifft es: hochgradige Spielsucht, kombiniert mit massiver körperlicher Vernachlässigung. Eben ein guter Notarzt.

      In der ICD-10 ist die Computerspielsucht noch nicht erfasst; sie wird erst in der nächsten Ausgabe, in der ICD-11, codiert sein.

      Zu den F-Diagnosen passt am ehesten die F63.0, das pathologische Spielen (bzw. die Kategorie Sonstiges, F63.8). Damit ist zwanghaftes Spielen gemeint, auch als Glücksspielsucht bekannt, also das Zocken an Glücksspielautomaten, in Spielhallen (oder -höllen?), aber auch das Verspielen von Geld in Wettbüros, etwa im Rahmen von Sportwetten, bis hin zum exzessiven Lottospielen und der wiederholten Teilnahme an (illegalen) Pokerrunden.

      Dreht sich im Leben des Betroffenen alles nur noch ums Spielen, vernachlässigt er also seine sozialen Kontakte oder verschuldet sich immer mehr, um Einsätze machen zu können, kann er deswegen seinem Job nicht mehr nachgehen oder werden Ehe und Familie dadurch zerrüttet, liegt ein sehr ernstes Problem vor, das ähnlich schwer zu behandeln ist wie andere Süchte.

      Interessanterweise wird das pathologische Spielen in der ICD-10 nicht den Abhängigkeitserkrankungen, sondern den Störungen der Impulskontrolle zugeordnet.

      Online- bzw. Computerspielsucht weist ähnliche Charakteristika auf. In der kommenden ICD-11 wird sie als 6C51 diagnostiziert werden: »Gaming disorder«. Auf gut Deutsch: Computerspielsucht bzw. Internetabhängigkeit, also auch zwanghaftes Video- und Onlinespielen (vgl. hierzu auch den diagnostischen Kommentar zur Story »Game Over & Out« von Aiki Mira).

(002) M

      Monika Niehaus: Der Fall Häwelmann

      »Hohes Gericht! Ich werde scheußlicher Verbrechen beschuldigt, und ich gebe freimütig zu, dass ich sie begangen habe, aber bin ich deshalb auch schuldig?«

      Der Angeklagte mochte Mitte zwanzig sein, wirkte aber noch immer recht kindlich mit seinem blonden Haarschopf und den großen blauen Augen, die ein wenig verwundert in die Welt zu blicken schienen.

      »Sie sind mir entgegengekommen und haben die Verhandlung in die Nacht verlegt, und im Gegenzug habe ich Ihnen völlige Offenheit versprochen. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren. Seht Ihr den guten alten Mond, wie Ihr ihn nennt, mit seinem freundlichen Gesicht? Nun, ich habe seine andere, ich habe die böse Seite des Mondes kennengelernt. Meine Mondhörigkeit, hohes Gericht, wurzelt in meiner Kindheit.

      Damals, ich war kaum drei Jahre alt, entführte mich der Mond auf einem Strahl, den er durchs Schlüsselloch schickte, aus meinem Zimmer. Er lotste mich aus eitler Lust quer durch die Stadt, den Wald und schließlich bis in den Himmel, wo ich mich nur dadurch aus seinem Bann befreien konnte, dass ich ihm quer übers Gesicht fuhr, was, das gebe ich freimütig zu, einige Narben hinterließ. Daraufhin schleuderte er mich voll Zorn ins Meer.

      Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren, findet Ihr nicht, dass der Mond schon viel größer geworden ist, fast ein Viertel des Himmels einnimmt?

      Ich wurde durch einen glücklichen Zufall gerettet, aber seitdem verfolgt mich der Mond, der gute alte Mond, wie Ihr ihn nennt, mit seiner Rache. Zunächst waren es Katzen, deren Augen bekanntlich im Mondlicht illuminieren, die er mich umzubringen zwang. Dann hetzte er mich auf größere Beute wie Mondkälber, noch feucht von der Milch ihrer Mutter. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren, findet Ihr nicht, dass der Mond jetzt gut die Hälfte des Himmels einnimmt?

      Doch bald genügte ihm auch das nicht mehr, ihn gelüstete nach jungen Mädchen, und gehorsam schnitt ich ihnen mit einer Mondsichel die Kehle durch, sodass er ihr silbernes Blut trinken konnte. Ihr müsst mir glauben, Euer Ehren, es war nicht mein freier Wille, der gute alte Mond, wie ihr ihn nennt, hat mich dazu gezwungen. Schaut aus dem Fenster, Euer Ehren, findet Ihr nicht, dass der Mond noch viel größer geworden ist und nun den ganzen Himmel einnimmt?

      Die


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