TEXT + KRITIK Sonderband - Ins Archiv, fürs Archiv, aus dem Archiv. Группа авторов

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648 Disketten, 100 CD-ROMs, 1,1 Terabyte umfassende Dateien und wird Marbach über Jahre beschäftigen.

      Die Lücke in der Bibliothek

      Autoren arbeiten nicht voraussetzungslos, sie schreiben – bewusst oder unbewusst – vorhandene Literatur fort. Ihre Büchersammlung bezeugt, was sie gelesen haben und bildet oft einen Schlüssel zum literarischen Werk. Der Aussagewert von Autorenbibliotheken ist jedoch von unterschiedlicher Natur und Qualität. Sind dort Erkenntnisse über literarische Einflüsse zu gewinnen, handelt es sich um Arbeitsmaterialien, die Eingang in die literarische Fiktion fanden, oder war der Autor schlicht ein Bücherliebhaber, dessen Sammlung ein persönliches Profil aufweist? Unterscheiden muss man zunächst zwischen der realen Bibliothek, die den Weg ins Magazin gefunden hat, und der virtuellen Bibliothek, die den tatsächlichen Lektürekanon eines Autors umfasst. Autorenbibliotheken kommen meist mit dem Nachlass ins Literaturarchiv. Sie sind eine Bestandsaufnahme zum Zeitpunkt des Ablebens ihres Besitzers (sofern nicht Erben schon wertvolle Stücke verkauft oder verschenkt haben). Neben gelesenen Werken finden sich dort von Schriftstellerkollegen übersandte, oftmals gewidmete Bücher, aber auch von Verlagen oder Autoren zugeschickte Rezensionsexemplare. Die Dynamik einer Sammlung – wann und wo wurde das Buch erworben, wann und warum hat der Besitzer sich davon getrennt – bleibt meist verborgen, hat der Autor nicht entsprechende Vermerke vorgenommen.

      Nicht alles hatte Thomas Mann vor den Nationalsozialisten retten können: Gerade mal die Hälfte der Bücher aus seiner Bibliothek hatten Erika, Golo und Freunde in die Schweiz geschafft, als die Münchner Villa in der Poschinger Straße am 25. August 1933 beschlagnahmt wurde. Recherchen der Arbeitsgruppe NS-Raubgutforschung ergaben, dass die Bücher mit dem Vermerk »Herkunft unbekannt« in den Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek integriert wurden. 78 Bände, oftmals mit Widmungen versehen, konnten als Werke aus der Privatbibliothek Thomas Manns identifiziert und dem Archiv in Zürich übergeben werden.


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