TEXT + KRITIK Sonderband - Ins Archiv, fürs Archiv, aus dem Archiv. Группа авторов
href="#ulink_8a93c46f-a533-50eb-9cbb-374956c757df">31 Moritz Baßler: »Der deutsche Pop-Roman. Die neuen Archivisten«, München 2002. — 32 Thomas Kling: »Das brennende Archiv«, Frankfurt / M. 2012, S. 7. — 33 Plattform Else Lasker-Schüler: URL: http://www.laskerschuelerarchives.org (15.12.2020). — 34 Michael Gasser: »Alles erschlossen, alles digitalisiert – Der moderne Zugang zum Thomas-Mann-Archiv der ETH-Bibliothek. Ein Projektbericht«, in: »Bibliothek. Forschung und Praxis«, 2015, Nr. 3, S. 378–383. — 35 Jährlich macht das Archiv in Zusammenarbeit mit dem S. Fischer Verlag und mit Genehmigung der Erbengemeinschaft ausgewählte Originalhandschriften von Thomas Mann online zugänglich. Mit der 2020 erfolgten Teilaufschaltung der Handschriften wurden zum Beispiel Manns Korrekturrückmeldungen zum »Der Zauberberg« an den Verlag ins Netz gestellt. — 36 URL: http://handkeonline.onb.ac.at (15.12.2020) — 37 Zu Handkeonline vgl. Vanessa Hannesschläger: »Analoge Literatur und digitale Forschung. Perspektivenverschiebung in Online-Projekten von Literaturarchiven«, Berlin 2017. — 38 Aus diesem Anlass führte Ulrich von Bülow ein Gespräch mit Handke über seine Tagebücher, das im »Marbacher Magazin 161: Das stehende Jetzt. Die Notizbücher von Peter Handke« neben Essays über Tagebuch-Notizen zu Spinoza und Heidegger abgedruckt ist. Der bibliophil aufgemachte Band mit farbigen Faksimiles ist das Gegenstück zur Online-Präsentation der Notizbücher. — 39 Vgl. Georg Vogeler: »Das Digitale Archiv. Der Computer als Mediator, Leser und Begriffsbildner«, in: Klaus Kastberger / Stefan Maurer / Christian Neuhuber (Hg.): »Schauplatz Archiv. Objekt – Narrativ – Performanz«, Berlin 2019, S. 75–87, hier S. 77. — 40 Hannesschläger: »Analoge Literatur und digitale Forschung«, a. a. O. — 41 Ebd. — 42 In Anlehnung an Boris Groys konstatiert Magnus Wieland: »Allein die stationäre Aufbewahrung an genau einem, nicht jederzeit zugänglichen Ort bewirkt die Auratisierung des Originals.« Magnus Wieland: »Aura – Von der Dignität zur Digitalität des Dokuments«, in: Kastberger u. a. (Hg.): »Schauplatz Archiv«, a. a. O. S. 89–105, hier S. 94. — 43 Vogeler: »Das Digitale Archiv«, a. a. O., S. 85. — 44 Julia Encke: »Exit-Strategie.Herrndorfs Revolver«, in: »Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung«, 13.4.2016. — 45 Vgl. https://www.dla-marbach.de/bibliothek/spezialsammlungen/bestandsliste/bibliothek-paul-celan/ (15.12.2020). — 46 Clement Fradin: »Mit dem Buch / gegen das Buch schreiben. Zu dem Gedicht ›Unverwahrt‹ von Paul Celan und der Lektüre von Alexander Sperls Buch ›Teste selbst‹«, in: Stefan Höppner u. a. (Hg.): »Autorschaft und Bibliothek. Sammlungsstrategien und Schreibverfahren«, Göttingen 2018, S. 130–154. — 47 Informationen zur Bibliotheksgeschichte, zu den Beständen, den Provenienzmerkmalen und zu einzelnen Büchern bietet die Publikation: Stephan Matthias / Oliver Matuschek: »Stefan Zweigs Bibliotheken«, Dresden 2018. — 48 Anke Jaspers: »(Frau) Thomas Manns Bibliothek? Autorschaftsinszenierung in der Nachlassbibliothek«, in: Dies. / Andreas B. Kilcher (Hg.): »Randkulturen. Lese- und Gebrauchsspuren in Autorenbibliotheken des 19. und 20. Jahrhunderts«, Göttingen 2020, S. 141–165, hier S. 141. — 49 Thomas Mann Nachlassbibliothek | ETH Zürich. — 50 Jaspers: »(Frau) Thomas Manns Bibliothek«, a. a. O., S. 159. — 51 Uwe Wirth: »Lesespuren als Inskriptionen. Zwischen Schreibprozessforschung und Leseprozessforschung«, in: Jaspers / Kilcher (Hg.): »Randkulturen«, a. a. O., S. 37–63, hier S. 49. — 52 Magnus Wieland: »Border Lines – Zeichen am Rande des Sinnzusammenhangs«, in: Jaspers / Kilcher (Hg.): »Randkulturen«, a. a. O., S. 64–89, hier S. 89. — 53 Ebd. — 54 »Frankfurter Allgemeine Zeitung«, 28.11.2020.
Katrin von Boltenstern
»Niemals Germanisten ranlassen« Problematiken der Arbeit mit literarischen Nachlässen
Kurz vor seinem Tod bestimmt Wolfgang Herrndorf, dass seine unvollendeten Schriften nicht der Nachwelt überantwortet werden sollen: »Keine Fragmente aufbewahren, niemals Fragmente veröffentlichen. Niemals Germanisten ranlassen. Freunde bitten, Briefe etc. zu vernichten.«1 In seinem, während seiner schweren Krebserkrankung geführten und später als Buch publizierten Online-Tagebuch schreibt er demonstrativ: »Briefe zerrissen, in der Badewanne eingeweicht, mit Tinte übergossen und entsorgt.«2 Ein Unbehagen gegenüber dem modernen Nachlasswesen und gegenüber Personen, die nach dem Ableben eines Autors seine schriftlichen Hinterlassenschaften aus- und verwerten, ist nicht nur in Texten Herrndorfs zu finden. Schon Robert Musil, um ein weiteres Beispiel zu nennen, spricht von einer »Abneigung gegen Nachlässe«,3 erörtert diese zu Beginn seiner 1936 erschienenen Textsammlung »Nachlass zu Lebzeiten«4 und führt diese in der – posthum veröffentlichten – vierten Fassung seiner Vorrede genauer aus. Dort heißt es: »Nicht umsonst hat schon das Wort Nachlaß einen verdächtigen Doppelgänger in der Bedeutung, etwas billiger zu geben. Auch der Nachlaß des Künstlers enthält das Unfertige und das Ungeratene, das Noch nicht- und das Nichtgebilligte. Außerdem haftet ihm die peinliche Berührung von Gemächern an, die nach dem Ableben des Besitzers der öffentlichen Besichtigung freigegeben werden.«5 In Thomas Bernhards Roman »Korrektur« spricht der Ich-Erzähler sich und anderen das Recht, hinterlassene Fragmente verstorbener ›Geistesmenschen‹ zu bearbeiten und zu veröffentlichen, gänzlich ab. Er erklärt: »(…) diese Herausgeberschaft ist in jedem Falle immer ein Verbrechen, vielleicht das größte Verbrechen, weil es sich um ein Geistesprodukt oder um viele solcher Geistesprodukte handelt, die von ihrem Erzeuger aus gutem Grunde liegen- und stehengelassen worden sind (…).«6
Seit der Professionalisierung der Neuphilologie und der Institutionalisierung sowie Etablierung des Nachlasswesens im ausgehenden 19. und 20. Jahrhundert hat sich bei Autor*innen zunehmend ein Bewusstsein dafür ausgebildet, dass ihre literarischen Nachlässe potenziell Archivgut und diese somit zu einem literaturwissenschaftlichen Forschungsgegenstand werden können.7 In dem Versuch das eigene Fortwirken zu beeinflussen, arbeiten nicht wenige dem Literaturarchiv