Ray Bradbury - Poet des Raketenzeitalters. Hardy Kettlitz

Ray Bradbury - Poet des Raketenzeitalters - Hardy Kettlitz


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war, bringt am Ende jedoch die Rettung: Er stößt in das Horn, und durch die Schallwellen gerät eine Lawine ins Rollen und erschlägt die restlichen Invasoren. Nun hat die Gruppe erst einmal Ruhe und kann sich der Waffen der Feinde bemächtigen. Und wer weiß, vielleicht finden sie sogar heraus, wie das Raumschiff der Bösewichte funktioniert …

      Es handelt sich um eine reine Abenteuergeschichte mit einigen Kämpfen und Heldentaten, wie sie dem Magazin entsprechen, in dem der Text erschienen ist. Im Pulp-Magazin CAPTAIN FUTURE sind nicht nur Geschichten erschienen, die direkt mit dem titelgebenden Captain zu tun haben, sondern auch unabhängige Erzählungen.

      (April 1943 in ASTONISHING STORIES, in keinem Sammelband, 1954 in Assignment in Tomorrow, Hrsg. Frederik Pohl; dt. »Die Ausflucht«)

      Dies ist vermutlich mit Abstand eine der schlechtesten Erzählungen, die Bradbury je geschrieben hat. Die Venusier planen eine Invasion der Erde, weil ihre eigenen Frauen kaum noch fortpflanzungsfähig sind. Die Menschen sind den Venusiern technisch vollkommen unterlegen, und so fasst man auf der Erde den Plan, den Außerirdischen ein Schnippchen zu schlagen, indem ein großer Teil der Weltbevölkerung eingefroren und versteckt wird. Über die Hälfte der Menschheit wird getötet, und die Gehirne der Verbleibenden werden in Hundekörper verpflanzt. Als die Venusier schließlich eintreffen, ist die Erde leer.

      Die Geschichte lässt den Leser fassungslos zurück, erschrocken über so viel himmelschreienden Blödsinn. Nichts an der Erzählung funktioniert, weder die Grundidee noch der zeitliche Ablauf. Wieso wollen und können sich Venusier mit menschlichen Frauen fortpflanzen? Wieso kommt man auf die Idee, dass sich die Menschheit fast selbst ausrottet, und wieso lassen sich das die Menschen gefallen? Wieso setzt sich niemand zur Wehr? Und wieso schrieb Bradbury so etwas überhaupt?

      Die Geschichte erfüllt jede Menge Klischeevorstellungen, die es gegenüber frühen Pulpmagazinen gibt. Es war eine kluge und richtige Entscheidung, dass der Text nie in einen Erzählungsband Bradburys aufgenommen wurde. Vielleicht wurde sie auch nur deshalb gedruckt, weil Bradbury mit dem Herausgeber von ASTONISHING STORIES, Frederik Pohl, befreundet war und Pohl bekanntlich Probleme hatte, sein Magazin mit Texten zu füllen.

      (Mai 1943 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The Small Assassin und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Die gaffende Menge«)

      Diese Erzählung gehört inzwischen zu den wichtigen Bradbury-Klassikern, auch wenn sie auf Deutsch nur einmal in einer Anthologie erschienen ist.

      Mr. Spallner hatte einen Autounfall, und sofort sammelt sich eine Menschenmenge, um ihn anzustarren. Jemand hat einen Krankenwagen gerufen und Mr. Spallner, der nun benommen und verwirrt ist, wird in ein Krankenhaus gefahren. Ständig hat er die Gesichter der Menschenmenge vor Augen, die ihn angegafft hat. Zwei Tage später erwacht Mr. Spallner in seinem Krankenhausbett und ist noch immer etwas durcheinander. Er unterhält sich mit dem Arzt darüber, dass man in Ausnahmesituationen wie bei einem Autounfall die Zeit ganz anders wahrnimmt.

      Schließlich wird er nach zwei Wochen aus dem Krankenhaus entlassen. Die Menschenmenge am Unfallort geht ihm jedoch nicht aus dem Kopf, und so beginnt er selbst Unfälle zu beobachten und fotografiert die Menschenmenge. Dabei stellt er fest, dass immer wieder die gleichen Gesichter auftauchen und die Personen sogar jedes Mal die gleiche Kleidung tragen. Einige Zeit später hat Mr. Spallner einen weiteren Unfall. Und als er diesmal hilflos auf der Straße liegt und sich eine Menschenmenge um ihn sammelt, wird ihm klar, wer diese Leute sind. Sie entscheiden darüber, wer überlebt und wer stirbt, indem sie Erste Hilfe leisten oder nicht. Dabei können sie anderen gegenüber immer behaupten, sie hätten nicht gewusst, dass man einen verletzten Mann nicht bewegen darf. Und Mr. Spallner hat dieses Mal kein Glück. Er weiß, dass er bald selbst Mitglied dieser Menschenmenge sein wird.

      Eine sehr ungewöhnliche und originelle Geistergeschichte, in der das Wort »Geist« noch nicht einmal erwähnt wird.

      In der Verfilmung für die Serie THE RAY BRADBURY THEATER (Staffel 1, Folge 3) spielte Nick Mancuso die Hauptrolle, der den deutschen Zuschauern vor allem aus der Serie STINGRAY bekannt ist.

      (zusammen mit Leigh Brackett; Juli 1943 in WEIRD TALES, enthalten in Dark Carnival, The October Country und The Stories of Ray Bradbury; dt. »Die Sense«)

      Im Jahr 1938 ist eine hungrige Familie mit dem Auto unterwegs in eine ungewisse Zukunft. Als plötzlich die Straße endet, ist auch das Benzin ausgegangen. Der Vater Drew entdeckt ganz in der Nähe einen Bauernhof; im Haus liegt ein toter Mann, der ein Testament hinterlassen hat. Er vermacht all seinen Besitz dem, der ihn findet. Der Mann muss erst vor Kurzem gestorben sein, denn er hält einen noch nicht vertrockneten Weizenhalm in seinen Händen. An der Wand lehnt eine Sense, die die Inschrift trägt: Wer mich in Händen hält – hat Macht über die Welt. Drew und seine Familie sind froh, ein Dach über dem Kopf und genug zu essen zu haben. Und so übernimmt Drew die Aufgabe, den Weizen mit der Sense zu mähen. Doch der Weizen wächst seltsam, nicht flächig, sondern nur in Flecken. Und sobald er die Halme gemäht hat, beginnen sie zu verfaulen. Es dauert einige Zeit, bis Drew herausfindet, dass mit jedem Weizenhalm, den er abschneidet, ein Mensch irgendwo auf der Erde stirbt. Er will diese Aufgabe nicht weiter erfüllen, doch seine Frau Molly überzeugt ihn, dass er weitermachen muss. Eines Tages wird Drew klar, dass die Halme vor ihm die Leben seiner Familie sind, und er verschont sie. Kurz darauf brennt das Haus nieder, und er findet seine Frau und die beiden Kinder weder richtig am Leben noch tot. So bleibt ihm keine andere Wahl als die Halme trotzdem zu ernten. Doch der Tod seiner Familie verbittert ihn so sehr, dass er fortan wahllos den Weizen mäht, auch die grünen Halme. Und überall auf der Welt sterben im Jahr 1938 Menschen, deren Zeit noch gar nicht gekommen war – in Kriegen und Konzentrationslagern.

      Bradbury und Brackett ist hier eine erschütternde und berührende Geschichte gelungen. Auch wenn die Handlung märchenhaft erscheint, so hat sie doch ihren Bezug zur Realität während der Jahre des Zweiten Weltkriegs. Die Autoren bringen sehr nachdrücklich ihre Erschütterung über das Leiden und die vielen Toten überall auf der Welt zum Ausdruck. Das ist ein Text, den man in einem Horrormagazin wie WEIRD TALES kaum erwarten würde.

      (September 1943 in ASTOUNDING, in keinem Sammelband, 1997 in Wizards of Odd, Hrsg. Peter Haining; dt. »Dingsbums«)

      Der Journalist Crowell hat Probleme mit den Bossen der Firma Plastics, die es auf sein Leben abgesehen haben, und muss sich immer wieder verstecken. Da er aber auch Geld verdienen muss, hat er den Auftrag seiner Redaktion angenommen, über einen neuen Laden zu berichten. Bei dem Laden angekommen sieht er ein Schild, das »Dingsbumse«, »Dingsdas«, »Zeugs«, »Apparate« und eine Menge mehr ankündigt. Er betritt den Laden und kommt mit dem Verkäufer ins Gespräch, dem er das Gefühl vermittelt, sich mit »Dingsbumsen« auszukennen. Es stellt sich heraus, dass ein ganz bestimmtes Dingsbums alles Mögliche kann. Der Verkäufer hat in jahrtausendelanger Arbeit den abstrakten Begriff in ein entsprechendes Gerät umgesetzt, das fast alles erledigt, was man sich wünscht. Zumindest wenn man damit umgehen kann. Crowell schafft es mit der »Wunschmaschine« immerhin, sich die Killer vom Hals zu halten und sie sogar zu erledigen, doch am Ende muss er selbst dran glauben.

      Dies ist Bradburys früher Versuch, eine satirische Geschichte zu schreiben, die in Ansätzen sogar tatsächlich witzig, allerdings genau deshalb für den Autor untypisch ist. Vermutlich wurde sie auch deswegen nie in einen Sammelband mit Bradburys Erzählungen aufgenommen. Das Besondere ist vielmehr, dass der junge Autor den Herausgeber John W. Campbell mit dem Text überzeugen konnte und ein schon lange gehegter Traum wahr wurde, nämlich dass Bradbury einen Text in dem damals sehr angesehenen Magazin ASTOUNDING unterbringen


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