Hundert Geschichten. Quim Monzo

Hundert Geschichten - Quim  Monzo


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Radau und der Musik, die Rolling Stones aus der guten alten Zeit, Mann, klatsch den Rhythmus mit, ein Chuck Berry von 58, Reserva Carta Blanca, mmmhh, gut, dann wird das beer serviert (dreißig Peseten and five for the boys und ich kapier’ gar nichts mehr), o.k., langsam komm ich gut drauf, bofff, Traumurlaub, eine Frau beginnt zu tanzen, wow, blond und seidenglatte Haare, Augen wie Brunnen, Lippen wie Matratzen und einen Busen, der bei jeder Verrenkung außer Rand und Band gerät, bis der Gorilla auftaucht, das hier ist keine Disco, das wussten wir, Mann, also nichts mit Tanzen, die Frau hört auf, Frust durchzuckt ihre Matratzen, es ist zum Heulen und Hinsetzen und noch mehr Bier saufen, bis wir uns schließlich durch eine kleine Gasse verdrücken und ich mit einem Bäumchen zusammenknalle, ein untrügliches Zeichen oder so was Ähnliches eines very interesting Rauschzustandes, beschickert oder betütert, und ich setze mich hin. Perlanca, komm, wir setzen uns auf den Gehweg und lauschen in die Stille, sie ist so strange, die Stille und die weiße Wand, hmmmmm, auf, wir gehen in eine Disco, in Ordnung, und wir machen uns auf die Suche, an einer superscharfen Ecke, blau-rote Lichter, ha, die ist sicher gut, wir hätten auch ins Revolution gehen können, zu weit, wir tanzen hier und lassen es uns gut gehen, gut, wir werfen uns, HOPP!, auf die Tanzfläche, klasse, bestellen einen Cubalibre, doch man serviert uns eine Cola mit Gin, was soll denn das, aber macht nichts, das hier ist das Leben und nicht der Achtstundentag im Büro, dieser Song ist toll, von Rosana de los Diablos, wie schön!, es gibt ein paar ausländische Girls, alle Achtung; wir setzen uns, ich muss etwas ausruhen, die Lichter: gelb, knallrot, grün, blau; weiße Spots: flash flash flash flash, alles dreht sich, Mann, wenn man sich eine angeln könnte . . ., doch dieses Jahr ist echt ’ne Katastrophe: Nicht einmal Barça gewinnt die Liga, wie soll denn dann der Urlaub klappen, ha ha, und dieses Jahr ohne den Michels, da muss man erst mal abwarten, und dieser neue Typ, der Deutsche, ich weiß nicht einmal, wie er heißt, erstmal abwarten, wie?, ach so was!, neben uns ein paar Tussen mit Riesenzinken, ein bisschen stulle, die taugen nichts, hast du ’ne Alternative?, scheinen von hier zu sein, hallo, was?, oh Gott, wie sollen wir das bloß anstellen, Perlanca?, noch eine Cola mit Gin, und auf geht’s, was für eine Hitze, Perlanca hebt ab, heute ist er besser drauf als ich, und die Tussen reagieren (sind die öde . . .), wir tanzen, Demis Roussos, we shall dance, we shall dance, fein, aber etwas out, doch es ist klasse so nah beieinander, wie sie sich ranmacht!, Strategie und Taktik and so on, abwarten, wie heißt du?, Mariantònia, aber man nennt mich Tonyi, woher kommst du? Aus HospitaletdelLlobregat, ah, ich bin aus Manresa, jetzt wohne ich aber in SanAdriándelBesós und arbeite als Verkäuferin bei CorteInglés, bei BritishCut? HA HA HA, wie witzig!, ja, in der Parfümabteilung, aber ich mache eine Lehre als Sekretärin, das ist gut: vorankommen, ja. Urlaub? Ja, mit meiner Freundin Mariangustias, Angie für die Freundinnen, Angie?, wie die Frau von David Bowie, du weißt schon: der Song der Rolling Stones: Aaaaangie, Aaaaaangie, du weißt über alles Bescheid, wow, ist das heiß hier, nicht? Ja, willst du gehen? Okay. Wir gehen alle vier, wir schlendern durch die Straßen und trinken einen Cointreau mit Eis am Tresen einer versifften, auf holländisch gestylten Bar. Die Girls sind nett, ein bisschen träge und unbedarft, aber was wäre die Alternative? Wir könnten in mein Appartement gehen, meint Perlanca, so als ob man zu diesem Zimmer Appartement sagen könnte (mal sehen, was sie für ein Gesicht machen, tatsächlich: sie senken den Kopf und tauschen schnell ein paar flüchtige Blicke aus: schlecht: Perlanca war zu voreilig), hmmm, ich habe paar tolle Platten, wir könnten Musik hören, insistiert er, okay, sagen die Tussies. 1:0 für uns! Es wird doch noch gut ausgehen. Wir kaufen eine Flasche eiskalten Sekt, einen guten Sekt, die Gelegenheit ist es wert: einen DELAPIERRE, und gehen auf sein Hotelzimmer: natürlich besser als meines, und schon haben wir verschissen, das allererste, was man beim Hineinkommen mitten auf der Bühne sieht, ist das riiieeesige Bett. Die Tussen stehen verdattert da, ziehen ein Gesicht. Setzen wir uns? Perlanca legt die Beatles auf, au, klasse, die Beatles sind toll, sagt Mariangustias, ich mache das Fenster auf, die Hitze ist unglaublich, ich schaue gerne in den Himmel, er ist so kalt, so blau, so fern: Es muss so gegen zwei oder drei sein, bah, da haben wir noch Zeit; wo ist der Sekt? Sekt her! Klasse! Wir lachen, er ist kalt! Ja, Sekt muss eiskalt serviert werden, sagt Perlanca. Ah, Tonyi öffnet den Mund, ich setze mich neben sie, wir reden über Musik, du, was machst du in Barcelona? Ich arbeite in einer Werbeagentur, oh, wie interessant! Ja. Und was machst du sonntags? Ich gehe mit Freundinnen tanzen. Ah, ja? Ich lege meinen Arm ganz sanft, seidengleich, um ihren Rücken: Sie sagt nichts, ich drücke mit meinen Fingerspitzen ganz sachte ihren Arm auf der Höhe des Bizeps und rücke vorsichtig näher, sie sagt keinen Ton. Ich mache Schummerlicht, sagt Perlanca. OK. Und dreht eine Birne heraus, so sitzen wir in gedämpftem Licht, und ich mache weiter und knutsche sie ab, und sie sagt immer noch nichts. Perlanca ist mit Mariangustias im Nebenzimmer verschwunden, dem Zimmer von Ricardo, der mit dem Jetset nach Cadaqués Paella essen gefahren ist, die Platte, krk, krk, ist hängen geblieben, vielleicht Staub, vielleicht ein Kratzer, krk, krk, aber keiner wird hier einen Finger krumm machen, um eine neue aufzulegen, ich stecke meine Hand unter ihre Bluse, sie reagiert besser, als ich erwartet habe: Öffnen wir also Bluse und Reißverschlüsse dortselbst auf dem Sofa, uff, ich küsse und küsse und glühe, Mann, hat die eine Taille . . . Nein, sagt sie zu mir, so nicht, ah nein? Nein, ich nehme nicht die Pille. Aah! Pille, HA HA, wir können Coitus interruptus machen. Oder nein, warte, ich glaube, Perlanca hat Gummis, ich klopfe an die Tür: tock, tock. Perlanca, kann ich reinkommen? Ich gehe hinein, hole mir, was ich brauche, und verlasse das Zimmer wieder. Schau. Ah, toll, ist das sicher? Ja, englisch, garantiert. Krk, Krk, sagt der Plattenpieler. Ah, gut, zeig mal, komm, du gefällst mir, du mir auch, du bist sehr nett, sagt sie, ich sehe diese Riesenhakennase vor mir, wie von einem Papagei oder einer Elster. Ja, sage ich. Oh, was ist?, fragt sie. Was ist? Ich schaue an mir herunter, verdammt, ich weiß nicht. Was ist los mit dir? Ich weiß nicht, das ist mir noch nie passiert, sage ich ihr, ehrlich, ich verstehe das nicht. Ich rege mich auf. Ich errege dich nicht, sagt sie und senkt traurig den Kopf. Was sagst du da, Frau!, du erregst mich die Hölle, ich versteh das nicht, oh Mann, wir wissen nicht, was tun. Krk, krk macht der Plattenspieler. Sie versucht die Situation zu überspielen, indem sie das Kissen zurechtrückt und mich von der Seite beobachtet. Ich konzentriere mich, denke an ihre Kurven oder an irgendein Foto im Playboy, das wäre doch gelacht, wenn . . . Scheiße, wie peinlich, was für ein Frust, das ist sicher der Gummi, ich weiß nicht, ach geh, wenn ich einmal jemanden an der Leine habe, denke ich und sage zu ihr: Hör mal, tut mir wirklich leid. Mach dir keine Gedanken, sagt Tonyi und versucht ein Lächeln, wie jemand, der dem keine Bedeutung beimisst, dabei kleidet sie sich langsam an und schaut aus dem Fenster, man hört die Geräusche der Straße und das Radio des Nachbarn, Rosana de los Diablos, was für ein Song, der ist klasse, ist schön, nicht wahr?, sagt Tonyi, ja, sage ich, und sie lächelt (traurig?) und ich denke, was für ein Frust, was für ein Mist, so eine Scheiße, und öffne eine Flasche und trinke einen Cynar.

      Rauch

       Für die Dinosaurierin

      Meine Nachmittage verbringe ich gerne in Kneipen, eingehüllt in Rauchwolken und vor mir auf dem lackierten Holztischchen ein Glas Gin. Ich trinke zu viel, ich weiß, daher kommt auch der kleine Bauchansatz, der einer meiner Bräute kritisches Vergnügen bereitet, einer dieser Einmaldie-Woche-Lieben, du rufst an, ja?, ein kalter Kuss auf den Mund. Ich sitze gerne in einer ruhigen Ecke oder am Tresen und lese, lese viel und alles (Zeitungen, Zeitschriften, Romane) und mache Notizen: Auf einer Papierserviette fange ich an zu schreiben und schreibe, bis sie voll ist, dann nehme ich noch eine und noch eine und noch eine, alle sind ganz dicht beschrieben, Zeile für Zeile voll mit Buchstaben, bis schließlich eine Viertelstunde später der Serviettenspender leer ist. Dann reiße ich Seiten aus meinem Terminkalender, und wenn keine Blätter mehr da sind, höre ich auf zu schreiben und betrachte die um mich herumhockenden Leute, die Decke, die dunkel verkleideten Wände (die Pubs, die nichts von einem Pub haben, sind fürs Lesen am ruhigsten) und denke an andere Zeiten und überlege, was ich abends machen soll. Die Servietten und Kalenderseiten werfe ich normalerweise gleich auf der Straße weg, in irgendeinen Papierkorb. Häufig (vor allem in der letzten Zeit) weiß ich nicht, was ich abends machen soll, irgendwie ist alles nervig, ich wälze mich im Bett herum, das inzwischen schon ganz zerknittert ist. Nachts sehe ich die Dinge ganz finster und monströs (wie vermutlich jedermann), ich muss aufstehen, das Licht anknipsen und eine Platte von Maria del Mar Bonet auflegen (denn die Frau finde ich ziemlich klasse), dann warte ich, bis der Tag anbricht, und die Farbe der


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