Seelsorge: die Kunst der Künste. Группа авторов

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bleibt die Seelsorge jenseits der Ortspfarrei ein Randphänomen der Pastoral. Bisher berief man sich auf mangelnde finanzielle Mittel. Heute rückt ein anderes Phänomen in den Vordergrund: das fehlende pastorale Personal. Bistümer und Landeskirchen gehen unterschiedlich mit der neuen Situation um. Einige kürzen Stellen in der Krankenhausseelsorge, obwohl die Kliniken wachsenden Bedarf anmelden und anteilig refinanzieren. Aus kirchenpolitischer Sicht wird man das Stellenverhältnis nicht vom territorialen in Richtung eines kategorialen Einsatzes vergrößern wollen, auch wenn finanzielle Mittel für letzteren Bereich zur Verfügung stehen. Als Konsequenz droht der kirchliche Rückzug aus dem wichtigen gesellschaftlichen Feld des Gesundheitswesens, obwohl gerade hier den Kirchen und ihrer Seelsorge von externer Seite eine hohe Plausibilität und Relevanz zugemessen wird.

      Die konfessionellen Klinikträger, besorgt um ihr christliches Profil, entwickeln heute erste Strategien, dem Nachwuchsmangel im kirchlichen Personal zu begegnen. Einige unterstützen Initiativen, Ehrenamtliche für die Seelsorge zu qualifizieren. Inzwischen gibt es vielerorts gute Ausbildungsstandards und Konzepte mit hoher Qualität, die allerdings auch hohe Ressourcen der Hauptamtlichen einfordern, berücksichtigt man zudem die ungewisse Dauer des jeweiligen Engagements. Ehrenamtlicher Einsatz umfasst meist nur einige Wochenstunden, deckt ausschließlich die Einzelseelsorge ab, ist nicht erreichbar für Krisenintervention. Ehrenamtliche werden institutionell nicht in gleicher Weise eingebunden wie Hauptamtliche. Sie können die theologisch und pastoralpsychologisch ausgebildete Seelsorge allenfalls ergänzen, jedoch keineswegs ersetzen. Das Ehrenamt ist zudem keine unbegrenzte Ressource, unter sozialpolitischem Einspardruck hat inzwischen ein regelrechter Wettbewerb um ehrenamtliche Kräfte begonnen.

      Ein zweites Modell stützt sich auf einen Personal-Mix: unter der Leitung einer Theolog*in wird eine Abteilung ‚Krankenhausseelsorge‘ in der Klinik eingerichtet, die aus Quereinsteigern verschiedener Gesundheitsberufe zusammengesetzt ist. In konfessionellen Häusern geschieht dies aus einer Tradition heraus, dass früher Ordensleute, meist aus der Pflege kommend, irgendwann seelsorgliche Tätigkeiten übernahmen. Uneinheitlich ist bislang der Umfang der Qualifikation: geben sich einige Kliniken mit einer 6-wöchigen Weiterbildung in ‚Klinischer Seelsorgeausbildung‘ (KSA) zufrieden, werden an anderen Standorten aufwändigere Weiterqualifikationen organisiert (z. B. 4-jährige Ausbildung im Bistum Münster inklusive theologischem Fernstudium). Eine problematische Entwicklung bahnt sich hier an, ausgelöst durch den wachsenden Bedarf und das abnehmende kirchliche Angebot an Seelsorge: durch Senkung der Anforderungen in Ausbildung und Aufgaben droht diese Profession in die Beliebigkeit zu geraten. Den Titel ‚Seelsorger*in‘ können schließlich viele tragen, auch ohne theologische Ausbildung, denn der Seelsorgebegriff ist gesetzlich nicht geschützt. Alle, die sich den Kranken zuwenden, machen dann im christlichen Krankenhaus irgendwie ‚Seelsorge‘. An manchen Kliniken werden Teilaufträge in der Seelsorge vergeben an Personal, das auch weiterhin in Medizin, Pflege oder Sozialarbeit eingesetzt ist. Wie hier den zu erwartenden beruflichen Rollenkonflikten begegnet werden will, bleibt unbeantwortet. Auch wer hier ‚Geistlicher‘ im Sinne des staatlich garantierten Zeugnisverweigerungsrechtes und des Seelsorgegeheimnisses ist, bleibt bisher ungeklärt. Hier müssten die Kirchen kritischer nachfragen. Bemerkenswert ist zumindest, dass gerade die kirchlichen Einrichtungen hier den Anfang machen. Andere Kliniken werden deren Beispiel folgen.

      Bisher sind aus den öffentlichen oder privaten Klinikverbänden noch keine Initiativen bekannt, dem Nachwuchsmangel in der Krankenhausseelsorge zu begegnen. Doch erste Andeutungen aus dem Helios-Konzern zeigen, dass die Monopolisierung der Seelsorge in kirchlicher Verantwortung keine Selbstverständlichkeit mehr ist. Wo die Kirchen kein seelsorgliches Personal zur Verfügung stellen, so De Meo, müssen sich „die Krankenhäuser zum Ausbau eigener Servicebereiche hierfür entschließen, bzw. entsprechende Leistungen ggf. von anderen Dritten ‚einkaufen‘“ (De Meo 2017). Auch diesen Servicebereichen dürfte man künftig den Titel ‚Seelsorge‘ nicht verwehren.

       Neue Zugangswege zur Krankenhausseelsorge

      Soll die professionelle christliche Krankenhausseelsorge künftig weiter Bestand haben, müssen die Kirchen neue Wege wagen. Als erstes gilt es, aktiv für kirchlichen Nachwuchs zu werben für einen durchaus reizvollen kirchlichen Beruf. Die deutsche Seelsorgestudie zur Berufszufriedenheit in der katholischen Pastoral bescheinigt besonders den kategorialen Seelstorgefeldern wie der Krankenhausseelsorge eine hohe Attraktivität (Baumann 2004, 194 ff). Bisher gibt es jedoch keinen direkten beruflichen Zugang zur Krankenhausseelsorge. Theologiestudium und berufspraktische Ausbildung (Vikariat o. ä.) sind gänzlich auf die territoriale Seelsorge hin ausgerichtet. Erst aus einem gemeindlichen Arbeitsfeld heraus und mit nochmaliger pastoralpsychologischer Weiterbildung ist der Weg in die Krankenhausseelsorge möglich.

      Neue Interessenten könnten gewonnen werden durch einen eigenen Hochschulabschluss zur Krankenhausseelsorge. Für Menschen mit einem anderen sozial- oder humanwissenschaftlichen akademischen Abschluss wäre ein Masterstudiengang ‚Krankenhausseelsorge‘ bzw. ‚Seelsorge im Gesundheitswesen‘ mit einer sich anschließenden berufspraktischen Ausbildung ebenfalls eine Brücke zu diesem Beruf. S. Borck schlägt einen Studiengang vor „… ohne drei alte Sprachen, aber bewusst im Studium auf Auslegung, Hermeneutik und Deutung setzend (…) mit umfangreichem Seelsorge-Lernen, mit kommunikativer und humanwissenschaftlicher, mit ethischer und mit gottesdienstlicher und Ritualkompetenz“ (Borck 2017). Denkbar wäre, dass die theologischen Nachweise aus den Fakultätsbereichen der evangelischen, der katholischen Theologie oder auch anderer Religionen erbracht werden. Unverzichtbar für die spätere Praxis bleibt jedoch die Einbindung in und die Beauftragung durch eine Religionsgemeinschaft. Eine mehrjährige berufspraktische Ausbildung (vergleichbar einem Vikariat), die sich an das mehr wissenschaftlich geprägte Studium anschließt, fände ihren Ort in Feldern des geistlichen Lebens der jeweiligen Kirche oder Religionsgemeinschaft und diente auch der persönlichen Entfaltung der geistlichspirituellen Beheimatung. Am Ende käme für nicht ordinierte Seelsorger*innen eine Art ‚Missio‘ in Frage, vergleichbar der Regelung für die Religionslehrer*innen im Deutschen Schulsystem. Kircheneigene Schulämter nehmen hier die Fachaufsicht wahr, bei kirchlich bestellten Lehrer*innen ebenso die Dienstaufsicht. So fiele die Krankenhausseelsorge nicht unter die Qualitätssicherung und den Abrechnungsmodus des Gesundheitssystems und verlöre nicht ihr unabhängiges Profil.

      Die Akademisierung der Krankenhausseelsorge durch einen eigenen Lehrstuhl würde auch den Anforderungen gerecht, die vermehrt aus dem Gesundheitssystem an die Seelsorge gerichtet werden: die akademische Aus- und Weiterbildung der medizinischen und pflegerischen Berufe in Kompetenzen wie Spiritual Care, Kultursensibilität, Medizinethik und Berufsethik. Seelsorge und Gesundheitsberufe könnten sich in Studium, Aus- und Weiterbildung wechselseitig um die professionelle Perspektive des je anderen ergänzen.

      Ein akademischer Studiengang ‚Seelsorge im Gesundheitswesen‘ ermöglicht es auch, sich zwei weiteren Herausforderungen zu stellen, die seit den 10 Jahren meiner Dissertation erst jetzt mehr ins Zentrum gerückt sind: der wachsenden Bedeutung von Spiritual Care im Gesundheitswesen und der vermehrten Berücksichtigung von Interkulturalität und Interreligiosität im Behandlungskontext.

       Verhältnisbestimmung Krankenhausseelsorge und Spiritual Care

      Nicht durch Initiative der Kirchen sondern des Gesundheitssystems selbst hat Spiritual Care zugunsten einer ganzheitlichen Betreuung des Menschen in Praxis und Forschung an Bedeutung gewonnen. Vorreiterin ist die Palliativmedizin, welche laut WHO-Definition die Berücksichtigung spiritueller Bedürfnisse und spirituellen Schmerzes (Total-Pain-Konzept von Cicely Saunders) als Grundbestandteil der Behandlung betrachtet. Spiritual Care beruht hier auf einem weiten Spiritualitätsbegriff, der für Patient*innen aller Religionen und Weltanschauungen kompatibel ist. Die derzeit am weitesten rezipierte Definition für ‚Spiritualität‘ formulierte 2010 die Europäische Gesellschaft für Palliativmedizin: „Spiritualität ist die dynamische Dimension menschlichen Lebens, die sich darauf bezieht, wie Personen (individuell und in Gemeinschaft) Sinn, Bedeutung und Transzendenz erfahren, ausdrücken und/oder suchen, und wie sie in Verbindung stehen mit dem Moment, dem eigenen Selbst, mit Anderen/m, mit der Natur, mit dem Wesentlichen (significant) und/oder dem Heiligen“ (www.eapcnet.eu Übersetzung T. Roser).

      Gegenwärtig


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