Wickel und Kompressen - eBook. Vreni Brumm

Wickel und Kompressen - eBook - Vreni Brumm


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alte und bewährte »Heilmittel«. Bereits in den Schriften des Hippokrates (um 460—370 v. Chr.) sind Anwendungen mit Wasser und Baumwolle oder Öl und Baumwolle zur Linderung von Leiden erwähnt. Damals wie heute werden Wickel und Kompressen sowohl in der Volksheilkunde wie auch als Hausmittel angewendet. Das Wissen beruht auf Erfahrungen, die von Generation zu Generation, in der Regel von Frau zu Frau, weitergegeben wurden. Auch in der Naturheilkunde wurden Wickel und Kompressen seit jeher mit den verschiedensten Zusätzen durch Ärztinnen verabreicht und empfohlen. In der anthroposophischen Medizin sind sie gar ein zentraler Bestandteil vieler Behandlungen. In zahlreichen Therapiezentren, Praxen und Kurhäusern gehören sie heute zu den komplementären Behandlungen. Vor der Entdeckung des Penicillins kamen in den Krankenhäusern Senfwickel als wirksame Therapie bei der Lungenentzündung zum Einsatz.

      In der Schulmedizin gehören Wickel und Kompressen heute in einem viel umfassenderen Sinn zu den physikalischen Anwendungen, welche vor allem in der Physiotherapie, immer häufiger aber auch im Pflegebereich genutzt werden. In ausgewiesenen Kliniken, Alters- und Pflegeheimen sowie bei der Betreuung zu Hause (Spitex) werden Wickel und Kompressen mittlerweile als eigenständige Pflegemethode von professionell ausgebildeten Wickelfachfrauen und -männern angewendet.

      Wickel und Kompressen dienen nicht nur zur Steigerung des Wohlbefindens und zur Unterstützung der körpereigenen Kräfte sowie zur Linderung von Beschwerden. Sie werden im Rahmen der Gesundheitsförderung auch dazu eingesetzt, sich zu entspannen und dem Alltagsstress zu entziehen. Durch gezielte Anwendungen werden die Selbstheilungskräfte des Körpers unterstützt (zum Beispiel bei beginnendem Husten durch Brustkompressen mit Bienenwachslappen). Weiter können Organfunktionen unterstützt werden (etwa die Tätigkeit der Leber durch feuchtheiße Leberkompressen). Wickel und Kompressen können zudem als Begleitung in einem Krankheitsprozess eingesetzt werden (beispielsweise in der professionellen Pflege bei schwerkranken Patienten wie der Palliativpflege). Und schließlich werden Wickel und Kompressen bei gesundheitlichen Störungen wie Erkältungen, Verdauungsbeschwerden oder Muskelverspannungen äußerst vielseitig und erfolgreich angewendet. Das weitaus häufigste Einsatzgebiet von Wickeln und Kompressen ist jedoch die Linderung von Schmerzzuständen, etwa bei rheumatischen Schmerzen und Entzündungen.

      Wickel: Ein Körperteil wie der Fuß, das Bein oder der Arm wird mit einem oder mehreren Tüchern umwickelt. Zur Wirkung gelangen Zusatzstoffe und/oder Temperaturreize (kalt, temperiert, heiß). Das innerste Tuch ist Substanzträger, kann also mit einer Wickellösung getränkt sein.

      Kompresse, auch »Auflage« genannt: Auf eine bestimmte Körperpartie (zum Beispiel Bauch oder Brust) wird ein Tuch gelegt. Entsprechend der Auflagestelle erhält die Kompresse ihre spezifische Bezeichnung wie »Bauchkompresse«, »Brustkompresse« und so weiter. Die Kompresse ist Substanzträger, kann also mit einer Wickellösung getränkt sein, oder der Zusatz (zum Beispiel Leinsamen oder Quark) wird darin eingepackt. Ein weiteres Tuch aus Baumwolle schließt die Kompresse ab.

      Wickel

      Kompresse, auch »Auflage« genannt

      Kataplasma, auch »Umschlag« genannt: Angewandt werden Brei- oder Pastenumschläge, zum Beispiel aus Lehm oder Leinsamen.

      Die Wirkung von Wickeln, Umschlägen und Kompressen beruht auf einem Zusammenspiel verschiedener Faktoren. Im Detail sind viele dieser einzelnen Wirkungsmechanismen wissenschaftlich nicht erklärbar, sie basieren auf Erfahrungswissen. Grundsätzlich können folgende drei Wirkungsfelder unterschieden werden:

       Physikalische Wirkung (Temperaturreiz)

      Auf einer bestimmten Körperstelle wird eine heiße oder kalte Kompresse aufgelegt. Die Wirkung kann begrenzt sein oder über den ganzen Körper reichen. Die auf der Haut befindlichen Rezeptoren nehmen dabei den Temperaturreiz auf und leiten ihn über die Nervenbahnen weiter. Ausgehend von der Auflagestelle, leiten die Nervenbahnen den Reiz über das Rückenmark zu den inneren Organen. So lindert beispielsweise eine heiße Bauchkompresse die Blähungen, indem die Darmmuskulatur entspannt wird. Informationen zur spezifischen Wirkung der heißen oder der kalten Kompressen sind in den entsprechenden Kapiteln aufgeführt.

      Klaus-Christof Schimmel: Lehrbuch der Naturheilverfahren Band 1, Hippokrates Verlag 1990

       Psychosoziale Wirkung (Beziehung zwischen Personen und Umfeld)

      Wickelempfängerinnen und -anwenderinnen stehen bei jeder Anwendung im Gespräch miteinander. Dies beginnt bei der Auswahl der Maßnahme, reicht über die Zubereitung, die eigentliche Durchführung bis hin zur Möglichkeit des Nachruhens. Eine Anwendung kann auch an sich selbst durchgeführt und so das eigene Wohlbefinden unterstützt werden. Eingepackt sein in einen Wickel gibt Halt und vermittelt das Gefühl, »umhüllt« zu sein. Ist alles im Einklang, kommen Körper, Seele und Geist zur Ruhe.

       Phytopharmakologische Wirkung (Zusatz von Wirkstoffen)

      Die Wirkstoffe der Wickelzusätze verhalten sich sehr unterschiedlich. Eine Resorption durch die Haut ist sowohl von den fettlöslichen Pflanzenwirkstoffen wie auch den ätherischen Ölen her möglich. Neben der Aufnahme durch die Haut gelangen die Wirkstoffe durch die Nase zum Zwischenhirn. Die Ausscheidung geschieht über die Nieren, die Haut und die Atmung. Die Wirkung der Pflanzen beruht auf einem Zusammenspiel ihrer unterschiedlichsten Inhaltsstoffe. Informationen zu den einzelnen Wirkstoffen sind in den entsprechenden Kapiteln aufgeführt.

      • Wärme unterstützt das Wohlbefinden, reduziert Spannungszustände und dient zur Krampflösung. Bei Entzündungen kann, wenn die Möglichkeit zur Sekretion besteht, ebenfalls Wärme angewendet werden (Bronchitis, Blasenentzündung, Stirn-, Kieferhöhlenentzündung). Als »warm« bis »heiß« werden Temperaturen von 36 bis 45 °C definiert (genauere Abstufungen finden Sie in den entsprechenden Kapiteln, siehe die Definitionen auf Seite 101).

      • Temperierte Wärme wird bei chronischen, nichtentzündlichen Schmerzen angewendet, zum Beispiel bei Muskelverspannungen und rheumatischen Beschwerden (28 bis 35°C, siehe Seite 61).

      • Kälte dient der Schmerzlinderung bei Sportverletzungen (stumpfe Traumata), Verstauchungen, Quetschungen, Prellungen sowie bei akuten Hals- und Gelenkschmerzen. Zudem wirkt Kälte entzündungshemmend (zum Beispiel bei akuten Gelenk- und Nervenentzündungen). Bei den Kneippanwendungen wird Kälte zur Anregung des Stoffwechsels und zur Wiedererwärmung (reaktive Hyperämie) eingesetzt. Als »kalt« bezeichnet man Temperaturen von 10 bis 22 °C (siehe Seite 151).

      Achtung: Das Wärme- und Kälteempfinden ist bei jedem Menschen anders. Deshalb sind die Temperaturangaben nur ungefähre Richtwerte. Die Empfängerin oder der Empfänger bestimmt die ausgewählte Temperatur, nicht das Thermometer! Besteht Unsicherheit, ob eine heiße Anwendung angezeigt ist, sollte stets ein erster Versuch mit einer temperierten gemacht werden.

      Bei akuten medizinischen Problemen, wie beispielsweise bei unklaren Bauchschmerzen, Herzbeschwerden oder akuter Venenentzündung (Phlebitis), muss unbedingt Rücksprache mit dem Arzt/der Ärztin oder entsprechenden Fachpersonal gehalten werden. Vorsicht ist darüber hinaus geboten bei:

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