Vegetarische Aroma-Bibel - eBook. Karen Page
Ernährung in Verbindung mit der »Wasserkur« zur Grundlage der Behandlung seiner Patienten.
»Wenn der moderne Mensch die Tiere, deren er sich als Nahrung bedient, selbst töten müsste, würde die Anzahl der Pflanzenesser ins Ungemessene steigen.«
Christian Morgenstern
1867 Der evangelische Theologe Eduard Baltzer (1814–1887) gründet den ersten Vegetarier-Verein Deutschlands (Verein für natürliche Lebensweise, später umbenannt in Deutscher Verein für natürliche Lebensweise bzw. Deutscher Verein für naturgemäße Lebensweise), der rasch wächst.
»Es ist zweifellos vorteilhafter, Gemüse anzubauen, und daher denke ich, dass Vegetarismus ein löblicher Weg ist, der bestehenden barbarischen Gewohnheit ein Ende zu setzen. Dass wir von pflanzlicher Kost leben und unsere Arbeit sogar noch besser verrichten können, ist keine Theorie, sondern eine gut belegte Tatsache. (…) Angesichts dieser Tatsachen sollte alles unternommen werden, um das schamlose und grausame Schlachten von Tieren zu beenden, das sich auf unsere Moral nur zerstörend auswirken kann.«
Nikola Tesla, »The Problem of Increasing Human Energy«
1869 Gustav Struve (1805–1870) veröffentlicht sein Werk »Pflanzenkost – die Grundlage einer neuen Weltanschauung«, das die vegetarische Bewegung nachhaltig beeinflusst hat. Bereits 1868 hatte er mit Gesinnungsgenossen aus Stuttgart und Umgebung einen vegetarischen Verein gegründet, der noch heute besteht.
1877 Das »Erste Wiener Vegetarier-Speisehaus« öffnet im Zuge aufkommender lebensreformerischer Strömungen seine Pforten für die Anhänger fleischloser Gerichte oder, wie es in der Satzung des Ramharter’schen Speisehauses heißt, »im Zeichen Tierschutzbegeisterter und vom Vegetarismus faszinierter Wagnerianer«. Richard Wagner ist die Ikone der Vegetarier im 19. Jahrhundert. In seiner Schrift »Religion und Kunst« erklärt er den Vegetarismus zum Ernährungskonzept für Intellektuelle und betont, die Menschheit könne durch Verzicht auf Fleischgenuss zu einem höheren moralischen Dasein gelangen, wurde selbst aber nicht Vegetarier.
1882 In Berlin und Leipzig öffnen ebenfalls erste vegetarische Gaststätten.
1883 Howard Williams (1837–1931) schreibt das erste Buch über die Geschichte des Vegetarismus mit dem Titel »The Ethics of Diet«. Es wird über die Jahre Vegetarier von Leo Tolstoi bis Gandhi beeinflussen.
1892 Der überregionale Deutsche Vegetarier-Bund mit Sitz in Leipzig entsteht aus dem Zusammenschluss der beiden wichtigsten Vegetariervereine (1903 zählt er 1300 Mitglieder). Die vegetarische Bewegung hat im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung gewonnen.
1893 Von Anhängern der Lebensreformbewegung wird in Oranienburg bei Berlin die genossenschaftliche Obstbausiedlung Eden gegründet. 1908 entwickelte das Unternehmen Eden den ersten vegetarischen Fleischersatz und die erste pflanzliche Margarine. 1930 folgten »Eden Pflanzenfleisch« und Steinpilzpastete. Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs lebten fast 1000 Menschen im genossenschaftlich organisierten »Eden«.
1897 Der Schweizer Arzt und Pionier der Vollwertkost Maximilian Bircher-Benner (1867–1939), Erfinder des Birchermüesli, setzt seine vegetarischen Ernährungsrichtlinien in seiner renommierten Privatklinik am Zürichberg um, in der bis 1994 viele prominente Patienten Heilung finden.
»Es gibt in Fleisch oder Fleischprodukten nichts für die Ernährung des Menschen Notwendiges oder Wünschenswertes, was pflanzliche Erzeugnisse nicht auch liefern könnten.«
John Harvey Kellogg, in »The New Dietetics. What to Eat and How«
»Fleischnahrung (…) ist ganz einfach unsittlich, weil sie eine dem sittlichen Gefühl widersprechende Tat, das Morden, erfordert.«
Leo Tolstoi
Spätes 19. Jh. Der Arzt John Harvey Kellogg (1852–1943) entwickelt Dutzende innovative fleischfreie Speisen (dies zu einer Zeit, als in den USA zu einem typischen Frühstück nicht selten Würstchen und Whiskey gehörten). Am bekanntesten sind seine Cornflakes und andere verzehrfertige Frühstücksflocken, die innerhalb eines Jahrzehnts die morgendliche Mahlzeit revolutionieren. Zu den Patienten in seinem Sanatorium zählen viele Prominente, darunter Thomas Edison, Henry Ford, John D. Rockefeller und Johnny Weissmüller. Kellogg wird in den USA der führende Vertreter des Vegetarismus seiner Zeit, und der Erfolg der W. K. Kellogg Company (geführt durch seinen Bruder Will Keith) ermutigt auch andere Firmen, Frühstückszerealien als Ersatz für fleischhaltige Frühstücksspeisen herzustellen.
»Der Arzt der Zukunft wird keine Medizin verschreiben, sondern seine Patienten darin anleiten, sich eigenverantwortlich um Körper und Ernährung, die Ursachen von Krankheiten sowie die Möglichkeiten zu deren Prävention zu kümmern.«
Thomas Edison, in »Fort Wayne Sentinel«, 31. Dezember 1902
1890 Als proteinreiches Nahrungsmittel und gesunde Eiweißquelle für ältere Patienten, die kein Fleisch kauen können, wird die aus gemahlenen Erdnüssen gewonnene Erdnussbutter eingeführt (von George Bayle erstmals kommerziell vertrieben; 1895 erwirbt John Harvey Kellogg das Patent auf das Verfahren).
1892 Leo Tolstoi (1828–1910) schreibt unter dem Titel »Der erste Schritt« seinen einflussreichen Essay über Vegetarismus. Er ernährte sich vegetarisch und erklärte Fleischnahrung für »unmoralisch, weil sie eine dem Gefühl der Moralität widersprechende Tat – den Mord – erfordert, und weil sie nur von der Feinschmeckerei und Gefräßigkeit verlangt wird«. Schon 1857 hatte er in seinem Tagebuch festgehalten: »Die Armut der Leute und die Leiden der Tiere sind furchtbar.«
1895 In New York wird im Hotel Byron das erste vegetarische Restaurant, Vegetarian Restaurant Number 1, unter der Führung der Vegetarian Society eröffnet. In London gibt es im Jahr 1897 bereits 13 vegetarische Restaurants.
1898 In Zürich eröffnet Ambrosius Hiltl das Vegetarierheim und Abstinenz-Café, das später in Hiltl umbenannt wird. Es gilt als das älteste, seit der Eröffnung bis heute durchgängig betriebene vegetarische Restaurant der Welt, heute mit mehreren Niederlassungen im Raum Zürich, einschließlich einem Laden mit der »ersten vegetarischen Metzgerei der Schweiz«, und ergänzt durch eine Kette weiterer vegetarischer Restaurants unter dem Namen tibits by Hiltl.
1899 Beeinflusst durch die Gedichte und Schriften von Percy Shelley schreibt der Tierschutzaktivist Henry Salt (1851–1939) sein zu einem Klassiker gewordenes Buch »The Logic of Vegetarianism«, das später Gandhi in seinem Engagement für den Vegetarismus bestärken wird. Salt gilt als der erste Schriftsteller, der in seiner Schrift »Animals’ Rights« von 1894 Tierrechte proklamiert, statt nur eine Reform des Tierschutzes zu fordern.
1900 Auf dem Monte Verità in Ascona gründet eine lebensreformerische Künstlerkolonie eine sogenannte »vegetabile Cooperative«, eine Siedlungsgemeinschaft auf zunächst veganer und später vegetarischer Grundlage.
»An erster Stelle steht der ethische Vegetarier, der sich aus moralischen oder philosophischen Gründen weigert, Fleisch zu essen. (…) Dann kommt der religiöse Vegetarier, der aufgrund der Vorschriften seiner Religion kein Fleisch isst. (…) An dritter Stelle steht der Vegetarier aus ästhetischen Gründen, der es lieber vemeidet, das graue, gekochte Fleisch eines toten Tieres zu essen. (…) Der vierte Typ ist der wissenschaftliche Vegetarier, der die Anatomie der Tiere verglichen hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass der Mensch von Natur aus ein Pflanzenfresser ist und gar kein Fleisch essen sollte. (…) Und an fünfter Stelle stehen die Vegetarier aus Ernährungsgründen, die einfach deshalb kein Fleisch essen, weil es gesünder ist.«
Symon Gould, zitiert in »The New York Times Magazine«, 1945
1901 In Russland wird der erste Bund der Vegetarier gegründet. Nach der Revolution von 1917 wird der Vegetarismus in der Sowjetunion als illegal erklärt. Vegetarische Restaurants müssen schließen